SPOT-Festival: Lucy Love im Interview

LucyLove-discoblingblue-photo-Kettil-MyrstrandWie vorige Woche angekündigt, waren wir auf dem SPOT-Festival in Dänemark. Neben jeder Menge schöner Konzerterlebnisse und guter Musik konnten wir auch einige der vielversprechendsten Nachwuchskünstler der skandinavischen Musikszene interviewen und darüber hinaus noch  ein paar Stimmen von den Menschen, die hinter den Kulissen tätig sind, einfangen. Deshalb möchten wir euch in den nächsten Wochen peu a peu davon berichten. Mal mittels eines Portraits, einer Platten-Kritik oder dem klassischen Interview. In den Interviews finden sich ein paar Fragen, die wir allen Künstlern gestellt haben. Ein interessanter Versuch und spannend zu beobachten, wie unterschiedlich die Reaktion ausgefallen sind. Von Freude über Verwirrung bis hin zu Unverständnis war alles erdenkliche dabei. Seid gespannt!

Den Anfang macht Lucy Love aus Dänemark.

In Mitte des nachmittäglichen Trubels treffen wir das Duo, bestehend aus Lucy und ihrem Produzenten Joaquim, das letzte Nacht noch eine beeindruckende Live Performance geliefert hat. Lucy Love, das sind zwei buntschillernde Disco-Paradiesvögel aus Kopenhagen, deren Musik ein farbenfroher Fruchtsalat aus Electro-Pop, Dubstep und Hip-Hop ist. Verfeinert mit energetischen Live-Auftritten, pumpenden Beats, einfachen Mit-Sing-Texten und auffallender Bekleidung. Lucy ist die Sängerin und Songschreiberin des Duos. Angefangen hat sie im Hip-Hop, dann traf sie vor ein paar Jahren Joaquim, der seit 29 Jahren als Produzent arbeitet. Er unterlegte ihren Gesang mit seinen Beats und Melodien. Mittlerweile sind die beiden ein eingespieltes Team, das musikalisch und auch modisch zu überzeugen weiß.

Hey. Wie geht’s euch heute?

Lucy: Uns geht’s gut.

Joaquim: Wir sind noch etwas mitgenommen. Wir haben den Laden gestern Nacht gerockt. Wir haben um 1:20 Uhr gespielt, als letzter Act. Das war echt verrückt. Es war komplett voll, eine unglaubliche Energie.

Dann stellt euch doch mal kurz den deutschen Musik-Fans vor:

L: Ja (Lacht). Ich bin Lucy Love aus Kopenhagen, Dänemark. Lucy Love besteht aus zwei Personen, mir und Joqi, der der Produzent ist und auf der Bühne sieht man uns zwei.

J: Manchmal auch noch mit Tänzern, aber meistens uns. Ich kümmere mich um das Programming. Lucy schreibt die Songs und singt oder rapt sie.

Sagen wir mal, ich wäre eine glitzer Fee und alles was ich so an Musik kenne, sind ein paar golidge Feen-Songs. Wie würdet ihr mir eure Musik beschreiben?

L: (Lacht) Sie ist elektronisch. Eine Mischung verschiedenster Genres wie Hip-Hop, Electro, Rock oder Dub-Step, House. Es ist alles. Sie ist urbaner Pop mit viel Bass und Energie, du kannst sehr gut dazu tanzen. Sie hat eine Menge Ausstrahlung. Joaquim produziert schon seit 30 Jahren Musik. Letztendlich fing es damit an, dass Joaquim und ich uns kennenlernten und dann begannen, gemeinsam Musik zu machen. Warum genau Musik, weiß ich gar nicht so genau. Ich habe mich schon immer sehr für Kunst interessiert, zeichne und male noch immer viel. Musik war eine Sache zum feiern für mich, dann hat es sich aber so weit gewandelt, dass ich irgendwann in einem Studio saß.

Das sind viele Genres. Wen kann man denn zu den für euch wichtigsten Künstlern zählen?

L: Hmm… Da ist ein sehr große Input des britischen Dub-Steps, aber auch Reggae und Ska. In den englischen Clubs kommt der Bass auf eine sehr schöne Art und Weise hervor, das mögen wir. Wir mögen alle die gute Musik machen, so wie Robyn… Aber mein musikalischer, nennen wir es mal, Katalog (lacht) ist nicht so groß, von daher würde ich die Frage mal an Joaquim weiter geben.

J: (Überlegt) Also… Hmm also Robyn, Talking Heads, den Reggae der 70er, vor allem der aus England. Die Rolling Stones und David Bowie noch. Um ein paar zu nennen.

