Mika hat eine treue Fanbase. Wo auch immer auf der Welt der 26jährige
Popstar auftritt, kann man schon zu frühen Stunden originell gekleidete Menschen jeden Alters vor der Location antreffen. Im Rahmen seiner rund zwei Jahre dauernden Tournee zu seinem ersten Album „Life in Cartoon Motion“, wurde es unter hart gesottenen Fans zur Tradition, sich als eine der Phantasiefiguren zu verkleiden, die Mikas selbst kreierte Cartoonwelt bevölkern – als Lollipop Girl im rosa Taftkleid ebenso wie als Gray Skelly, dem sympathischen Tod im Zylinder.
Passend zu seiner aktuellen Single „We Are Golden“, dem Vorboten zum am 18. September erscheinenden zweiten Album „The Boy Who Knew Too Much“, ist alles was glitzert und glänzt das Thema. Und so hat sich an diesem Sonntag auch vor dem Atomic Café in München, in dem Mika ein exklusives Radiokonzert im Rahmen des Bayern 3 Live Clubs spielen wird, ein illustres Grüppchen versammelt. Sie tragen goldene Blusen, goldene Hütchen mit bunten Federn und eine ordentliche Portion Glitter im Gesicht, vor den Türen hängt eine Kette aus goldenen Luftballons, auf denen das Motto des Abends prangt: „WE ARE GOLDEN!“
Das Atomic Café fasst knapp 300 Leute, ein intimer Rahmen, um einen Popstar zu erleben, der im letzten Sommer in Paris das Parc des Princes Stadium mit über 50 000 Leute füllte. Karten für dieses Konzert gab es nur zu gewinnen. Umso größer war die Verzweiflung im Fanforum, also nur drei Mitglieder zu den glücklichen Gewinnern der begehrten Karten gehörten. Über Twitter wurde Mika eine Nachricht gesendet mit der Bitte, weiteren Anhängern Einlass zu gewähren. Mika, nahbar und generös wie er ist, antwortete prompt: „Yes, will try to sort out.“ Und er hält Wort.
An seiner Musik scheiden sich bekanntermaßen die Geister. Vielen ist sie zu poppig, zu gefällig, zu eingängig. Einen Mika Song einmal gehört zu haben, reicht in der Regel, damit er einem für eine Woche im Kopf stecken bleibt. Aber Mika ist kein Produkt der zweifelhaften Popindustrie unserer Zeit, kein hübsches Gesicht, dem gewiefte Produzenten ein paar vorproduzierte Hits und ein trendiges Outfit verpasst haben. Das, was er tut, tut er aus voller Überzeugung. Gegenüber dem UK Magazin „The Observer Music Monthly“ sagte er: „I fully embrace the fact that I make pop music. I am totally unashamed of that.“
Auch auf der Bühne schämt sich Mika nicht, den Entertainer zu geben. Zu Beginn des Konzerts macht er unmissverständlich klar, was er von seinem Publikum erwartet: „It’s 50 percent with us but the other 50 percent is with you.“ Die Botschaft überträgt sich schnell auch über die ersten goldenen Reihen hinaus, es wird geklatscht und mitgesungen was das Zeug hält, und Mika fordert immer noch mehr, er feuert immer wieder an, wirft Konfetti und Luftballons in die Menge – er ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Stimmungskanone. Bereits nach dem ersten Lied ist sein Hemd unter dem gestreiften Jackett schweißdurchtränkt, aber Aufforderungen aus dem Publikum, sich auszuziehen, kommt er nicht nach. Man sei ja schließlich nicht bei den Chippendales, erklärt er.
Aber auch das ist typisch für Mika. Zu seinem Image als Sexsymbol hat er selbst nicht viel dazu getan. In seinem aktuellen Video zu „We Are Golden“ tanzt er zwar nackt bis auf die Unterhose auf dem Bett eines Jugendzimmers, aber diese Dinge geschehen bei ihm immer mit einem Augenzwinkern. Es geht nicht um die Zurschaustellung seiner körperlichen Reize, sondern um die Unterstreichung der Message, die sich auch durch seine Musik hindurchzieht: Ich bin so wie ich bin, so mag ich mich, und so habt ihr mich auch zu mögen. Dass er sich den Weg zu dieser Einstellung hin hart erkämpft hat, daraus macht Mika kein Hehl. In Interviews erzählt er gern, wie er als Kind gehänselt wurde, dass er eine Lernschwäche hat und in der Schule ein Außenseiter war.
Vielleicht ist genau das der Schlüssel zu seinem Erfolg. Mika hat das erreicht, was er sich immer gewünscht hat: sich in einem harten Geschäft wie der heutigen Popindustrie als der durchzusetzen, der er ist und dafür geliebt zu werden. Und diese Liebe gibt er genau so an sein Publikum weiter. Egal wie du aussiehst, ob Du dick bist oder dünn, egal welche Klamotten Du trägst, wie alt Du bist und was Dein Beruf ist – solang Du bereit bist, Dich seiner Musik hinzugeben und den Augenblick mit ihm zu leben, liebt Mika Dich.
21.30 Uhr. Nach etwas über einer Stunde verlässt Mika die Bühne des Atomic Café, auch langanhaltende Rufe aus dem Publikum können ihn nicht zu einer zweiten Zugabe bewegen. Seit Juni diesen Jahres ist Mika unterwegs, um di Welt auf das Erscheinen seines zweiten Albums vorzubereiten. Er wirkt müde und etwas unkonzentriert, als er sich auf der Straße seinen Fans zeigt, gibt aber geduldig Autogramme und nimmt Geschenke entgegen. Vom Fanclub bekommt er ein gebundenes Buch mit selbst gemalten Illustrationen, originalgetreu nachempfunden dem Buch zu seiner im Juni erschienenen „Songs for Sorrow“ EP. Voller Begeisterung hätte er gerne noch eins für seine Schwester, aber er möchte es kaufen, denn er weiß den Wert der Dinge zu schätzen. Der Junge hat auch noch Anstand. Es ist kaum auszuhalten.
Bericht: Gabi Rudolph
Fotos: © Michaela Marmulla
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