Nachdem „Ghost Rider“ im Jahr 2007 mit insgesamt 700.000 Kinobesucher in Deutschland einen deutlichen Erfolg verzeichnen konnte, war mit einer Fortsetzung zu rechnen. Doch dieses Mal setzte sich das „Crank“-Gespann Mark Neveldine und Brian Taylor auf die Regiestühle und wirbelte die Story rund um Johnny Blaze und dem Pakt mit dem Teufel ordentlich um. Man verlegte den Schwerpunkt auf die Ecken und Kanten des Protagonisten und nahm Abstand von einer massentauglichen Story. Um für seinen Lieblings-Comichelden die Werbetrommel zu rühren, kam Oscar-Preisträger Nicolas Cage sogar höchstpersönlich nach Berlin und nahm sich nicht nur für die Interviewer viel Zeit, sondern auch für eine gepflegte Hauptstadt-Erkundungstour. Doch Paparazzi und Wetter wollten es dem 48-jährigen nicht so leicht machen.
Nicolas Cage: Die Paparazzi sind aggressiver geworden, was es schwieriger für mich gemacht hat, raus zu gehen und die Gegend zu erkunden. Ich bin extra ein paar Tage früher hergekommen, um die Kultur besser kennenlernen zu dürfen. Nur ein paar Typen verfolgen mich auf Schritt und Tritt, weshalb ich nicht so viel gesehen habe wie ich eigentlich wollte. Das Wetter spielte auch nicht so mit, aber Grunewald war großartig. Ich habe das Gefühl, dass man hier den Wald und die Bäume noch wirklich respektiert. Leider konnte ich meinen Sohn nicht mit nach Deutschland bringen, das wäre unverantwortlich gewesen. Er ist nun in der Schule und muss immer am Ball bleiben.
Den Ausflug nach Deutschland nutzte Cage, neben der Promotion für den am 23. Februar erscheinenden Horrortrip „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“, auch für andere, persönlichere Zwecke, wie er uns im Folgenden verriet.
NC: Es war im Gespräch, dass ich in Deutschland an „Black Butterfly“ arbeite, aber das geschieht nun doch nicht in naher Zukunft. Ansonsten würde ich gern einen Film in Deutschland drehen. Es ist ja auch kein Geheimnis, dass meine Mutter von hier stammt und deshalb wollte ich natürlich schon immer wissen, wie ihre Heimat so ist. Aber ich spreche kaum Deutsch. Ich bin einer dieser Amerikaner, die denken, wenn sie Deutsch sprechen, klingt es einfach nur albern. Dabei würde ich die Sprache gern beherrschen. Schon allein um ein Buch richtig verstehen zu können. Wenn ich eine Übersetzung lese, kann ich nie genau wissen, ob das die Intention des Autors war, wie sie dort vor mir steht.
Das lässt ausatmen! Nachdem in dem Thriller „Black Butterfly“ eine Vereinigung der Schauspielgrößen Cage und Veronica Ferres auf dem Plan stand, steht eine Projektrealisierung nun noch in den Sternen und so kann man nur hoffen, dass sich die beiden nicht näher kommen als in ihrem Literaturinteresse – Ferres spielte 1999 in „Die Braut“ Goethes Ehefrau Christiane Vulpius und Nicolas Cage versuchte sich bereits mit „Duell der Magier“ an seiner Version von Goethes Zauberlehrlings. Doch von unangenehmen Kollaborationen nun endlich hin zu einer gelungenen Zusammenarbeit. Denn gemeinsam mit Neveldine und Taylor erschuf Cage sowohl einen viel selbstbewussteren Johnny Blaze als auch einen Ghost Rider, der kein bisschen an der kurzen Leine gehalten wird. Alles, was er anfasst, wird zu Feuer und nur Gott könnte ihn jetzt noch aufhalten.
NC: Ich hatte das Gefühl, dass ich noch mehr zu Johnny Blaze zu sagen hatte. Außerdem hatte ich nun die Möglichkeit, auch den Ghost Rider zu spielen. Beim ersten Teil entstand der Witz dadurch, dass Johnny immer versucht, das Übel zu verhindern. Dafür, dass sein Kopf nicht in Flammen steht, aß er alberne Geleebohnen oder hörte entspannende Musik. In diesem Film hat sich der Humor in einen schwarzen, sarkastischen umgewandelt, weil er bereits seit acht Jahren mit dem Fluch leben muss. Seine Geistesverfassung ist viel grenzwertiger. Der Humor ist ähnlich dem eines Polizisten, der schon so viele schlimme Sachen in seinem Leben gesehen hat, dass er sich nicht anders zu helfen weiß als mit schwarzem Humor. Den Ghost Rider zu kreieren war aber eine ganz andere Dimension. Ich habe mir zum Beispiel eine Kobra angeschaut, um für mich herauszufinden, wie sich der Ghost Rider bewegen könnte. Die Idee für „Spirit of Vengeance“ kam mir bei der Promo-Tour zum ersten Teil in London. Zu dieser Zeit trug ich gerne schwarze Lederhosen, -jacken und Motorradstiefel. In einer Pause bin ich dann zur Westminster Abbey gegangen. Dort bin ich mitten in einen Umweltgipfel hineingeraten. Der Bischof aus Colorado führte mich erst durch Westminster Abbey und stellte mich dann dem Erzbischof von Canterbury und dem Papst der griechisch-orthodoxen Kirche vor. Da stand ich nun zwischen diesen Spirituellen und dachte mir, dass der Ghost Rider irgendwie auch das Recht hätte hier zu sein, weil er auf seine Art und Weise auch eine spirituelle Macht ist. Und plötzlich flüsterte mir der Bischof ins Ohr: „Ich kann im Übrigen auch unartig sein!“. So wurde die Idee für den Film geboren.
