Sigrid im Interview: „Es geht mir am besten, wenn ich auf Tour bin“

Die norwegische Popsängerin Sigrid ist seit dem riesengroßen Erfolg ihres Debütalbums „Sucker Punch“ vor drei Jahren aus der internationalen Musikszene nicht mehr wegzudenken. Im Interview gibt sie uns Einblicke in die Entstehungsgeschichte ihres neuen Albums „How To Let Go“ und spricht mit uns über die Magie von Livekonzerten und über ihre musikalischen Träume und Ziele. 

Es ist jetzt drei Jahre her, dass dein sehr erfolgreiches Debütalbum „Sucker Punch“ erschienen ist. Seitdem ist eine Menge passiert: Seit 2020 begleitet uns die Corona-Pandemie und du bist für eine Zeit lang nach LA gezogen. Und du hast auch dort angefangen, Songs für dein neues Album „How To Let Go“ zu schreiben. Was hat dich dabei inspiriert? Hat die Pandemie dabei eine Rolle gespielt? 

Ich würde sagen, dass die Corona-Pandemie vor allem den Songwriting Prozess beeinflusst hat. Ich habe tatsächlich in LA angefangen daran zu arbeiten, aber ich habe dort nur drei der Albumsongs geschrieben: „It Gets Dark“, „Mirror“ und „Grow“. Der Großteil des Albums ist dann später in Kopenhagen entstanden, als es zwischen Norwegen und Dänemark gerade einen Reisekorridor gab.  Also, ich denke, thematisch hat die Pandemie keine Rolle gespielt. Wir waren ja alle auf der Suche nach einer Art Ablenkung, und meine Songs handeln immer von persönlichen Erlebnissen – nicht nur aus den letzten beiden Jahren, sondern das reicht sehr viel weiter zurück in die Vergangenheit. Ich würde mein Album daher eher als zeitlos bezeichnen. Der Song „Risk Of Getting Hurt“ spiegelt meine Persönlichkeit perfekt wider. Ich möchte alles gleichzeitig machen: Auf der einen Seite ein ruhiges, friedliches Leben führen und viel Zeit zu Hause verbringen, auf der anderen Seite möchte ich um die ganze Welt touren, auf großen Bühnen spielen, viel erleben, hart arbeiten und feiern gehen. Es gibt auf dem neuen Album viele Songs, die vom Loslassen handeln. Ängste loslassen, Unsicherheiten loslassen und Beziehungen, die einem nicht guttun. 

Würdest du sagen, du bist das Thema Songwriting dieses Mal anders angegangen als beim ersten Album? 

Im Grunde gab es da keine großen Unterschiede. Ich schreibe meine Songs immer am Klavier oder an der Gitarre. Ich liebe es, Instrumente um mich herum zu haben, wenn ich neue Songs schreibe. Ich habe wieder mit einigen Leuten zusammengearbeitet, mit denen ich schon beim ersten Album zusammen Songs geschrieben habe, wie Martin Sjølie und Emily Warren. Aber ich habe dieses Mal auch mit neuen Leuten zusammengearbeitet, wie beispielsweise mit Sylvester Sivertsen und Carolin Ailin. Der größte Unterschied war die Geschwindigkeit, mit der wir die Songs geschrieben haben. Ich erinnere mich, dass ich bei „Sucker Punch“ die Songs in ein bis zwei Tagen geschrieben habe und dann war’s das. Es wurde natürlich noch an der Produktion gearbeitet, aber die Demo Vocals sind auf dem finalen Song zu hören. Das finde ich eigentlich sehr charmant. Dieses Mal hatten wir mehr Zeit, uns die Aufnahmen nochmal anzuhören und bestimmte Dinge zu verändern. Wenn ich mir nicht ganz sicher war, habe ich einfach den Text nochmal leicht abgeändert oder die Vocals neu aufgenommen. Es gab viel mehr Nachbesserungen, was einerseits sehr viel Spaß macht, aber gleichzeitig ab und zu auch ein bisschen frustrierend sein kann. 

Und bald teilst du das Ergebnis dieses Prozesses mit der ganzen Welt… 

Ja, und das ist eigentlich ganz schön scary. Man versucht da einfach nicht dran zu denken, denn jeder Künstler hat diese lähmende Angst, zu wissen, dass seine Musik für jeden da draußen zugänglich sein wird. Da macht es keinen Unterschied, ob nun zehn,tausend, hunderttausend oder eine Million Leute deine Musik hören, das Ergebnis ist dasselbe: Die Musik ist nicht mehr privat. Emily Warren und Carolin Ailin haben mich während des Songwritings immer wieder beruhigt und mir nahegelegt, mich einfach nur auf den Song zu konzentrieren, und egal, was danach kommt, es ist ok. 

