Fröhlich und munter schlemmt man sich von einem Frühstücksbuffet zum nächsten, hetzt von einem Interview zum anderen, schnackt, diskutiert und tauscht sich hier und da mit Gleichgesinnten aus. Und alles immer noch unter einem Vorwand: Spot Festival 2012! Mittlerweile hat man schon zahlreiche neue Bands entdecken und bestaunen können, und auch Tag 2 verspricht nicht weniger ereignisreich zu werden.
In den Tag starten wir heute mit Crunchy Frog Showcases, bei denen Snake & Jet’s Amazing Bullit Band den Auftakt machen. Bezaubernd ist die mittlerweile zum Trio herangewachsene Kombo in jedem Fall. Es ist gerade mal der vierte Auftritt, den Bassistin Alas die beiden Herren Thomas und Thor begleitet. Sie fügt sich aber geradezu perfekt in das Gesamtbild ein, als wäre sie schon immer mit dabei gewesen. Mit ihrem Psychedelic Rock könnten Snake & Jet’s Amazing Bullit Band auch direkt den 70ern entsprungen sein. Alte-Herren-Musik ist das aber keinesfalls. Die Umsetzung auf der Bühne meistern sie mit Bravour. Voller Leidenschaft geben sie sich ihren Songs hin und übertragen diese gekonnt auf die Zuschauer, die diesen Auftritt mit gebührendem Applaus belohnen.
Snake & Jet’s Amazing Bullit Band im Web
Gleich im Anschluss kündigen sich Shiny Darkly an, die mit ihrem dunklen und halluzinierendem Noise Pop, mit etwas New Wave hier, etwas Shoegaze dort, stark an Joy Division erinnern. Songs wie „He’s Suicidal“ und „You Feel Like You Should“, die vom tiefen Bariton des Sängers getragen werden, verschärfen diesen Eindruck ein Stück weit. Fehlt eigentlich nur noch der eigenwillige Tanzstil, den Ian Curtis pflegte auf der Bühne zu leben. Aber eine reine Abklatschband sind Shiny Darkly dann ja doch nicht. Und dynamisch ist der Auftritt trotzdem allemal. Den Zuschauern gefällt offensichtlich was sie hören und sehen, und auch ich reihe mich gerne beim jubelnden Beifall mit ein.
Die einen wissen es bereits, die anderen sollen es jetzt erfahren: Mein Herz schlägt für Post- und Psychedelic Rock. Demnach ist der Auftritt der drei Dänen um Papir ein Pflichtbesuch in meinem Programm. Und ich soll keinen Moment enttäuscht werden. Die leidenschaftliche Hingabe durchzieht die gesamte Show wie ein roter Faden. Dabei spielen sie die Songs ihres Albums „Stundum“ nicht einfach runter, sondern präsentieren durch Improvisation eher eine Art Jam Session, von deren Energie man regelrecht mitgezogen wird, das Herz fängt dabei unweigerlich an, höher zu schlagen. Dass die Kombo bei ihren Songs vollständig auf Gesang verzichtet, fehlt keineswegs. Gitarre, Bass und Schlagzeug fügen sich zu einem ausgeklügelten Gesamtbild und werden gekonnt mit Effekten geschmückt. Das geht tief unter die Haut und hinterlässt Eindruck im mehr als gut besuchten Club Radar.
Beim Auftritt von Boho Dancer wird man sich der organisatorischen Probleme einmal mehr bewusst. Der Club Atlas ist brechend voll, zahlreiche Besucher stehen vor der Tür und kommen nicht rein. Entschädigt wird man dafür, indem man dem Auftritt von IKI einen Besuch abstattet. Was sich hier auf der Bühne offenbart, hinterlässt auch im Nachhinein noch ein Lächeln auf meinem Gesicht. Außergewöhnliches trifft hier auf Talent und Charme. Gleich neun sympathische junge Frauen teilen sich die Bühne, einstudiert ist hier allerdings nichts. Getreu dem Motto „Zurück zum Ursprung“ bedient man sich hier lediglich der eigenen Stimme, erzeugt alles an Sound und Melodie selbst und ohne zur Hilfenahme irgendwelcher Instrumente. Als wäre das nicht schon außergewöhnlich genug, ist auch hier alles improvisiert. Da wird dann auch aus zugerufenen Wörtern aus dem Publikum ein Song gemacht. Das sorgt nicht nur für erheiterte Unterhaltung sondern auch für regelrechte Begeisterung unter dem Zuschauern, und das völlig zu Recht.
Geduldiges Anstehen für die Show von Annasaid lohnt sich in jedem Fall. Zugegeben, ihrem Math-Pop lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit zu Foals nicht abstreiten, vielleicht ist es aber auch genau diese Tatsache, die zahlreiche Besucher ins Katapult stürmen lässt. Bereuen muss das hier jedenfalls keiner. Diejenigen, die den Weg rein geschafft haben, werden mit einer energiegeladenen Show belohnt, der man sich einfach nicht entziehen kann. Unweigerlich fängt man an, mindestens mit dem Fuss zu wippen und dem Quartett auf’s Wort zu folgen, wenn es heißt „Hands up“ oder „Jump“. Sowohl von Musik als auch der fröhlichen Art von Annasaid lässt man sich nur zu gerne anstecken. Gespannt darf man verfolgen, wie es um die Kombo so weiter geht.
