Prince begeistert uns und die Massen bei seinem einzigen Deutschlandkonzert in der Berliner Waldbühne.
Die schlechte Nachricht vorweg: Prince trägt keine Highheels mehr. Stattdessen lugten gestern unter seinen langen weißen Hosen Gesundheitsschuhe mit leicht erhöhten Absätzen hervor. Auch Sprünge vom Klavier, die in Dreifach-Pirouetten enden, bekommt man von ihm nicht mehr zu sehen. Die gute Nachricht: Das ist auch so ziemlich das einzige, das sich über die Jahre hinweg an Prince‘ fulminanter Bühnenshow geändert hat. An guter Laune und Spielfreude hat er sich am gestrigen Abend in der Berliner Waldbühne selbst übertroffen.
Bereits um 19.45 Uhr betritt er die Bühne und hat, vor allem zur Freude der männlichen Fans, seine langjährige Wegbegleiterin Sheila E. an den Percussions mit dabei. Nach einer kurzen Eröffnung durch das Instrumental „Venus de Milo“ wird das Motto des Abends mit dem ersten Song direkt in die Tat umgesetzt: „Let’s Go Crazy“. Das fegt auch die Zuschauer in den Rängen direkt von den Sitzen.
Wenn Prince guter Laune ist, lässt er seinem Publikum nicht viel Zeit zum Atemholen. Da werden „Let’s Go Crazy“, „Delirious“ und „1999“ als gigantisches Hit-Feuerwerk in rascher Folge gezündet. Erst die langsame Version von „Little Red Corvette“ lässt ein wenig Ruhe einkehren, aber auch die wird mit so viel Seele vorgetragen, dass von verschnaufen nicht die Rede sein kann.
Ganz nah bei seinem Publikum ist Prince an diesem Abend. Er feuert an, animiert zum Mitsingen, scherzt und spricht mit der Menge. Selbst während des emotionalen „Nothing Compares 2 U“ ist er zu Scherzen aufgelegt, und trotz seiner berüchtigten Kamera-Scheu zieht er Grimassen für einen der Tänzer aus dem Publikum, der sich beim Tanzen auf der Bühne gemeinsam mit ihm filmt. Am Ende wirft er sogar seine Gitarre ins Publikum, die jedoch von einem Ordner eingefordert und offensichtlich vom Fänger kampflos wieder herausgegeben wird. Glückliche Gesichter soweit das Auge reicht. Eine Frau hinter mir spricht in ihr Handy: „Ich ruf wieder an wenn ‚Purple Rain‘ dran ist!“
Das darf natürlich nicht fehlen, genauso wie der Superhit „Kiss“. Begeisternd, mit wieviel Freude Prince seine alten Hits vorträgt, da habe ich ihn schon anders erlebt. 2002 im Rahmen seiner „One Nite Alone“ Tour zum Beispiel, wirkte er zuweilen etwas routiniert und kühl. Davon an diesem Abend keine Spur. Er habe sich so gefreut, endlich wieder in Berlin zu spielen, sagt er, und man glaubt es ihm. Er singt bezaubernd „Crimson And Clover“ von Tommy James und im Duet mit Sheila E. „A Love Bizzare“. Dass ich das doch noch erleben darf, hätte ich mir fast nicht träumen lassen.
Zum Abschluss gibt es eine nicht enden wollende Zugabe in Form von „Dance 4 Me“ aus dem im letzten Jahr in den USA erschienenen Album „Mplsounds“. Er droht, uns fertig zu machen, und er meint es ernst. Wieviel Funk kann ein Mensch ertragen? Offensichtlich eine Menge, denn der Applaus will nicht enden. Sheila E. und Bandkollegen genießen ihn noch eine Weile und fotografieren sich gegenseitig mit der tobenden Menge im Rücken. Aber irgendwann ist es dann doch vorbei. Prince has left the building. „Der ist schon längst an der Bismarckstraße,“ frotzelt einer der Ordner in Anbetracht des Publikums, das nicht aufhören will zu jubeln. Unbefriedigt scheint keiner zu sein, aber trotzdem hätte es noch ewig weitergehen können.
Prince und seine Musik machen glücklich und damit die Welt ein kleines bisschen besser. Das hat er gestern mit 52 Jahren gleichermaßen eindrucksvoll bewiesen wie in den mehr als 30 Jahren seines musikalischen Schaffens. Wen interessieren da seine Schrullen oder sein Glauben. Solang er noch viele Jahre so weitermacht.
Bericht: Gabi Rudolph
Fotoquelle: DEAG