Timber Timbre, 30.10.2014, Passionskirche Berlin

Einen Moment tief atmen, nicht bewegen und sich sammeln, ins Leere starren und das Herz fühlen. Seufzen. Dann langsam zu sich kommen und sehen wie sich alles um einen langsam wieder bewegt. Die harte Kirchenbank wieder spüren. Dann Worte mit der unbekannten Sitznachbarin wechseln, eher stammeln, über das Erlebnis, diese 90 Minuten mit Timber Timbre. Alles geriet in Vergessenheit, dank der einnehmenden, tiefen Stimme von Sänger Taylor Kirk.

Die Unbekannte geht und ich steh noch da, minutenlang, immer noch nicht ganz beieinander verlasse ich langsam die Passionskirche Richtung U-Bahn. Den mp3-Player in der Hand, ich durchsuche über 7 GB Musik nach etwas, das passt. Nicht mal ein Album von Timber Timbre scheint die richtige Musik zu sein, so viel intensiver war das Liveerlebnis. Der Straßenmusiker mit der Boombox auf dem Rücken und der Violine am Kinn in meinem Waggon war es definitiv nicht.

Irgendwann auf der Heimfahrt kommen die Gedanken wieder und die Frage, wie das in Worten wieder gegeben werden kann oder überhaupt sollte. „Absolutes Fotoverbot“ war die Ansage beim Eintreten in die Kreuzberger Kirche, aber bei ihrer Beleuchtung wäre ja eh kein Foto was geworden. Bis auf ein paar Scheinwerfer, die die Rückwand der Bühne beleuchten, ist es dunkel. Rot und Blau sind da die Farben. Irgendwann wird Taylor Kirk leicht von einem Scheinwerfer angeleuchtet. Das wird sofort von ihm moniert. „Wenn der innerhalb des nächsten Liedes nicht aus ist, dann gehen wir nach Hause“, scherzt er. Sollte man also überhaupt etwas über das Konzert schreiben oder es als ein mystisches Etwas behandeln? Nicht zu viele Worte verlieren?

Auf der anderen Seite sind Taylor und auch der Rest der Band Simon Trottier, Olivier Fairfield und Mathieu Charbonneau Performer. Die Bewegungen erzählen Geschichten, es wird auch mal getanzt, sogar mit dem Publikum tanzt Taylor. Das war bei „Hot Dreams“, dem Titeltrack ihres aktuellen Albums. Dann wieder steht er mit dem Rücken zum Publikum beim Spielen und dreht sich nur zum Singen um.

Und dann reißt er ein Loch in die Schwere und Düsternis, die seine Lieder mitunter verbreiten können. Zum Einen sind seine Texte manchmal doch etwas amüsant, zum Anderen, weil er so etwas sagt wie „Das ist Club Mate.“ Und zeigt seinen Becher. „Ich mag ja keine Clubs, aber bei dem könnte ich eine Ausnahme machen.“ Die Lacher sind auf seiner Seite. Da hab ich dann auch kurz diesen Trance ähnlichen Zustand verlassen.

Der Location, der Kirche zollt Taylor Kirk in der Zugabe einen Tribut. Er kommt alleine auf die Bühne zurück und stimmt zunächst den religiösen Song „Leaning On Everlasting Arms“, vermutlich aus dem Film „The Night of The Hunter“ (1955), an, bevor er nahtlos in „Run From Me“ übergeht, und die Band zurück auf die Bühne kommt. Irgendwie verfliegt die Zeit. Mein Empfinden sagt, das war noch nicht mal eine Stunde, die Uhr zeigt 90 Minuten an. So ist das bei Timber Timbre: Man ist gefangen in einer zeit- und raumlosen Dimension, die Realität scheint Surreal. Und jetzt, wo ich hier nachts vor meinem Computer sitze und diese Zeilen tippe, wirkt das Konzert wie ein Traum, irgendwie unwirklich. Ich gehe jetzt ins Bett, damit ich den Nachhall der Konzertes nicht komplett mit Tatsachen zerrede. Gute Nacht.

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Worte und Foto (nicht vom Konzert selber – so dunkel war es dann auch nicht): Dörte Heilewelt