Die neue Serie „Musik in Berlin“ wirft ein Blick auf all die Berliner Künstler, die diese Stadt so einzigartig machen. Vor zwei Wochen haben wir euch Singer-Songwriter Eric Eckhart an dieser Stelle vorgestellt (hier nachzulesen). Er hat dann auch erwartungsgemäß ein wunderbares Konzert in der Kartoffelkiste abgeliefert und am Ende sogar noch allen anwesenden Besuchern seine CD „This Is Where It Starts“ geschenkt. Diese Woche widmen wir uns der Wahlberlinerin Miss Kenichi. Eine Dame, die ihren Hörer durch reduzierte Melodien und Kopfkino anregende Texte mitreißt.
Eins sei vorweg gesagt: sie ist keine Japanerin oder Asiatin, wie der Name es vermuten lässt. Den Namen hat sie sich von einer Manga Figur entliehen und eigentlich heißt sie mit bürgerlichen Namen Katrin Hahner. Sie kommt aus einer kleinen Stadt irgendwo in Deutschland. Die Tochter eines Lastwagenfahrers hat eine Schauspielschule besucht, anschließend eine Kunsthochschule und erst danach hat sie in einer künstlerischen Schaffenskrise mit der Musik angefangen. Sie ist ein Multitalent, die all ihren Passionen nachgeht und so ist es nicht verwunderlich, dass handgemachte Amulette auf ihrer Facebookseite auftauchen oder das Cover von „Fox“, dem zweiten Album, im Schaufenster einer Galerie hängt. Oder sie ist bei jemand anderem als Backgroundsängerin zu hören oder steht mal eben auf einer Theaterbühne.
Konzentriert man sich nur auf den musikalischen Teil ihres Schaffens, so hat sie bisher zwei Alben veröffentlicht: „Collision Time“ (2006) und „Fox“ (2008). Das dritte Album wurde vor kurzem aufgenommen, unter anderem mit der Hilfe von Shaun Mulroony (Humanzi, Admiral Black), Stach Hoyt (Künstler, Flötist) und Earl Harvin (Tindersticks und so viele andere musikalische Projekte, dass einem schwindelig werden kann). Natürlich frage ich mich wieso es so lange bis zum neuen Album gedauert hat und immer noch dauert. Letzteres mehr aus Neugier wie sie sich in Bezug auf ihren Sound verändert hat. Am Samstag hat sie erzählt, dass es das erste Album ist, bei dem sie nicht immer alles kontrolliert hat und die Songs nicht nur für sie selber am Instrument geschrieben und arrangiert wurden. Sie hat sich sonst selber immer als jemand bezeichnet, der alles kontrollieren muss.
In ihrem Facebookprofil kann man nachlesen, dass ihre Musik eher an eine staubige Straße bzw. ein Dorf an einer staubigen Straße irgendwo in Alabama erinnert, als an kleines Dörfchen irgendwo in Deutschland. Damit trifft sie es genau. Grob betrachtet kann man ihre Musik in die Schublade Americana stecken, also eine Mischung aus diversen Musikrichtungen wie Folk, Country, Blues und dergleichen. Das ist allerdings zu einfach. Ihre Songs fließen in sich selber und ineinander über, sind dabei oft sehr reduziert und das ist besonders live zu hören.
Letzten Samstag trat sie als zweite Künstlerin bei der Reihe „Kisten Konzerte“ auf. Ich habe fast vergessen wie klar und stark ihre Stimme ist, ohne das sie dabei laut sein muss. Und wie viel mehr Blues in ihrer Stimme liegt, wenn sie live singt. Sie hat alleine gespielt und manchmal rückte die Gitarre ganz weit in den Hintergrund, sie sang fast ohne hörbare Begleitung – es waren nur mit der Gitarre gesetzte Akzente zu hören. Das Konzert hat sie ganz ohne Instrument begonnen, a capella gesungen. Gegen Ende des Konzertes hat sie dann noch ein paar Verse a la Heinz Erhardt frei zitiert.
Wenn ich Miss Kenichi live sehe oder ihr Album „Fox“ (2008) höre, stellt sich für mich persönlich jedes Mal die Frage, wieso sie nicht viel bekannter ist und noch viel mehr Leute ihre Musik lieben. Das Album „Fox“ ist wunderbar. Der Titelsong fängt eher ruhig an und dann fühlt er sie schon fast getrieben an. Das Gefühl kommt durch die Gitarren, die unterschwellig langsam lauter werden und durch Klavier unterstützt werden. Es ist die Geschichte vom Fuchs und dem Mädchen. „And the fox said to the goose: ‚Hey Girl, just come around, I see danger come. Bad boys are heading to town’“ heißt es da. Der Rest läuft im Kopf ab. „No Water“ scheint von jemandem zu handeln, dessen Durst nicht gestillt werden kann. Der Durst nach neuem, danach seiner Passion nachzugehen, neues zu entdecken und leben. Und die Gitarre verschwindet fast, sie wirkt so als ob sie demnächst einfach verblasst und doch ist sie da. Und das sind nur meine Lieblingsperlen auf dem Album.
Zum Abschluss gibt es jetzt noch ein etwas älteres Video von ihr zum Song „Arrived“ vom Album „Collision Time“:
www.facebook.com/pages/Miss-Kenichi/90355534002
Foto und Artikel: Dörte Heilewelt