Es ist Freitag Abend, 22.45 Uhr. Peaches hat soeben die zweite Vorstellung ihrer Jubiläums Show „Peaches Does Herself“ im Berliner HAU Theater gespielt. Ich warte auf sie zum Interview in einer der Garderoben. Plötzlich schwingt die Tür auf, sie kommt hereingerauscht, im schwarzen Flatterkleid, die Augen pink und grün, das Gesicht gold geschminkt. „Ich bin immer noch golden“, lacht sie, trinkt Ingwertee und entkräftet sofort meine Bedenken bezüglich der späten Stunde unseres Treffens. „Viel besser als vor der Show. Jetzt bin ich entspannt.“ Das spürt man. Munter plaudert sie drauf los.
Liebe Peaches, als erstes möchte ich dir gratulieren zum zehnjährigen Jubiläum deines Debutalbums „The Teaches Of Peaches“!
Dankeschön!
Die letzten zehn Jahre. Wenn du sie zusammen fassen müsstest. Wie würdest du sie beschreiben?
Die ganzen zehn Jahre? Eine großartige, natürliche Entwicklung. Sehr schön, sehr natürlich. Nichts gezwungenes, niemand hat mich in irgendeiner Weise zu irgendetwas gedrängt. Ich habe allein angefangen mit meiner Maschine, dann hatte ich zwei Tänzer, eine Band, noch eine Band… dann kamen nach und nach besondere Dinge hinzu. Die Lasershow, die Möglichkeit, ein Musical zu machen… eigentlich all das tun zu können, was ich wollte. Und mir dabei treu zu bleiben, klar in meinen Ideen und… einfach Spaß zu haben!
Wie hast du es geschafft, dir über die Jahre hinweg diese Freiheit zu bewahren? Eben die Dinge so tun zu können, wie du sie möchtest?
Na ja, kein Major Label hat sich je an mich heran gewagt. Ich war einfach zu speziell. Was gut ist, denn dadurch hatte ich immer meine Freiheit. Deshalb gab es auch nie jemanden, der mir hätte sagen können, ab jetzt darfst du nur noch 40% Peaches sein.
Es gab noch nicht einmal ein Angebot von einem Major Label?
Nein. Ich war erst bei Kitty Ýo und bin jetzt bei XL. Aber ich hätte wahrscheinlich sowieso nein gesagt. Und heute, nach diesen zehn Jahren, ist es interessant zu sehen, dass Major Labels nur noch ein Haufen Scheiße sind. Das ist doch spannend. Und es ist spannend zu sehen, dass die Leute langsam realisieren, dass man kreativ sein muss. Es geht nicht darum, der Hauptact auf jedem Festival zu sein (reißt die Hände in Rockstar-Pose in die Höhe), der größte Rocker auf der Welt!
Kannst du sagen, was das Unglaublichste ist, das dir in all den Jahren passiert ist?
Das hier ist unglaublich. Einfach unglaublich. Verrückt. Ich sitze da auf der Bühne mit einer Perücke auf dem Kopf, wie ich vor zehn Jahren ausgesehen habe, auf einem Bett und spiele diese Beats. Ich musste dafür die Beats von „The Teaches Of Peaches“ wieder programmieren. Das ist ein ziemlicher Trip. Überhaupt war es ein unglaubliches Jahr. Ich habe getourt, „Peaches Christ Superstar“ gemacht, die Lasershow beim Berlin Festival… vor drei Wochen bin ich aus Korea zurück gekommen, wo ich ein Kunstprojekt gemacht habe, eine Installation basierend auf Sachen, die Leute mir auf die Bühne geworfen haben.
Wie lang hast du dafür gebraucht, diese Show hier auf die Beine zu stellen?
Im großen und ganzen… (überlegt) knapp zwanzig Tage. Verrückt. Total verrückt. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, was ich machen würde. Es war auch nicht geplant, eine 10-Jahre-Jubiläums-Show zu machen. Es hieß einfach, ich kann machen was immer ich will. Das Theater hat gesagt, ich soll eine Uraufführung machen. Ich habe hier ja „Peaches Christ Superstar“ gemacht. Sie haben mir gesagt, du kannst das machen, aber du musst auch eine Uraufführung machen, da sie Gelder bekommen haben, die in eine Uraufführung fließen mussten. Und ich hatte überhaupt keine Idee. Zwei Wochen lang hatte ich Bauchschmerzen und habe gedacht, was zum Teufel soll ich machen? Dann war Gonzales hier, wir saßen in einem Hotelzimmer zusammen und ich habe zu ihm gesagt: Drill mich! Lass mich einfach nicht in Ruhe. Er ist sehr gut in so etwas. Er hat auf mich eingeredet, und irgendwann war die Idee da, die ganze Geschichte zu entwickeln und zu erzählen. Das war in zwei Tagen geschehen, und die Leute fanden die Idee großartig. Ich habe gesagt, ich will nicht, dass auf der Bühne geredet wird. Ich will, dass die Songs die Geschichte erzählen. Und ist es nicht der Wahnsinn, dass diese Songs eine komplette Geschichte erzählen? Der Aufstieg einer Person, ihr Untergang, die Liebe, die Tragödie. Es ist alles da!
