Wenn das Debütalbum („Timber Timbre“) bereits mit dem Polaris Music Prize ausgezeichnet wird, sind die Erwartungen, was die zweite Veröffentlichung betrifft, naturgemäß recht hoch gesteckt. Erstmalig in völliger Eigenregie und mit Unterstützung von Kees Dekker und Mark Lawson (u.a. Arcade Fire) haben sich die drei Kanadier aus Montreal an die Arbeit gemacht. Herausgekommen ist kein Album, sondern ein überaus faszinierendes, 40 Minuten andauerndes Gefühl der Unbehaglichkeit. Kein Scherz und kein Widerspruch. Das Album vermag es, kontinuierlich die wenig greifbare, surreale Stimmung, die Taylor Kirk, Mika Posen und Simon Trottier evozieren, aufrecht zu halten und den Zuhörer ins Gefühlschaos zu stürzen. Beklommenheit und eine unterschwellige amorphe Angst befallen all jene, die nicht schnell genug den Stop-Knopf drücken. Belohnt wird, wer nicht gleich aufgibt. Kollaborationen mit dem Pianisten Mathieu Charbonneau und dem Saxophonisten Colin Stetson heben das Niveau des ambitionierten Albums noch einmal deutlich und schmiegen sich perfekt in die klare Song- und Albumstruktur. Es ist ein würdiger Nachfolger.
Es ist aber nicht die bloße Beschränkung auf Musik, die auf „Creep On, Creepin‘ On“ inspirierend gewirkt haben muss, zu deutlich sind dafür auch Verbindungen zu Literatur und Film. Surreal wie die Filme von David Lynch und poetisch düster wie die mysteriösen und morbiden `Machenschaften` von Edgar Allan Poe („Lonesome Hunter“). Musikalisch unterlegt von auffällig verschleppten Bassläufen („Black Water“), einem andächtig vor sich hin klimpernden Piano und Vocaleinlagen, die mehr gehaucht und gestöhnt als gesungen sind. Eine Hommage an Tom Waits und Nick Cave, die es selbst nicht besser hin bekommen hätten. Es ist ein sehr andächtiges und besonnenes Album geworden und der Affinität für das Surreale und Dunkle ist es wohl auch zu verdanken, dass man die Aufnahmen in eine ehemalige Kirche verlegte. Zynisch bis genial, denn Hall und Raum verleihen Klavier, Orgel („Woman“) und Geigeneinlagen eine sakrale und herrische Note. Beklommene Synthie- Querschläger vervollständigen die herrlich dystopische Stimmung. In obsessiver Ehrfurcht zu erstarren fällt bei „Creep On, Creepin‘ On“ nicht wirklich schwer.
Gehört von: Ben Grosse-Siestrup
Timber Timbre – Creep On, Creepin On | Vö: 08.4.2011 | Full Time Hobby; Rough Trade