England. Gloucester. Underground Festival – noch nie von dem Festival gehört? Kein Wunder. Das kleine Festival fand zum ersten Mal statt und wartete mit einer ganzen Reihe der neuesten und besten Indiekünstler aus Großbritannien auf.
Die Gloucester Guildhall (erbaut um 1890), der Veranstaltungsort, befindet sich inmitten einer tagsüber belebten Einkaufsstraße. Eine Tür führt über eine Treppe in einen langen Flur, und die Aussenwelt ist sofort ganz weit weg. Das Festival hat sich auf der ganzen Etage ausgebreitet. Es gab drei Räume: Der kleinste war eine Akustikbühne, vielmehr ein kleiner Raum ohne Bühne, der auch als Galerie diente. Die zweite Bühne ist normalerweise auch ein Kino und war früher ein Rathaussaal. Mit seiner typischen Holzverkleidung an den Wänden hat der Raum auch noch genau diesen Charme. Der dritte und größte Raum war ein Konzertsaal, von der Größe vergleichbar mit dem Berliner Lido. Das 2-tägige Festival war also ein eher intimes Erlebnis und nicht im Ansatz vergleichbar mit den Festivals, die ich bisher besucht habe.
Der Samstag beinhaltete überwiegend feinsten Indiepop. Den Anfang bildeten allerdings die jungen Herren von The Crowd mit ihrem Rock. Die Band hatte sich am Vorabend bei einem Battle Of The Bands den Eröffnungsplatz erspielt. Sie waren laut und ganz gut dafür, dass der Zuschauerraum vor der großen Bühne fast leer war. Der Tag hatte jedoch einen Haufen von Indieperlen zu bieten. Die erste heißt Frank Hamilton – ein Mann, eine Gitarre und eine Mischung aus Folk und Pop auf der Kinobühne. Er machte mehr als einmal erfolgreich sein gesamtes Publikum zu seinem Backgroundchor, spielte ein akustisches Blink-182 Cover, und als er sang „I am gonna change things“, glaubte man ihm es.
Die Candle Thieves traten in einer ganz besonderen Formation auf: ohne Scott McEwan – der lag krank zuhause. Glock spielte und sang alleine und machte dies wunderbar. Anstatt Scott gab es Sam Little, der eine fast perfekte Interpretation von Scott ablieferte (ohne Gitarre zu spielen und richtig mit zu singen). Sam Little spielte zuvor selbst seine Musik. Unsere Zuneigung für Sam Little habe wir euch ja schon vor einiger Zeit gestanden (siehe hier) und ich muss euch sagen, live ist er großartig. Die kleine Galerie wandelte er für seinen Auftritt in eine Kirche um, und seine Musik war mit Herz erfüllt. Lost On Campus, oder Rob Lynch wie er eigentlich heißt, hatte zwar gegen die lauteren Bühnen anzukämpfen – wie fast alle auf der kleinen Akustikbühne gegen Ende ihrer Auftritte -, aber seine Musik ist voller Leidenschaft. Feinster Pop mit Spaßgarantie.
Das letzte Highlight für mich waren Paper Aeroplane. Sarah Howells spielte allein ohne ihren Partner Richard Hewellyn, es schien eine schwere Männergrippe umzugehen an diesem Wochenende. Nichtsdestotrotz war ihr Auftritt wunderschön, ihre traurigen Songs hat sie in den Pausen ein wenig aufgelockert. Sie hat uns von ihrem Auftritt mit Paper Aeroplane am Tag zuvor auf einer Hochzeit erzählt. Man muss schon ein ziemlich großer Liebhaber ihrer Musik sein um sich solch traurige Musik auf seine Hochzeit zu holen, aber immerhin hat es beim Underground Publikum dann doch für einige Lacher gereicht.
Der Sonntag begann gelinde gesagt etwas lauter auf der Kinobühne. Hold Your Horse Is kamen ein wenig spät, spielten lauten, guten Rock und warfen am Ende noch Teile ihres Schlagzeugs herum. Ein wenig leiser ging es anschließend bei Shoes And Socks Off zu. Tobias Hayes (einziges Mitglied bei SASO) wechselte zwischen Akustik- und E-Gitarre und sang mit viel Herz. Seine Alben sind schon großartig, aber live ist er nochmal um einiges besser. Ein Künstler, den man unbedingt im Auge behalten muss. Ebenfalls gut waren Tall Ships, die später am Abend spielten. Irgendwo zwischen Heavy und Electro, verspielt, tanzbar und rockig und im übrigen Anfang November auch in Deutschland zu sehen mit 65 Days of Static.
Ganz anders waren die Gallops auf der großen Bühne, die ganz ohne Gesang auskommen und dafür einen Mann am Computer haben – wie nennt man diese Menschen eigentlich? Computerspieler, Computerist, Computist, Soundfrickler oder der Mann am Apfel? Wie üblich war die große Bühne etwas zu laut und ihr experimenteller Sound im ersten Moment ein wenig gewöhnungsbedürftig nach soviel Rock, aber auch sie waren gut.
Die Highlights auf der kleinen Akustikbühne waren zum einen Tubelord, die sich im ganzen Zimmer verteilten und ein sehr leises, aber wunderschönes Set spielten. Die Aufmerksamkeit unter den Zuhören war förmlich zu spüren. Zum anderen waren es Boat To Row – in meinen Notizen steht einfach nur das Wort folk-tastisch und ein besseres Wort gibt es auch heute nicht. Sie produzierten großartige Folkmusik in diesem kleinen Raum.
Den Abschluss auf der großen Bühne bildeten Pulled Apart By Horses und The Joy Formidable – beide waren ebenfalls gut, aber leider waren am späten Sonntagabend nicht mehr genug Leute im Publikum um den Raum richtig auszufüllen und richtig viel Stimmung zu machen. Es war trotzdem ein Spaß, sie live zu sehen.
Es gab viele gute Bands bei diesem Festival, fast schon zu viele, wenn es so etwas tatsächlich geben sollte. Ich hoffe, dass es dieses kleine Festival im nächsten Jahr wieder geben wird und uns zeigt, was Großbritannien abseits der Charts zu bieten hat.