Ich würde gerne mit dir noch etwas mehr über „How To Let Go“ sprechen. Ich muss sagen, dass ich mir, wenn ich mir deine Songs anhöre, durchaus gut vorstellen kann, diese auf einem Festival zu hören. Ist das auch etwas, was du im Kopf hattest, als du für das Album geschrieben hast? 

Auf jeden Fall. Einer der Haupteinflüsse für dieses Album waren Festivals. Festivals sind das allerbeste, ich liebe sie! Natürlich genieße ich es, meine eigenen Shows zu spielen. Meine Großbritannien und Irland Tour steht kurz bevor und wir haben auch einen vollen Festivalsommer. Was ich an Festivals liebe ist, dass jeder in den Festivalmodus wechselt und alles, was außerhalb passiert, keine Rolle mehr spielt. Ich spüre sehr viel Liebe auf Festivals: Leute kommen zusammen und entdecken neue Künstler, es macht einfach wahnsinnig viel Spaß. Und ich liebe es auch, meine Kollegen und alle anderen Crews dort zu treffen. Es ist immer wie ein großes Wiedersehen. Festivals sind ein großer Einfluss für mich und ich habe mich die ganze Zeit während das Album entstanden ist, so sehr darauf gefreut, bald wieder auf den Festivalbühnen dieser Welt zu spielen. Ich habe mir vorgestellt, wie es sein wird, wenn das Publikum meine neuen Songs mitsingt und wie die Band die Songs live performt. Das war eine große Inspiration für mich. „How To Let Go“ ist ein Album, das für die Bühne geschrieben wurde. 

Und ich denke mir, dass es sich umso besser anfühlt, die Songs live zu spielen nach der langen Corona bedingten Performance Pause? 

Auf jeden Fall. Ich bin voller Vorfreude und kann es kaum erwarten, wieder auf der Bühne zu stehen. Es geht mir am besten, wenn ich auf Tour bin. Du schläfst nicht sehr viel, hast vielleicht einen leichten Kater, aber du hast eine so gute Zeit mit deinen Freunden aus der Band und wir erleben so viel gemeinsam, spielen tolle Shows und erleben einige meiner Lieblingskünstler live…Wir haben zusammen zum Beispiel Kendrick Lamar und Tame Impala erlebt, das war klasse! Wenn du auf denselben Festivals spielst wie deine Helden, dann denkst du dir nur: „WTF!“. Ich liebe es. 

Du hast vor kurzem eine sehr interessante Collab mit einer Band veröffentlicht, die viele wahrscheinlich sehr überrascht hat: Mit Bring Me The Horizon hast du die eingängige Rockballade „Bad Life“ aufgenommen. Wie ist es denn zu dieser Zusammenarbeit gekommen? 

Es gefällt mir, dass das eine Collab ist, mit der kaum jemand gerechnet hat. (lacht) Ich bin seit einigen Jahren ein großer Fan von Bring Me und sie mögen meine Musik ebenfalls, was eine Überraschung ist, aber gleichzeitig auch sehr cool. Ich habe Jordan von Bring Me letztes Jahr auf dem Reading Festival in England getroffen und sie haben mir von einem Demosong erzählt, den sie bald im Studio aufnehmen wollen und ein paar Wochen später haben wir uns dann im Studio getroffen und den Song aufgenommen. Ich habe ein paar Zeilen geschrieben und wir haben gemeinsam an dem Song gearbeitet. Es war eine sehr schöne Session. Wir haben ja bekannter maßen einen sehr unterschiedlichen musikalischen Background, aber ich hatte eigentlich schon immer diese raue Stimme, und die Jungs von Bring Me haben ein sehr gutes Ohr für Popmelodien und schreiben extrem eingängigen Songs, was mir sehr gut gefällt. Und es hat einfach wunderbar zusammengepasst. Wir haben gemeinsam ein Musikvideo gedreht und viel Zeit zusammen verbracht, das war eine tolle Erfahrung. 

Du hast in deiner Karriere schon einiges erreicht. Gibt es denn bestimmte Ziele, die du in den nächsten Jahren noch erreichen möchtest? 

Ich habe natürlich Pläne. Ich war schon immer sehr ehrgeizig. Aber ich will nichts beschreien, und zu viel verraten. Aber ich glaube, mein größtes Ziel ist es, weiterhin auf Tour zu gehen. Solange ich meine eigenen Konzerte spielen und auf Festivals auftreten kann, solange Leute zu unseren Auftritten kommen, solange ergibt für mich alles einen Sinn. Dann geht es mir am besten. Ich liebe meinen Job einfach! Und ich möchte das solange es geht, gerne weitermachen und hoffentlich immer größere Hallen füllen. 

„How To Let Go“, das neue Album von Sigrid, erscheint am 06.05.2022.

Foto © Universal Music