Talking To Turtles Live im White Trash

TalkingToTurtles1Das Duo Talking To Turtles gehört im Moment zu meinen liebsten deutschen Künstlern. Eine wunderbare Mischung aus sanfter Popmusik, Verspieltheit und berührenden und realen Texten. Reale Texte hört sich komisch an, aber für mich bedeutet es einfach, dass ich eine Beziehung aufbauen kann. Sie lassen mich mitfühlen. Sie haben bisher zwei Alben veröffentlicht: „Monologue“ (2010) und „Oh, The Good Life“ (2011) und es wirkt fast als ob sie permanent auf Tour sind. Das entspricht zwar nicht ganz der Wahrheit, aber im Moment sind sie auf Deutschlandtour und es ist, glaube ich, das dritte Mal das sie in Berlin sind seit letztem September. In Berlin hatten sie ihre Labelkollegen The Dope und die befreundete dänische Band Let Me Play Your Guitar zu Gast.

The Dope sind eine Zwei-Mann-Gruppe aus Bayern – Schlagzeug, Gitarre und ein wenig Elektrogefrickel. So richtig vom Hocker gehauen haben sie mich nicht. Es kann daran gelegen haben, dass ihr Set auf die für eine Band blödeste Methode startete: das Mikrophon des Sängers funktionierte nicht. Es wurde dann während des ersten Songs ersetzt, aber das dauerte auch fast einen ganzen Song. Es kann auch daran gelegen haben, dass es zur Zeit doch arg viele Zwei-Mann-Bands gibt, die alle irgendwie ähnlich sind. Oder ganz schlicht der Name, dessen Inspiration zwar im Naturschutzgebiet Döpe liegen soll, aber ganz ehrlich: Dope ist doch zu sehr mit einer anderen Bedeutung belastet als dass ich es gut finden könnte.

Let Me Play Your Guitar hingegen waren grandios. Für die Sechs Dänen war es ein kuscheliges Konzert, wenn man die kleine Bühne der Diamond Lounge des White Trash bedenkt. Gegründet wurde die Band von den Brüdern Emil und Jeppe Davidsen – nach und nach haben sie noch vier weitere Musiker um sich geschart und zusammen kreierten sie auf der Bühne große und kleine fein strukturierte Melodien, die unterlegt wurden mit Emils sanfter Stimme. Ihre Musik hörte sich ungemein gelassen an – einer der Eigenschaften, die fast typisch für Dänische Musik sind. Es war nur etwas irritierend, die meiste Zeit auf Emils Rücken zu gucken, da sein Tasteninstrument nicht gerade gut stand. Manchmal ging er aber auch zu seinem zweiten Mikrophon und erweiterte die Melodien mit auf seiner Stimme basierenden Soundeffekten. Auf diese sechs Herren sollte man unbedingt ein, wenn nicht gleich beide Augen haben.

Der Auftritt von Talking To Turtles war ebenfalls grandios, obwohl es am Anfang kurz nicht danach aussah. Später am Abend sagte Sänger und Gitarrist Florian etwas, das meinen Anfangsverdacht bestätigte. Er sagte sowas wie, dass er nicht gedacht hätte, dass Berlin den Tag noch retten könnte. Unterschätze niemals Berlin. Wenn es nötig ist, dann retten auch wir euch den Tag. Es war das zweite Mal, dass ich Talking To Turtles gesehen habe und ich kann mir nicht vorstellen, dass es hätte anders kommen können. Das Publikum war absolut begeistert, tanzte und klatschte die Band für zwei Zugaben raus. Das Gute Nacht Lied war „REM“. Es ist eines der Lieder, bei dem die zweite im Bund Claudia mehr als den Gesang im Hintergrund übernimmt. Ansonsten spielt sie Glockenspiel, Keyboard, bedient den Drumcomputer und ein Akkordeon – natürlich nicht gleichzeitig.TalkingToTurtles2

Die beiden brauchen eigentlich keine Band im Hintergrund, wenn man ihren Auftritt im September mit jetzt vergleicht, aber wenn sie ihre Freunde von Let Me Play Your Guitar für ein paar Songs mit auf die Bühne holen wollen, sagt man nicht nein. Das war reinste Spielfreude auf der Bühne. Die Setliste umfasste Songs von beiden Alben. Von „Monologue“ war unter anderem „Too Rough“, „Beam Me Up, Scotty“, „Monster Teeth“ und „Turntable Turns“ zu hören. Ein paar mehr Songs gab es natürlich von der aktuellen Scheibe „Oh, The Good Life“. Es war ein wenig amüsant mit anzusehen, wie die beiden zum vorderen Rand der Bühne fast schon kletterten um dann „Short Stories Long“ zu singen, mit Gitarre und Akkordeon und ohne Verstärkung. Ich mag diesen Song, ich mag es wie sie sich beim Singen ergänzen, abwechselnd singen und nur ab und zu gleichzeitig miteinander. Noch besser wäre der Song ohne das Klicken der Kameras gewesen.

Ich hoffe sehr, dass sowohl Talking To Turtles als auch Let Me Play Your Guitar den Weg zurück nach Berlin bald wieder finden, weil wir (ich) sie sehr mögen. Und, ihr lieben Bands, vergesst den Dolly Parton Song über Berlin nicht. Ein auf Berlin umgemünztes Cover von Partons „Jolene“ – das in Worte zu fassen ist unmöglich, aber es war genial. Wer nicht da war, hat einen wunderbaren Freitagabend an einem Mittwoch verpasst.

War dabei: Dörte Heilewelt

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