Wie fühlt sich das für euch an, mit anderen Künstlern verglichen zu werden?

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L: Man vergleicht immer alles mit allem. Es ist auch unmöglich, das Rad nochmal neu zu erfinden, dassversuchen wir gar nicht, das ist unmöglich. Aber man kann sampeln oder aus Dingen Inspiration beziehen. Du musst dich von anderem inspirieren lassen, deine Elemente daraus ziehen, um etwas Eigenes zu schaffen. Von daher betrachte ich das Vergleichen eher als Kompliment. Das ist cool, wenn die Leute sagen „Hey du erinnerst mich an Lady Gaga“ oder M.I.A. Wir haben aber immer noch unseren eigenen, einzigartigen Stil. Man darf nicht nur bequem sein, du musst progressiv sein, die Zuschauer antreiben. Wenn wir tanzen, dann tanzen sie. Wenn es uns scheiß egal ist, ist es ihnen auch scheiß egal.

Habt ihr das schon Mal ausprobiert? Also ein Konzert, wo ihr nur euren Stiefel gespielt habt und dann sofort, ohne Zugabe, verschwunden seid?

L: Nein, nein (Lacht). Bevor ich Joaquim traf, war ich Backgroundsängerin bei einem schwedischen Hip-Hop-Künstler. Da hatte ich vielleicht noch so eine Attitüde.

Inwiefern?

L: Oh es hat mir keinen Spaß gemacht, es hat mir echt keinen Spaß gemacht. Das Schlimmste war für mich auf der Bühne zu stehen. Er war irgendein Freestyle-Champion und hatte unglaublich viel Selbstvertrauen. Er brachte seine Texte und alles sehr gut rüber und ich wollte so sein wie er, aber für mich war es schon eine schreckliche Sache, im Hintergrund auf der Bühne zu stehen. Wenn ich jetzt daran zurückdenke und ich uns jetzt auf der Bühne sehe… dann sind wir schon eine Millionen mal besser, verglichen mit dem, was er mir gegeben hat. Es kommt aber auch darauf an wie man misst, denn wir machen ja tanzbare Musik.

J: Wir haben uns von Anfang an entwickelt. Wir haben in Clubs angefangen, haben zusammen mit DJs gespielt. Wir hatten nicht viel mehr als eine Drum Machine. Durch die Auftritte in den Clubs hat es sich immer mehr zu Tanzmusik entwickelt, wir wurden Stück für Stück besser, unser Selbstvertrauen wuchs. Auch deshalb, weil die Leute nicht so sehr mit uns beschäftigt waren. Das ist bei einem Konzert ja ganz anders.

Und wie ist das jetzt? Bist du immer noch so schrecklich nervös?

L: (Lacht) Auf der Bühne geht es mittlerweile. Wo ich immer noch sehr nervös bin, ist Live-Fernsehen. Denn da hat man drei Minuten, eine Chance und die will man nicht verspielen. Joaquim ist immer nervös wegen dem ganzen Equipment.

Ist da schon mal was schief gelaufen?

J: Meine Hauptsorge ist, dass die Computer, auf denen ja viel gespeichert ist, die Sounds, etc. ausfallen, weil ich sie nicht aufgeladen habe. Aber sonst nicht. Wir haben eigene Erwartungen an uns. Wir merken ,wenn eine Kleinigkeit schief geht. Wir nur 80 anstelle von 100 Prozent geben.

Wie gehen eure Fans damit um? Wenn man bei euch ins Publikum schaut, sind da ja schon viele jüngere Leute oder?

J: Ja. Wir haben vor allem viele junge Fans, für die ist es nicht so schlimm, wenn mal was nicht genau passt. Doch wir wollen es perfekt machen, denn das ist eine ganze Welt für die Stunde, die wir spielen. Unser wichtigstes Ziel war, dass wir immer konstant auf einem hohen Niveau spielen. Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres als eine Band, die an einem Tag sehr gut spielt und am nächsten überhaupt nicht. Ich glaube, dass wir immer auf einem hohen Niveau spielen.

Da können die Leute in Deutschland ja gespannt sein? Wann kommt ihr denn mal?

J: Im Moment liegt unser Hauptaugenmerk darauf, in Deutschland und in anderen Länder zu touren. Vor allem auch in Berlin, das eine so tolle elektronische Tradition hat.Wir haben aber eine sehr große Produktion, da ist Reisen für uns einfach sehr teuer.

Was bedeutet Mode für euch? Ihr habt ja schon eine eigenen und auffälligen Stil.

