Muse, 03.06.2016, Mercedes Benz Arena Berlin

Muse_BerlinAls enthusiastischer Konzert-Gänger auf einen “Pressearbeitsplatz” verbannt zu werden ist schon eine echte Herausforderung. Man schaut sehnsüchtig, an einem Tisch sitzend hoch oben in der Halle, auf die Menge hinunter und hat dabei zwar einen großartigen Blick auf die Geschehnisse aber auch eine Menge Distanz. Man kann nicht hüpfen, man kann nicht jubeln und auch mitklatschen wirkt ein bisschen eigenartig auf diesen Plätzen. So ist die Betrachtung des Muse Konzertes in der Berliner Mercedes Benz Arena auch eher distanziert.
Es gibt nur noch wenige Bombast-Shows im Rock ’n Roll Geschäft. Die Show von Muse ist ganz sicher eine davon. Ob diese Überinszenierung am Ende wirklich auch dem Konzerterlebnis gut tut, sei dahingestellt. Da es sich bei dem aktuellen Album „Drones“ um ein Konzept handelt, das von der Tour untermauert wird, schweben natürlich gleich zu Beginn 12 Drohnen in den Saal über dem Publikum. Auf dem Screen an der Decke erscheinen Sätze, zu welch schrecklichen, kriegerischen Vorfällen es bereits durch Drohnen gekommen ist. Damit es nicht auch in der Halle einen ähnlichen Vorfall wie in London gibt, wo kürzlich eine Drohne in die Fans gestürzt ist, wird eine komisch blinkende Kugel direkt aus dem Verkehr gezogen. Die Band erhebt sich dabei langsam aus den bombastischen Bühnenaufbauten mit runder, rotierender Bühne in der Mitte und zwei langen Stegen, die direkt ins Publikum rein ragen. Auffällig dabei der LED leuchtende Basshals von Chris Wolstenholme, der aussieht als hätte er ihn von George Lucas zum Geburtstag geschenkt bekommen. Nicht das einzige Kitch-Element an diesem Abend.
Nach „Drones“ kracht es dann mit „Psycho“ so richtig los. Dominic Howard gibt in der Mitte sitzend den Beat an und treibt mit seinem Schlagzeug Matt Bellamys Gitarre so richtig schön vor sich her. Die Masse um die ausladende Bühne herum ist vom ersten Ton an infiziert. Matt Bellamy läuft jeden Meter der Bühne ab und versucht allen Fans in der ausverkauften Halle gerecht zu werden. Der Jubel verlagert sich hörbar von links nach rechts, wenn er die Laufstege hoch und runter powert.
Bis auf ein kurzes „Hello Berlin“ spielt sich die Band ein bisschen zu professionell durch das neue Album und durch ihre Hits. Alles ist perfekt inszeniert, ein bisschen zu perfekt. Ich fühle mich an Timm Thaler erinnert, der sein Lachen verkauft hat und dadurch seelenlos geworden ist. Ein wenig wirkt auch die Inszenierung seelenlos, Kitsch und Bombast halten sich dabei die Waage. Die überdimensionale Bühne ist auch ein bisschen Schuld daran, da die einzelnen Musiker ein wenig verloren wirken. Es entsteht keine kompakte Einheit, nicht der Eindruck einer Band. Jeder spielt ein bisschen für sich, das natürlich ganz exzellent, dabei ist Matt Bellamy der unangefochtene, umjubelte Star, der mal alles aus seiner Gitarre raus holt und mal – für weitere Kitschmomente sorgend — an dem Klavier sitzend Balladen trällert um danach im wahrsten Sinne des Worts samt Klavier im Boden zu versinken.
Das alles scheint die Fans aber wenig zu stören. Bei „Uprising“ ist der absolute Höhepunkt erreicht. Es wird gesungen was das Zeug hält, gehüpft und wo ein bisschen Platz ist auch getanzt. Die Halle bebt und wieder schaut man ein bisschen neidisch von seinem Pressearbeitsplatz in die Menge. An Effekten werden alle Register gezogen, die Drohnen leuchten mittlerweile Bunt, die Bühne erstrahlt in poppigen Farben und erinnert irgendwie an das Melodie-Spiel „Sense“ aus den 80ern. Projektionen untermalen die Songs, wobei der eindrucksvollste Effekt bei „The Handler“ entsteht, wenn Matt Bellamy und Chris Wolstenholme wie Marionetten an Laser-Fäden hängen. Man fragt sich, wer da wohl die Strippen bei den beiden zieht.
Nachdem ein überdimensionaler Jet durch die Menge geschwebt ist und riesige weiße Ballons, endet die fast zweistündige Show mit „Knights of Cydonia“. Natürlich nicht ohne noch vorher zu „Mercy“ das mittlerweile übliche Konfetti-Feuerwerk abzuschießen, diesmal gepaart mit Luftschlangen. Ein Spektakel geht zu Ende. Matt und seine Bandkollegen, joggen von der Bühne durch den Graben, da werden noch mal die Fans in der ersten Reihe abgeklatscht und auch noch mal ein Selfie gemacht. Trotzdem hat man den Eindruck, die Band kann nicht schnell genug durch den Hinterausgang in den Tourbus. Alles in allem eine beeindruckende Show, trotz allem aber ein bisschen zu wenig Musik mit Seele. Man wünscht sich für die die Band, dass sie sich nicht ganz dem Kommerz verkaufen und irgendwann wir Timm Thaler ihr Lachen zurück bekommen.

War dabei: Kate Rock