Diese Woche startete „Tron Legacy“ in den deutschen Kinos. Die Fortsetzung des Disney-Streifens von 1982. Der erste Tron-Film galt als Demonstration und Werbung für das Graphic-Design am Computer, eröffnete mit seiner kaleidoskopischen Märchenwelt und dem Einsatz (damaliger) modernster Filmtechnik ungekannte Horizonte. Ein Stückchen Kunst von einem Mainstream-Studio.
Ein sinnfreies aber ästhetisches Spektakel.
Tron Legacy ist in erster Linie Popcorn- und Erlebniskino. Die schwache Story, mit geringem dramaturgisches Ansatz, wird von herausragenden Bildern und beeindruckenden Effekten kaschiert. Umgesetzt von Regie-Newcomer Joseph Kosinski, der einst Maschinenbau studierte.
„Entweder ist er tot oder er chillt irgendwo“. Wer spricht so? Justin Bieber? Nein. Sam Flynn (Garrett Hedlund) kurz bevor der Sohn dem vor zwanzig Jahren mysteriös verschollen-gegangenen Vater, Kevin Fynn, (gespielt von Oscar-Preisträger Jeff Bridges) in dessen Cyber-Märchenwelt – aus kämpferischen Programmen und Gladiatorenspielen – folgt. Komplettiert durch Quorra (Olivia Wilde), treue Schülerin des Mentors Flynn Sr., nimmt das Trio die Reise durch das atemberaubende Cyber-Universum auf sich. Um Digital-Clon Clu, das nichtalternde Alter Ego von Flynn Sr., davon abzuhalten in unsere Welt einzudringen und diese zu unterwerfen. Zum Verständnis muss man den ersten Teil jedoch nicht gesehen haben.
Kein ikonischer Look wie beim Vorgänger.
„Wie auch sein Vorgänger von 1982 setzt „Tron Legacy“ auf modernste Techniken. Mit an Bord sind folglich Kompetenzen wie Kameramann Claudio Miranda (der bei Filmen wie „Fight Club“, „The Game“ mitwirkte) oder Produktionsdesigner Darren Gilford (letzter Film „Avatar“). Indes wartet man vergebens auf die kaleidoskopischen Farbexplosionen des ersten Teils. Diese wurden im Sequel leider durch reizlose, gläserne Schwarz- und Blautöne, durchmischt von apokalyptischen orange-gelben Funkenregen, ersetzt. Die hollywood’sche Effektkiste wird zwar vollends ausgekippt, allerdings ohne noch nie da gewesenes hervorzubringen.
Die Cyber-Welt in Tron sollte laut Disney neu durchgestylt werden, erneut ikonische Innovation bringen. Das übersteigt jedoch den kreativen Horizont des Films. So erinnern die Bilder der tron’schen Armeen, von kapuzenumhüllten Köpfen oder azur-leuchtenden pseudo-Yedi-Schwertern allzu sehr an „Star Wars“ und andere Science-Fiction-Filme. Joseph Kosinski’s Blockbuster hinterlässt ein Gefühl des filmischen Desinteresse, dem Zuschauer das zu zeigen, was er noch nie zuvor gesehen hat.
Über 100 Minuten Musik.
Über 100 Minuten Musik. Ein imposantes, schallendes Erlebnis. Eine gewaltige Sound-Collage. Nicht nur Soundtrack, sondern auch Sound-Design gestaltete das Duo Daft Punk wesentlich mit. Ein komplexer und anspruchsvoller Ansatz. Das Überlagern von mehreren tonalen Schichten. Doch meisterhaft vollendet.
Daft Punk gelingt es, das von oben bis unten perfekt durchgestylte Coporate Design und die Cyber-Märchenwelt der Storyline in Töne und Melodien umzuformen. Die Franzosen haben einen Soundtrack geschaffen, der unter die Haut geht, ein ebenso bedrohliches wie düsteres klangliches Ebenbild zu der Computerwelt Trons. Wer einer klassische Elektro-Marke á la Daft Punk engegensehnt – jene bunte Mischung aus Progressive House, Funk, Electro mit Techno und Breakbeat-Elementen des HipHops – ist hier fehl am Platze. Dem französischen Elekto-Duo gelingt eine mustergültige Verschmelzung von Sounds aus der Konserve mit klassischen Arrangements. Von der Prä-Produktion bis zur Fertigstellung Trons arbeitete Filmkomponist Joseph Trapanese mit seinem Orchester zwei Jahre lang Hand in Hand mit den Franzosen zusammen.
Zu sagen bleibt, dass Tron Legacy – nach technischen Standdarts – der beste 3D-Film seit Avatar ist. Ob die 170 Millionen Dollar teure Produktion mit James Camerons grünblauem Naturvolk mithalten kann, wird sich zeigen. Also, 3D-Brille aufsetzen, den bunten Linien folgen und sich an den wummernde Bässen erfreuen.
„Tron Legacy“ startet am 27. Januar in den deutschen Kinos.
Gesehen von: Sebastian Schelly