Wer auf Postrock steht, der sei an Sky Architects verwiesen. Sich aufbauende Soundcollagen aus satten Gitarrenriffs und einem donnernden Schlagzeug fügen sich zu harmonischen Melodien, die zu tiefst ergreifen und das Herz höher schlagen lassen. Schnell vergisst man alles um sich herum, wird lediglich zurück in die Realität geholt, als der tosende Applaus einsetzt und man sich wieder bewusst wird, dass man nicht alleine ist. Ein Blick in die Gesichter anderer Besucher bestätigt schließlich meinen Eindruck eines durchweg gelungenen Auftritts. Voller Vorfreude darf man also jetzt schon auf Tourdaten in Deutschland warten, einen Besuch sind Sky Architects auf jeden Fall wert.
Wer keine Lust hat, sich eineinhalb Stunden anzustellen, der muss leider auf das Konzert von The Raveonettes verzichten. Schade eigentlich! Nicht nur, dass diese Band grundsätzlich einen Besuch wert ist, vor genau 10 Jahren begann ihre Karriere genau hier auf dem Spot Festival. Und um das Ganze zu zelebrieren, präsentierten sie exklusiv ihre damals aktuelle EP „Whip It On“. Da bleibt schließlich nur noch die Hoffnung, dass sich solch eine Gelegenheit an andere Stelle noch einmal bietet.
Dass es sich bei Tapio und Mattie von Zebra and Snake um zwei alte Freunde handelt, merkt man bei ihrem Auftritt im Voxhall sofort. Ihr Zusammenhalt auf der Bühne gepaart mit ihrem Enthusiasmus bei der Umsetzung ihrer Songs machen die Show zu einem Erlebnis. Wo man die Musik des Duos einordnet, sei am besten jedem selbst überlassen. Irgendwo zwischen Fleetwood Mac über Krautrock bis hin zu Ambient-elektronisch angehauchtem Sound. Hier hört man ein bißchen Hurts heraus, dort etwas New Order. Viel wichtiger ist jedoch das Gefallen in den eigenen Gehörgängen, und das unterschreibe ich sofort. Leider leert sich der Club noch bevor der Auftritt zu Ende ist. Grund hierfür scheint jedoch die Angst zu sein, bei den nachfolgenden heiß begehrten Shows nicht mehr rein zu kommen. An der Performance der sympathischen Finnen scheint es jedenfalls nicht zu liegen, dagegen spricht die durchweg positive Resonanz der Zuschauer, die ihrer Begeisterung mit anhaltenden Applaus sowie jubelnden Zurufen einen Ausdruck verleihen.
Mittlerweile haben sich die Festivalbesucher ordentlich in Feierlaune getanzt, sodass der Auftritt von Taragana Pyjarama gerade richtig kommt. Das Katapult ist proppevoll, und jeder der hier Anwesenden lässt sich von den elektonischen Klängen nur zu gerne animieren, das Tanzbein zu schwingen und die harmonischen Melodien mit tosendem Applaus zu würdigen. Die traumhafte Verschmelzung elektronischer Klänge bietet Taragana Pyjarama alias Nick Eriksen genügend Spielraum, um die Songs auf Bühne mit Improvisation zu füttern und dem ganzen eine außergewöhnliche Marke zu verleihen, aus dieser Show schließlich etwas Besonderes zu machen. Das macht Spaß beim Anhören und Zusehen, und geht direkt durch Mark und Bein.
Es war eigentlich fast schon abzusehen und somit wenig überraschend, dass der Auftritt von Rangleklods für ordentlich Furore sorgt, die Tür bereits eine Stunde vor Konzertbeginn belagert wird. Und diejenigen, die es rein schaffen, wissen schließlich auch ganz genau, warum sie so lange gewartet haben. Und sogar die Jungs von Reptile Youth lassen es sich nicht nehmen, dem energiegeladenen Auftritt von Rangleklods alias Esben Andersen einen Besuch abzustatten. Die Menge rastet förmlich aus, kann ihre Begeisterung keinen Moment zurück halten, und das muss sie auch nicht. Elektronische Soundcollagen treffen hier auf lieblich süßen Gesang, der von Tikki Hasselriis Jensen mit der Gitarre begleitet wird. Neben seiner Musik überzeugt der Däne, der sich eineinhalb Jahre Inspiration in Berlin holte und nun in Kopenhagen lebt, ebenso mit seiner charmanten Art, mit der er zunehmend leichtes Spiel hat, die Zuschauer voll und ganz auf seine Seite zu ziehen. Trotz der jungen Bandgeschichte kann Rangleklods auf eine beeindruckende Historie zurückblicken. Und im Sommer wird er sogar auf dem Roskilde Festival performen, auf einer der großen Bühnen, wie uns bereits verraten wurde. Na, wir sind gespannt, was sich um Rangleklods noch so ereignen wird.
Abschließend lässt sich lediglich festhalten, dass das Spot Festival durchweg eine Reise wert war. Abgesehen von kleinen organisatorischen Ungereimtheiten blicke ich auf zwei wundervolle Tage zurück, an denen ich neben fantastischer Musik auch auf liebenswerte Menschen getroffen bin. Mein Herz schlägt immer noch wie wild, sodass ich eins mit Gewissheit sagen kann: Das Spot Festival findet für das Jahr 2013 bereits jetzt einen festen Platz in meinem Kalender.
Spot Festival 2012 Spezial: Wir haben uns mit einigen Bands auf dem Spot Festival getroffen und unterhalten. Wer das so war und was sie uns dabei so verraten haben, könnt ihr in unserer siebenteiligen Serie nachlesen. Jeden Tag, und das eine Woche lang, werden wir euch eine andere Band vom Spot Festival vorstellen. Also haltet Augen und Ohren offen, in Kürze geht’s los. Wir wünschen euch schon jetzt viel Spaß beim Entdecken!
War dabei: Jessica Franke