„Loud Like Love“ wird das siebte Studioalbum des Dreiergespanns Placebo heißen, welches am 13. September erscheint. Es ist nach dem 2009er „Battle For The Sun“ das zweite Werk, auf welchem Brian Molko und Stefan Olsdal mit dem kalifornischen Jungspund Steve Forrest am Schlagzeug zusammenarbeiteten. Im Interview mit dem stets überaus gut gelaunten Forrest berichtet dieser von der besonderen Bindung innerhalb der Band, dem Entstehungsprozess des neuen Tonträgers sowie seinen Gedanken zu der ersten Single-Auskopplung „Too Many Friends“.
Wenn du einen Blick zurück wirfst, auf die Zeit als Promotion und Touren zu „Battle For The Sun“ abgeschlossen waren, wonach stand dir der Sinn?
Steve Forrest: Ich wollte zuallererst mit meinen Freunden in den Pub gehen, etwas Normales tun. Generell sind mir Pausen wichtig, um runterzukommen und um danach das Touren wieder genießen zu können. Ich möchte nicht, dass es alltäglich wird. Doch nach sechs Monaten Entspannungszeit juckte es uns allen wieder in den Fingern und wir wollten an die Arbeit gehen.
Wie gesund kann solch ein ausgedehntes Leben auf Tour sein?
Jeder hat Momente, in denen er fertig ist und sich verloren fühlt. Aber wir wissen mittlerweile immer besser damit umzugehen. Es hat sich ein guter Vibe innerhalb der Band entwickelt. Obwohl es schon wirklich harte Zeiten gab… Umso schöner war das Erlebnis wieder gemeinsam ins Studio gehen und an neuen Songs arbeiten zu können. In manchen Augenblicken wussten wir nicht, ob wir jemals fertig werden und etwas veröffentlichen würden. Doch wir konnten das durchstehen, da in den sechs Jahren, die wir nun zusammen sind, eine sehr enge Bindung entstanden ist. Man verbringt ja so viel Zeit mit einander. Mehr als mit der eigenen Familie. Urlaub, Beerdigungen und all so was… Ich liebe die Beiden, sie sind meine Brüder geworden. Nur mit einer so starken Bindung, wie wir sie haben, kann man auch schwierigste Zeiten und lange Touren durchstehen.
Ist „Loud Like Love“ eine Möglichkeit des Neuanfangs für dich?
Ja, denn so selbstbewusst wie jetzt habe ich mich noch nie gefühlt. Als ich zur Band kam, war ich 21 und unerfahren. Nun bin ich 27. Es handelt sich tatsächlich um ein völlig neues Kapitel in meinem Leben. Um an diesen Punkt zu gelangen, an dem ich mich aktuell befinde, musste ich eine Menge durchmachen. Doch ich bin jetzt glücklicher denn je und gespannt darauf, was nach diesem neuen Beginn sowie der Menge an Veränderungen nun mit der kommenden Tour für eine Achterbahnfahrt vor mir liegt.
Wie zeigt sich dieses neue Selbstbewusstsein?
Definitiv in meinem Schlagzeugspiel. Erst neulich habe ich mir ein Video von 2008 oder 2009 angeschaut. Das war wirklich grauenvoll! (lacht) Mit dem neuem Album habe ich viele neue Werkzeuge an die Hand gegeben bekommen und auch der Unterricht, den ich vor drei Jahren begonnen habe, zahlt sich aus. Ich kann so viel mehr und hinterfrage mein Können weniger. Ich war zwar schon immer ein ziemlich unbekümmerter Mensch, aber gleichzeitig auch sehr emotional. Jetzt bin ich erwachsener und habe gelernt nicht so schnell zu emotional und flatterhaft zu sein.
Einer Studie zufolge sollen pessimistisch eingestellte Menschen analytischer handeln und dadurch weniger Fehler machen.
Das glaube ich gerne! (lacht) Jeder hat doch diese kleine Stimme im Kopf, die einem sagt, dass man scheiße ist. Aber genau das treibt mich auch an. Wenn die Stimme im Kopf nicht mehr da ist, dann wird man nur selbstgefällig.
Im August spielt ihr in Istanbul. Beschäftigst du dich mit den Protesten dort?