In den 95 Minuten wird der ehemalige Stuntman Johnny Blaze von dem gottesfürchtigen Moreau (Idris Elba, „Thor“) darum gebeten den Ghost Rider hervorzuholen, um den kleinen Jungen Danny (Fergus Riordan) zu retten. Da ihn seine Mutter Nadya (Violante Placido, „The American“) in einem schwachen Moment dem Teufel (Ciarán Hinds, „München“) versprochen hat, kann nur noch das brennende Skelett gegen das Schicksal etwas ausrichten. Um aus seinem Versteck in Osteuropa herausgelockt zu werden, verspricht ihm Moreau seine wahre Natur zu offenbaren. Dazu muss sich Blaze den spirituellen Kräften ganz und gar hingeben können. Im Zuge dessen stellt sich die Frage wie sehr sich Cage selbst mit einer Religion anfreunden kann?
NC: Ich bin ein Suchender. Ich habe Respekt vor den Menschen, die ihren Glauben schon gefunden haben. Aber ich weiß nicht, ob ich an ein Leben nach dem Tod glauben soll. Es wäre großartig, wenn es das geben würde. Und wenn diese 50-Prozent-Chance eintreffen würde, dann könnte das eine ganz schön verrückte Fahrt werden!
Der Ghost Rider lebt quasi schon dieses mögliche Leben nach dem Tod, kostet es im zweiten Teil sogar aus. Doch macht ihn das zu einem ausschließlich bösen Menschen?
NC: Der Ghost Rider ist nicht ultimativ böse, da er dazu forciert wurde so zu sein. Wohin er kommt, zerstört er alles. So wird aber auch Platz für neues Leben gemacht, das dann heranwachsen kann. Dieser Vorgang ist Teil der Natur. Es ist also eine Frage der Betrachtungsweise. Für mich heißt es wirklich böse zu sein, wenn jemand sich an dem Leid anderer Menschen erfreut. Und Ghost Rider ist der einzige Superheld, den ich kenne, der von Goethe inspiriert wurde. Er hat wie in „Faust“ einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Das ist eine Metapher dafür, dass wir alle Fehler machen, weil es in unserer Natur liegt. Wenn ich daran zurückdenke, wie ich mir als 8-jähriger die Comics angesehen und versucht habe zu verstehen wie solch eine bösartig aussehende Kreatur, die sich bei den dunklen Mächten bedient, anderen Menschen hilft, weiß ich noch wie kompliziert das für mich war.
So wird im Gespräch immer deutlicher, dass es sich beim Ghost Rider um den bösen Guten handelt. Zum ersten Mal tauchte er 1972 in den Marvel-Comics auf, um als Widersacher der Guten zu fungieren. Doch schon bald widmete man ihm eine eigene Reihe, da er viel zu anregend und komplex war, um nur so einseitig präsentiert zu werden. Das Interesse an der Figur geht aber bei Cage weit über das Filmemachen hinaus – zumindest ist dies die Vermutung, wenn man das Ghost Rider-Tattoo auf seinem Oberarm bedenkt.
NC: Es herrscht eine falsche Auffassung von mir in Bezug auf Comics. Ich bin kein Snob. Das kann man auch an den Entscheidungen sehen, die ich in meiner Karriere getroffen habe. Ich bin nicht bis drei Uhr in der Früh wach, esse Cookies und blättere dazu durch Spiderman. Ich mag Comics für das, wofür sie stehen. Sie haben mir als kleiner Junge eine Flucht aus meiner Umwelt ermöglicht. Die bunten Charaktere, die Geschichten, die ihnen während der Hindernisbewältigung widerfuhren, boten mir eine neue Identität. Es gab also viele Tage, in denen ich der Hulk war.
Cage liebt die Extreme. Für „Spirit of Vengeance“ ließ er sogar die Bedenken seiner Versicherungsfirma außen vor, mimte den Motorrad-Bezerker – ohne Helm und ohne jegliches Limit. Ganz so wie es die Regisseure Mark Neveldine und Brian Taylor lieben.
