The Vaccines im Interview

The Vaccines (c) Christoph Eisenmenger

Beim diesjährigen Hurricane Festival mussten die Londoner Indie-Rocker The Vaccines sich noch mit einem vermeindlich eher undankbaren Slot zufrieden geben, diesen Herbst kommen sie dafür auf ihrer eigenen Headliner Tour nach Deutschland. Aber auch ihren mittäglichen Festival Auftritt haben die vier sehr lässig gemeistert und verstanden es nur zu gut, nicht nur hardgesottene Fans mit DIY Bemalung auf den Wangen sondern auch die restlichen anwesenden Besucher zu begeistern. Auf etwaige Ermüdungserscheinungen der letzten zwei Tage wurde keine Rücksicht genommen, selbst die Security konnte nicht mehr an sich halten und tanzte mit hoch gereckten Armen im Graben. Nach dem Konzert standen uns Gründungsmitglied und Gitarrist Freddie Cowan und Schlagzeuger Pete Robertson Rede und Antwort. Allerdings mussten wir erst einmal die Interviewkabine wechseln, denn kein geringer als Noel Gallagher gab parallel ein Interview. Beinahe hätten wir ihm allerdings Rauchzeichen gegeben, da Freddie ständig mit seinem Feuerzeug zündelte und von Blumen bis zu seine Jeans so einiges fast hätte dran glauben müssen.

Wie war es für Euch von der Bühne aus? Wir hatten das Gefühl, dass die Stimmung wirklich super war und ihr viele treue Fans habt.

Pete: Es war ziemlich gut obwohl es recht früh war.

Freddie: Es war ein super Wochenende für Auftritte. Wir hatten eigentlich nur gute Gigs.

Pete: Sonntag Mittag -man kann ja fast schon Sonntag morgen sagen- ist schon ziemlich hart für eine Rock ’n Roll Show. Vielleicht waren hinten noch nicht alle wach aber vorne war es wirklich super, da hatten die Leute echt ihren Spaß und wir auch.

Was auffällig war war, dass die viele nicht einfach nur so vorbeigekommen sind. Es gab einige Hard-Core Fans mit T-Shirts, die alle Texte kannten und Vaccines Stickern auf den Wangen.

Freddie: Wirklich? Was haben die sich da genau drauf gemacht? Wo haben Sie das her?

Das sah nach DIY raus, die haben sich richtig Mühe gegeben.

Pete: Es hat sehr viel Spaß gemacht, wahrscheinlich auch weil wir dieses Jahr noch nicht so viele Festivals gespielt haben. Und in den letzten zwei Jahren haben wir gar keine Festivals gemacht. Es ist schön zu sehen, dass die Fans trotzdem kommen.

Wir haben Euren Tourplan gesehen, der ist ganz schön tough. Ihr hattet noch nicht mal zwischen Southside und Hurricane einen Tag frei.

Freddie: Ja und vorher haben wir noch am Mittwoch in Berlin gespielt. Dann sind wir zurück nach London geflogen, dann direkt wieder nach Deutschland zum Southside, danach Amsterdam und jetzt hier. Dann wieder zurück nach London um dann am Donnerstag runter nach Glastonbury zu fahren.

Peter: Ja, wir sind an so einen Plan gewöhnt. Und es hält Dich fit.

Könnt ihr noch mit allem was passiert mithalten?

Freddie: Ja, ich denke das bekommen wir ganz gut hin. Es ist immer ein schmaler Grad zwischen zu vielen und zu wenig Shows.

Pete: Jetzt geht es noch, aber irgendwann im Sommer wird der Punkt kommen, wenn wir nur noch danach fragen, wann wir aufstehen müssen und wo wir hin müssen.

Freddie: Es wird noch ganz schön verrückt, erst sind wir in Kroatien und dann geht’s weiter nach Japan, dann Australien, zurück nach London, danach Mexico und Amerika und das alles in nur zwei Wochen. Wahrscheinlich verlieren wir alle in der Zeit unsere Frauen und Freundinnen.

Wie ist das auf so unterschiedlichen Bühnen zu spielen? Von großen Festival Bühnen bis kleinen Bar-Gigs wie zuletzt in Berlin. Wie passt man sich an so unterschiedliche Gegebenheiten an?