Gott, ich hoffe, dass sich bis dahin alles ein bisschen beruhigt hat. Als wir das letzte Mal in Istanbul gespielt haben, hatten wir eine wunderbare Zeit. Wir waren mit einem Boot unterwegs und die Show selbst war auch auf dem Wasser. Das alles bei Nacht…. Der Wahnsinn! An diese Szenerie erinnere ich mich gerne und ich hoffe es wird wieder so gut. Wir sind ja dafür da die Menschen zu unterhalten. Insbesondere in solch angespannten Situationen wie es in Istanbul gerade der Fall ist, kann es für die Leute auch eine Auszeit sein unser Konzert zu besuchen. Wir sind aber definitiv keine politische Band. (lacht)
Mit welchem Grundsatz gehst du an die Arbeit?
Mach das, was du liebst und liebe, was du tust. Wenn man sich daran hält, läuft der Rest von ganz alleine. Trotzdem sollte man auch immer offen bleiben und viel ausprobieren. Man weiß ja nie, was man dabei erleben oder über was man stolpern könnte. Mit diesem Motto habe ich schon viel über mich gelernt.
Als ihr bereits fünf Songs für „Loud Like Love“ hattet, seid ihr auf Tour gegangen und danach stellte es sich als besonders schwierig heraus weitere Songs zu schreiben, die zu den anderen passten.
Als es hieß, dass wir auf Tour gehen werden, war ich nicht sonderlich glücklich darüber. Ich wollte lieber weiter arbeiten. Aber am Ende lief die Tour gut und das Album ist gerade durch diese Unterbrechung sehr abwechslungsreich geworden. Auch wenn die einzelnen Stücke von so unterschiedlichen Orten stammen, passen sie doch wunderbar nebeneinander. All die Zeit und die Unterbrechungen stellten sich also als Segen heraus und machen das Album so eklektisch wie es nun ist. Aber manchmal war es schon schwer am Ball zu bleiben und wieder mit neuer Power ans Werk zu gehen. Unser Produzent Adam Noble leistete beste Arbeit, in dem er uns immer wieder anzutreiben wusste. Er ließ es nicht zu, dass wir zu gemütlich werden und uns gar wiederholen. Es war eine tolle Erfahrung mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir wurden dadurch weiser und sind daran gewachsen.
Du klingst älter als du bist.
(lacht) Das muss daran liegen, dass ich immer so alte Männer um mich habe.
Mental oder körperlich?
Definitiv nicht körperlich! (lacht)
Was bedeutet „Too Many Friends“ für dich?
Also die anderen haben ja kein Facebook-Account oder Twitter. Ich schon. Aber ich versuche mein Facebook extrem privat zu halten. Das ist nur für meine Familie, die in Kalifornien lebt. Zu viele Menschen lassen sich da zu sehr hineinziehen und sind rund um die Uhr am Computer oder am Telefon. Es gibt nichts Schlimmeres als mit jemandem Essen zu gehen und die Person hängt die ganze Zeit über ihrem Telefon. Es nervt mich extrem, auch wenn ich selbst Facebook und Twitter nutze. Man verpasst dadurch eine Menge. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, ohne viel Geld. Ich hatte kein Handy bis ich 15 Jahr alt war. Die Frage ist doch, ob diese Dinge, welche die Menschen näher zusammen rücken lassen soll dies auch wirklich tun oder vielleicht eher zur Entfremdung führen? Geht da nicht etwas Menschliches verloren? Twitter benutze ich um meine Sachen besser promoten und mit Fans kommunizieren zu können. So kann ich die Fans würdigen und ich weiß, dass es ihnen viel bedeutet. Es macht mich glücklich Menschen glücklich machen zu können. Und da ich nicht jedem die Hand schütteln kann, ist Twitter eine gute Möglichkeit, um ein bisschen ihre Liebe zu spüren.
Siehst du in eurer Musik die Chance wichtige Lebensereignisse konservieren zu können?
Auf jeden Fall. Brian ist auf dem neuen Album textlich so ehrlich, offen und verletzlich. Dazu gehört viel Mut. Und es weist darauf hin, wo er sich in dem Moment in seinem Leben befindet. Ich höre mir gerne alte Musik von mir an und denke daran, wo in zu dem Zeitpunkt in meinem Leben war. Songs sind wie kleine Zeitkapseln aus dem eigenen Leben. Ich bin sehr nostalgisch. Ich liebe es an die Zeit als Kind zurückzudenken oder als ich noch in anderen Bands gespielt habe. Ich musste neulich daran denken als ich 16 oder 17 war und mit meiner Band Evaline zum ersten Mal nach L.A. kam… All die guten Erinnerungen, wo wir gespielt oder einfach nur das Auto geparkt hatten… Das Tagträumen macht mich glücklich.
Interview und Fotos: Hella Wittenberg