NC: Sie wissen, wo man in welchem Kontext die Kamera zu positionieren hat. Mark Neveldine ist so ein junger George Hamilton-Verschnitt. Er ist ein richtiger Macho und würde sein Leben aufs Spiel setzen, nur um zu unterhalten. Das Gleiche gilt für Brian. Zwar gibt es zur Zeit viele Leute, die auf eine poetische Art und Weise mit der Kamera umzugehen wissen, aber ich kenne sonst niemanden, der das wie einen Extremsport betreibt: in der einen Hand die Kamera, in der anderen ein Motorrad und selbst noch mit Rollschuhen unterwegs. Jeden Moment könnten sie sich das Genick brechen und das alles nur um eine ordentliche Aufnahme von mir zu bekommen. So war es die ganze Zeit. Die beiden haben ein Motto: wenn man sich während des Drehs einen Knochen brechen sollte, dann sollte genau diese Szene im Film sein. Ich wusste also, dass ich in ein potenziell besonders gefährliches Umfeld hineinlaufen würde und dass aber auch wichtig für sie sein würde. Ich durfte nicht zweimal über die Gefahr nachdenken. So habe ich es für mich angenommen und immer wieder gesagt: das ist noch nicht gefährlich genug, gebt mir mehr! So gehe ich eben mit Druck um, ich überkompensiere. Wenn ich mit einem Regisseur zusammenarbeite, der gern viele Takes macht, dann möchte ich anstelle der angedachten 20 lieber 40 Takes machen. Aber als Ghost Rider habe ich sowieso nicht allzu viel über die Gefahren nachgedacht. Ich habe versucht mich richtig in diesen gefallenen Engel aus der anderen Dimension hinein zu fühlen.
Auch einen dritten Teil von Ghost Rider hält der Mime nicht für ausgeschlossen. Am liebsten sollte dieser dann direkt in der Hölle spielen. Dieser Wunsch ist verständlich, bedenkt man den Fakt, dass der Dreh in Osteuropa neben geisterhaften Ortschaften nur klirrende Kälte für die Belegschaft bereit hielt. Aber Cage versuchte sich davon unbeeindruckt zu zeigen, versuchte vielmehr sich in seine wärmende Rolle des Ghost Riders zu verkriechen.
NC: Für den Ghost Rider habe ich mich vom Schamanismus inspirieren lassen. Ob es geklappt hat oder nicht, jedenfalls habe ich bestimmte Artefakte in meiner Jackentasche mit mir herumgetragen, die der Legende nach Vibrationen ins sich haben sollten, die Bewusstseinsveränderungen hervorrufen. Manchmal benutzten die Schamanen auch Masken, um ein bestimmter Geist zu werden. Also habe ich mit weißer und schwarzer Farbe mein Gesicht bemalt, um dadurch eine afro-karibische Voodoo-Ikone zu werden. Dazu habe ich dann schwarze Kontaktlinsen getragen und bin so ans Set gekommen, ohne mit jemandem zu sprechen. Das war meine Art mir nicht albern vorzukommen und für mich selbst glaubhaft zu machen, dass ich dieser Charakter bin. Die anderen Schauspieler waren durch meine Erscheinung verängstigt, ich konnte es in ihren Augen sehen, und das steigerte mein Glauben an mich als Ghost Rider umso mehr.
Er zog sich nicht nur in seinem zu spielenden Charakter zurück, sondern setzt auch sonst kaum noch einen Fuß auf die roten Teppiche der Welt. Während beispielsweise Idris Elba den Ghost Rider als weiteren Karriereschub sieht (er wird als möglicher Daniel Craig-Nachfolger als James Bond gehandelt), macht sich der Hauptakteur nur noch rarer.
NC: Ich habe einen fundamentalen Konflikt mit meinem Business und mit dem was ich tue. Ich bin stets im Kampf mit dem Versuch ein besserer Mann zu sein. Dabei arbeite ich in einem Bereich, wo sich alles um Eitelkeiten dreht. Aber ich möchte nicht dieser Typ sein, der seinen Anzug auf dem roten Teppich präsentiert oder der immer über sich selbst spricht. Das tue ich heute, weil ich möchte, dass man Spaß an dem Film hat. Hollywood ist die Antithese zu dem, wer ich als Mann sein möchte. In Zukunft möchte ich mehr mit Amnesty zusammen arbeiten, mehr Zeit zum Nachdenken haben und hoffentlich anfangen ein fiktionales Buch zu schreiben.
Mit diesen Zukunftsaussichten entlässt Nicolas Cage die fragenden Gesichter. Als Familienmensch hat er sich entpuppt, der nichts von Awards oder seinen Filmen in den eigenen vier Wänden hält. Lediglich den Animationsfilm „Lucas, der Ameisenschreck“ habe sein Sohn sehen dürfen. Anderes blieb ihm verwehrt. Cage ist eben ein Mann der Prinzipien, daran lässt sich nicht rütteln. „Leaving Las Vegas“ habe er schließlich auch nur mit dem Gedanken im Hinterkopf gemacht, dass er nie einen Oscar gewinnen würde. Mit „Ghost Rider: Spirit of Vengeance“ wird es wohl auch keine Preise für ihn und die Crew hageln. Denn auch wenn dieser zweite Teil sich deutlich von dem 2007er Debüt abhebt, dagegen glänzen kann und die unbändige Passion für die Thematik in jeder Einstellung sichtbar ist, steht er als äußerst eigenwillige Comic-Adaption allein auf weiter Flur.
Artikel und Fotos: Hella Wittenberg