Peter: Die Abwechslung tut gut. Wenn man einen ganzen Sommer lang nur auf großen Bühnen spielt, ist es toll zwischendurch auch wieder etwas Kleineres zu machen und umgekehrt. Es ist eine schöne Abwechslung und man verfällt nicht in eine Routine.

Es ist schon beeindruckend, was ihr für eine Karriere in den letzten Jahren hingelgt habt. In England spielt ihr mittlerweile die O2 Arena. Euer erster Gig dort war ein kostenloser Auftritt, das war 2010, so lange ist das noch gar nicht her.

Freddie: Ja, es ist schon etwas verrückt aber wir haben auch echt Glück gehabt.

Peter: Wenn Du mitten drinnen steckst geht das so schnell. Du realisierst eigentlich erst was alles passiert ist, wenn Du mal einen Schritt zurück trittst. Sonst ist es immer nur – weiter, weiter weiter, nächster Auftritt und nächster. Als wir das eine Jahr pausiert haben um das Album zu machen, hatten wir überhaupt erst mal Zeit zu rekflektieren was passiert ist. Und da haben wir schon manchmal gedacht „holy shit“, so viel ist geschehen.

Freddie: Wir haben jetzt mehr als ein Jahr an unserer neuen Platte gearbeitet, das war harte Arbeit. Jetzt wo sie fertig ist, wollen wir uns mehr darauf konzentrieren, alles zu genießen und Spaß zu haben. Es werden mit der Tour harte sieben Wochen auf uns zu kommen. Aber wir werden uns auf keinen Fall beschweren. Es ist eine Ehre das zu tun was wir tun. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre mein 16jähriges Ich, dann lebe ich jetzt meinen Traum. Wie könnte ich da auf die Idee kommen, mich zu beschweren?

Peter: Es ist einfach wahnsinnig toll, dass wir das machen dürfen, was wir machen.

Ihr habt schon erwähnt, ihr konntet Euch dieses Mal ein bisschen mehr Zeit für den Entstehungsprozess des Albums nehmen. Wie hat sich das angefühlt?

Freddie: Es war sehr gut. Nach so einer Tour waren wir alle mental etwas angeschlagen. Man hat das Gefühl, alles fällt auseinander und man muss sich erst wieder sammeln und tun worauf man absolut Lust hat. Danach ist man wieder etwas gestärkt und vielleicht auch ein bisschen weiser.

Peter: Wie wir mit der Tour aufgehört haben, haben wir erst mal drei Monate gar nichts mit Musik gemacht, wir haben uns sogar in der Zeit noch nicht mal getroffen. Wir wären total verrückt geworden, wenn wir danach direkt wieder angefangen hätten zu schreiben und ins Studio zu gehen. Es war ganz gut für uns wieder das echte Leben zu erfahren. Das Leben auf Tour ist wie ein Blase, das hat nichts mit der Realität zu tun.

Man braucht ja auch sicher Erlebnisse, um irgendwoher die Inspiration zum Schreiben zu nehmen?

Peter: Ja absolut und ein Ergebnis daraus ist, dass wir ein besseres Album gemacht haben. Wir sind konzeptioneller an das Album ran gegangen. Nicht dass wir uns ein Motto gegeben hätten aber wir haben extrem viel rum experimentiert. Wir haben ungefähr sechzig Songs geschrieben mit zwei oder drei unterschiedlichen Demo-Sessions, die ganz unterschiedlich waren. Justin hat mit anderen Musikern zusammen geschrieben, wir haben ein bisschen was aufgenommen und haben ganz unterschiedliche Sachen ausprobiert. Das hat uns sehr geholfen unseren Sound zu finden und alles in eine Einheit zusammen fließen zu lassen.

The Vaccines „20/20“ from Somesuch on Vimeo.

Es hört sich auch wie Euer erwachsenstes Album an – nicht nur was die Texte angeht sondern auch musikalisch.

Peter: Ja, es ist auf jeden Fall das Beste, was wir bisher gemacht haben.

Wie hat es sich für Euch angefühlt, die neuen Songs zum ersten Mal live zu spielen?

