Bill Kaulitz auf dem roten Teppich. Die Mädchen kreischen, wir berichten.
Anfangs habe ich mich ja ein klein wenig gewehrt. Lifestyle, das ist doch gar nicht mein Ressort, was soll ich denn am Roten Teppich? Mich mit einer Meute wild gewordener Fotografen und Journalisten prügeln, dafür bin ich doch viel zu zurückhaltend. Aber gut, die Argumente habe ich dann doch verstanden. Schließlich wurde zur gestrigen Deutschlandpremiere von Luc Bessons Fantasy-Abenteuer „Arthur und die Minimoys 2“ in Berlin Bill Kaulitz erwartet, und der fällt dann doch eher in meinen Zuständigkeitsbereich. Mit einem unserer allerersten Artikel, meiner Albumrezension zu „Humanoid“, dem aktuellen Album von Tokio Hotel, habe ich mich bereits als heimlicher Bewunderer der Erfolgsband aus Magdeburg geoutet. Außerdem habe ich ein Faible für kreischende Fans. Bill Kaulitz auf dem roten Teppich? Hm, vielleicht geh ich doch hin…
Was das prügeln anging, wurden mir meine Bedenken schnell genommen. Der Pressebereich vor dem Sony Center war recht übersichtlich gefüllt. Reichlich Platz, um mich gut zu positionieren. Allerdings war es nicht nur der Mangel an Presseaufgebot, der mich ein wenig überrascht hat, auch der Fanmob, der gekommen war, war doch kleiner als ich erwartet hatte. Entlang der Bande zum roten Teppich wurde sich natürlich kräftig gedrängt, aber viel mehr als zwei Reihen waren nicht zusammengekommen. In meinem Kopf nehmen Fanhysterien ja ganz andere Ausmaße an, vor allem seit ich von dem Chaos gelesen habe, das Teeniestar Justin Bieber beim Versuch einer Autogrammstunde in einer amerikanischen Shoppingmal verursacht hat. Nein, ganz so schlimm war es nicht. Aber diejenigen, die gekommen waren, waren im entscheidenden Moment laut. Sehr laut.
Angeblich sind sie zum Teil aus Frankreich und der Türkei angereist, um einen Blick auf Bill aus der Nähe werfen zu können. Das erzählt zumindest Nadine Krüger, die ab 15 Uhr die Moderation auf dem Roten Teppich übernimmt. Vor Bills Erscheinen gilt die Aufmerksamkeit hauptsächlich Jürgen Vogel, der in seiner gewohnt sympathischen, unaffektierten Art Interviews gibt. Den ersten Teil von „Arthur und die Minimoys“ hat er nicht gesehen (wie übrigens so ziemlich alle Prominenten, die in meiner Hörweite dazu befragt werden, außer Annabel Mandeng), und in eine Zeichentrickfigur war er auch nie verliebt, auch nicht als Kind. Besonders nett nehmen sich die vielen Kinder auf dem Roten Teppich aus, die mit ihren mehr oder weniger prominenten Eltern auf dem Weg ins Kino sind, sie zeigen sich nämlich von dem um sie herum herrschenden Trubel relativ unbeeindruckt.
Aber dann geht plötzlich alles sehr schnell, und der steigende Geräuschpegel kündigt an, dass Bill Kaulitz angekommen ist. Ab da wird es ehrlich gesagt schwer zu beschreiben, was weiter geschah, was geredet wurde oder wer sonst noch über den Roten Teppich ging, denn alles ertrinkt in Lärm. Bill Kaulitz, durch Irokesenfrisur und Plateauschuhe um gute 30 Zentimeter vergrößert, läuft geduldig und freundlich lächelnd seinen Parkour. Fotocall, Interviews, Autogramme entlang der Bande. Über einem lilafarbenen Shirt trägt er einen voluminösen, schwarzen Strickmantel, der meiner Mutter wahrscheinlich wahre Entzückungsschreie entlockt hätte. Seine darunter hervorschauenden Beine stecken in engen, schwarzen Hosen, enden wie gesagt in ein paar Plateaustiefeln, die Marilyn Manson zur Ehre gereicht hätten und verschlagen mir für einen kurzen Moment den Atem. Du liebe Zeit, was ist der Junge dünn! Man liest es ja immer wieder in Boulevardblättern, da wird sogar von Essstörungen gemunkelt. Gut, Jungs, die den letzten Wachstumsschub der Pubertät gerade hinter sich haben (man darf ja nicht vergessen, der gute Bill ist 20 Jahre alt) sind ja gerne mal ein wenig dünner. Dachte ich, bis ich ihn sah. Und jetzt muss ich es leider auch sagen: Er ist wirklich sehr dünn. Hätte ich ein Butterbrot in der Tasche gehabt, ich hätte mich schwer beherrschen können, es ihm in die Hand zu drücken.
Gefragt nach der Zeit, die er in Frisur und Make-Up investiert, antwortet Bill schlagfertig: „Morgens sehe ich genauso scheiße aus wie alle anderen, das könnt ihr mir glauben.“
Genau in diesem Moment trifft dann doch meine Kollegin Michaela Marmulla ein, Ressortleiterin Lifestyle und echte Roter-Teppich-Expertin. So ganz wollte sich das Schauspiel letztendlich keiner von uns entgehen lassen, weshalb wir am Ende sogar noch die Begrüßungszeremonie im Kino mitfilmen können. (Das Video gibt es hier) Und ein ganz klitze kleines bisschen nervös waren wir auch.
Wer sonst noch da war? Ach ja, andere Prominente gab es natürlich auch. Ben Becker, Oliver Kalkofe, GZSZ-Darsteller Raul Richter mit weit aufgeknöpftem Hemd, Moderatorin Annabel Mandeng und Starlet Davorka Tovilo zum Beispiel. Letztere war übrigens als Prinzessin Selenia, einer Figur aus „Arthur und die Minimoys“ verkleidet, mit gelben Kontaktlinsen und einem Amazonendress, der eindeutig ihre Brustwarzen sehen ließ. Während alle anderen bereits ihre Plätze im Kino einnahmen, reizte sie ihre Rote-Teppich-Präsenz aufs unerträglichste aus und ließ sich bis zuletzt von einigen wenigen interessierten Fotografen vor der Fotowand knipsen. Ich hoffe, sie hat sich keine Lungenentzündung geholt und ist der Überzeugung, dass es sich irgendwie für sie gelohnt hat.
Fakt ist aber: Hier ging es um Bill Kaulitz. Der blieb sogar den gesamten Film über in einer für ihn abgesperrten Reihe im Kino sitzen. Einige wenige glückliche Gewinnerinnen durften kurz vor knapp noch ins Kino, und angesichts der Tatsache, dass sie 90 Minuten mit ihrem Idol im gleichen Raum verbringen durften, flossen sogar Freudentränen. Das ist Popkultur wie ich sie liebe. Alles andere war Nebensache.
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Fotos: (c) Lynn Lauterbach
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