J: Wir kreieren Mode…

L: …ich will definitiv in der Mode fortschrittlich sein. Denn ich liebe Mode. Die meiste Zeit denke ich wahrscheinlich über Mode und Kleider nach.

Ist Musik dann zweitrangig?

L: Ja, Musik kommt ganz knapp dahinter (lacht). Weißt du, Kleider ziehe ich jeden Tag an, Songs schreibe ich nicht jeden Tag. Viele Menschen denken jetzt, dass das aufgeblasen und eitel klingt, aber in Skandinavien sind alle sehr gut angezogen. Das ist meine größte Inspiration. Das ist eine so große Szene. Für mich hat das viel miteinander zu tun…Kunst, Musik, Mode. Das alles zusammen inspiriert mich. Zum Beispiel Rock’n’Roll, was wäre der ohne Lederjacken oder wie populär wären Jeans heutzutage ohne all das?

J: Die ganzen Indie-Rocker mit ihren zerzausten Haaren, den Bärten und engen Hosen. Davon geht auch eine  Magie aus. Man sieht Bands und denkt so sind sie, aber dann kommen sie auf die Bühne und man merkt, die Haltung ist eine ganz andere. Du hörst Musik und machst dir dann gleich Gedanken, hast ein Bild im Kopf wie die alle aussehen. Wir spielen damit. Zum Beispiel die Leute aus meiner Generation, die bringen ihre Kinder zu unsere Konzerten, passen auf sie auf und sind dann erstaunt. Die haben dann vermutlich an irgendwelche 80er-Jahre Musik gedacht, die sie zu hören bekommen, denn da waren sie jung.

Also quasi „Ahh elektronische Musik, so wie die Talking Heads“?

J: Ja genau. Perfektes Beispiel. Du kannst das dann fühlen, wie erstaunt sie sind. „Oh uns gefällt die Show, auch die Musik und wie sie rüberkommt.“ Aber vom Aussehen her, wären sie nie zu einem unsere Konzerte gegangen. (Lacht). Das ist wie mit David Bowie. Er hat die Musik auf ein neues Level gehoben, indem er das Konzept verändert hat. Er brachte so viele neue Elemente und natürlich auch sein eigenes modisches Aussehen ein. Ich denke, die Art und Weise wie wir unsere Musik mit unserem Stil vermischen, kommt dem nahe.

Habt ihr dann öfters mal Diskussionen darüber, wie der andere sich anzieht?

L: Nein. Wir sind uns da sehr ähnlich. Wir haben uns allerdings auf den Haarschnitt festgelegt. Und wenn wir bei Preisverleihungen sind, sprechen wir uns davor ab. Nicht, dass ich in orange komme und Joaquim in grün.

Was für eine Essen würdet ihr kochen, wenn ich euch besuchen würde und ihr hättet 15 Minuten, um es zu kochen?

L: Uhhh….Speck mit Eiern (lacht). Ich liebe Speck. Wobei Joaquim halb Vegetarier ist, dann haben wir noch einen Vegetarier in der Band. Ich will dann immer mehr Speck. Das ist dann schlussendlich immer sehr kompliziert, ein Essen für alle zu finden (lacht).

Welche Frage wollte ihr schon immer mal beantworten? Und wie lautet die Antwort?

L: Puhh…Ich weiß nicht (überlegt)

J: Uns wurden in letzter Zeit viele komische Fragen gestellt. Ich glaube, manche Journalisten haben herausgefunden, dass sie, egal wie komisch die Fragen sind, am Ende doch immer die normalen Antworten bekommen.

L: (fertig mit nachdenken) Es ist wahrscheinlich eine Kombination. Es ist interessant, dass du uns gefragt hast, wie es uns geht. Ich mag es, wenn die Leute mit so etwas beginnen, denn eigentlich ist alles so fokussiert – gleich das Interview, schnell die Fragen durchbekommen und weg. Wieso nicht mal fragen: „Bist du glücklich?“

Seid ihr im Moment glücklich?

L: Ja (Grinst). Es ist immer der gleiche Smalltalk in den formalen Situation, aber selten ein menschliches Interesse. „Bist du glücklich“ als Frage verkörpert das für mich. Also wäre das die Frage und ja die Antwort.

Letzte Frage: Frühstück: Würdet ihr lieber jeden Tag eine riesige Schale salzige Cornflakes mit Cola essen oder lieber zwei getoastete Zucker-Steaks, bestrichen mit Erdbeer-Shampoo?

Beide: (Lachen) Bähhhh. Cola-Flakes. Das ist nicht ganz so schlimm.

Vielen Dank!

Interview: Sebastian Schelly