Freddie: Sehr, sehr gut! Man kann dann endlich die harte Arbeit genießen.

Peter: Ich genieße es gerade sogar noch mehr die neuen Songs zu spielen als die alten. Es fühlt sich wie eine gute lineare Entwicklung unserer Musik an.

Freddie: Es ist viel interessanter.

Peter: Es ist wie eine Belohnung, dass die Reaktionen auf die neuen Sachen sofort sehr gut war. Es ist immer aufregend Songs das erste Mal zu spielen.

Freddie: Wir haben so ein Glück, ich habe neulich die erste Ausgabe des NME gefunden in der wir drin waren und habe mir gedacht, oh man, wie viele Bands die in dieser Ausgabe drinnen waren, existieren überhaupt noch? Es waren echt nicht viele. Wir sind daher so dankbar, dass wir egal wo und egal vor wem spielen können und dass wir als Band so gut funktionieren, das ist ein echtes Privileg. Darauf sind wir wirklich wahnsinnig stolz. Fünf Jahre sind eigentlich nicht so lang, aber es ist eine sehr lange Zeit wenn man Musik macht. Es ist Wahnsinn, dass es Bands wie Muse gibt, die es mittlerweile schon zwanzig Jahre gibt und die immer wieder was Neues machen. Das ist der wahre Verdienst, man kann Erfolg in Verkäufen oder Streams messen aber immer noch so groß dabei zu sein ist der wahre Erfolg. Wir machen jetzt mit unserem dritten Album unsere größte Tour. Ich bin aber ganz froh, dass wir immer noch Luft nach oben haben. Es ist mein Traum, dass es danach immer noch besser werden kann. Ich möchte nicht, dass wir jetzt schon die Spitze unseres Erfolgs erreicht haben und dann alle in unterschiedlichen Autos fahren und nur noch über das Internet miteinander reden.

Schön ist doch auch, dass ihr noch so unterschiedliche Konzerte in so vielen verschiedenen Ländern spielen könnt. Demnächst spielt ihr in Japan, das muss doch total anders sein.

Peter: Überall ist es total unterschiedlich. Das schöne ist aber, egal wohin man geht, Musik verbindet und die Menschen reagiern darauf – das ist das Aufregende. Bei den Japanern zum Beispiel gilt es als total unhöflich, während der Songs Geräusche zu machen oder zu klatschen. Das heißt sie hören erst ganz andächtig und dann klatschen sie und dann hören sie ganz plötzlich wieder auf, weil sie denken dass man etwas sagen möchte. Das ist natürlich am Anfang etwas irritierend. Allerdings, wenn jemand in Japan Crowd-Surfing macht, denkt man „fuck yes!“ wir haben es geschafft!!! Und dann hört man auf den Song zu spielen und der Typ wird einfach fallen gelassen (lachen).

Könnt ihr Euch bei all den Erlebnissen überhaupt noch daran erinnern, was Euer komischster Moment bei einem Konzert war?

Peter: Das war 2012 in Taiwan. Manchmal gehen wir nach dem Gig noch raus, um Fans zu treffen und Autogramme zu geben. Wir haben vor fünf-, sechshundert Leuten gepielt und wollten danach noch hallo sagen. Wir haben uns gefühlt als wären wir die Beatles. Die Leute waren so verrückt und haben den Tisch mit dem Merch immer weiter nach hinten geschoben, dass wir fast gar nicht mehr weg kamen. Das war irre. Es hat sich total gut angefühlt, war aber wahrscheinlich auch das Gefährlichste, was uns je passiert ist.

Freddie: Die Monkey-Bar in Berlin war auch einer der komischsten Gigs. Es waren überall Affen, das war echt eigenartig.

Na ja, ihr wart da ja auch fast im Zoo. Vielen Dank für Eure Zeit!

The Vaccines könnt Ihr im Herbst an folgenden Terminen live erleben:

09.10.2015 Hamburg, Mojo
11.10.2015 Berlin, Postbahnhof
12.10.2015 München, Backstage Halle
13.10.2015 Köln, Luxor

Interview: Kate Rock & Gabi Rudolph

https://www.facebook.com/thevaccines