Wo findest du immer diese unglaublichen Menschen, mit denen du zusammen arbeitest? Wie in dieser Show Danni Daniels und Sandy Kane?
Sandy Kane habe ich auf Youtube gefunden. Es gibt dort ein Video von ihr, wo sie eine schmutzige Coverversion von „Gloria“ singt. Ich dachte oh mein Gott, diese Frau muss in New York für mich als Opening Act auftreten! Irgendjemand kannte sie und hat ihr gesagt, du musst unbedingt mit Peaches auftreten, und sie hat es getan. Ich habe sie gefragt, ob sie auch in dieser Produktion mit machen würde. Ich wusste, dass ich sie dabei haben will, bevor ich überhaupt wusste, was ich machen werde. Man kann sie einfach auf die Bühne stellen und sie macht ihr Ding. Im Sommer war Danni bei einer meiner Shows in London und sagte zu mir: „Ich habe meine Jungfräulichkeit zu deiner Musik auf dem Rücksitz eines Trucks in Florida verloren, und sieh mich an! Jetzt kann ich mit meinen Titten und meinem Schwanz wackeln!“ Zwei Wochen später habe ich mir den Knöchel verstaucht und Danni wurde meine Krankenschwester bei den Rollstuhl-Shows. Danni war die Muse für diese Show. Als ich Danni traf wusste ich, ich kann die Geschichte erzählen, ohne mich selbst einfach nur zum Clown mit Titten und Schwanz zu machen. Mit Danni hatte ich plötzlich die reale Version davon und konnte das Ganze auf eine andere Ebene bringen, die Realität noch mehr verzerren.
Hast du an dieser Show mit einem Regisseur zusammen gearbeitet?
Ich bin die Regisseurin. Ich hatte aber einen Choreographen. Dadurch, dass ich die meiste Zeit auf der Bühne bin, hat er natürlich viel geholfen. Er ist sozusagen der Co-Regisseur.
Wie fühlst du dich mit dem Arbeitsrhythmus, den das Theaterleben mit sich bringt? Generalprobe, Premiere, dann mehrmals hintereinander abends Vorstellung?
Das ist schön! Ich glaube, die Band und ich schätzen das sehr. Nach so vielen Monaten auf Tour findet man es toll, jeden Abend den gleichen Raum, die gleiche Bühne vorzufinden. Auf Tour weißt du nie wie es sein wird, es ist immer eine Überraschung, manchmal keine gute.
Und nun? Was kommt als nächstes?
(Peaches verzieht den Mund und hebt die Schultern) Keine Ahnung.
Wie weit planst du überhaupt im Voraus?
Gar nicht. Die Dinge entstehen einfach. Weißt du, ich bin zur Universität gegangen und habe Regie studiert. Dann dachte ich aber, ich will gar nicht mit Schauspielern arbeiten. Also habe ich mich Richtung Musik orientiert, weil ich dachte, da kann ich Schauspielerin, Regisseurin, Performerin, alles sein. Bei dieser Produktion kann ich jetzt all das wieder zusammen bringen. Es ist der absolute Wahnsinn. Ich glaube, die Leute sind ein wenig irritiert, dass sie sitzen müssen. Viele finden es komisch, bei einer Peaches Show zu sitzen. Aber es gibt so viel zu sehen, ich möchte, dass die Leute wirklich hin gucken. Wenn wir alle Sitze raus genommen hätten, würden die Leute auf die Bühne springen. Das wäre ein Alptraum! Am Ende würde noch jemand durch die Falltür fallen. Erfordert ein bisschen Anpassung für die Hardcore-Fans. Aber ist es nicht toll? Meine Musik trägt eine ganze Show. Ich habe das Ganze geschrieben, die Regie funktioniert, ich stehe selbst auf der Bühne… diese vielen Ebenen! Dann geht es auch noch um mich, um meine Weltanschauung. Es fühlt sich an, wie zu Hause angekommen zu sein. Und das ist einfach großartig.
So schnell wie sie gekommen ist, so schnell ist Peaches wieder entschwunden. Sie bedankt sich für das Gespräch und flattert zur Tür hinaus, wie ein Schmetterling. Wir freuen uns auf die nächsten zehn Jahre, Peaches!
Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Lynn Lauterbach