Mit „Good Times“ bringt die schwedische Band Mando Diao nach drei Jahren ein neues Album heraus. Viel ist seitdem passiert. Dass es die Band überhaupt noch gibt, ist nicht selbstverständlich. 2015 ist nach fast 20 jährigem Bandbestehen Gitarrist und Leadsänger Gustaf Norén ausgestiegen. Viele Bands lösen sich nach so einem Einschnitt auf, nicht so Mando Diao. Sie sortieren sich neu, engagieren mit Jens Siverstedt einen neuen Gitarristen, Björn übernimmt alleine die Rolle des Leadsängers und zum ersten Mal in ihrer Bandkarriere schreiben sie alle gemeinsam an den neuen Songs. Der Albumtitel „Good Times“ wirkt daher nicht nur aufgrund der aktuellen Weltsituation fast trotzig. Ob hinter dem Titel wirklich eine Kampfansage für gute Zeiten steckt, verrät mir die Band in einem launigen Interview.
Wie fühlt es sich an, so kurz bevor euer neues Album raus kommt?
Carl-Johan (CJ): Ziemlich gut muss ich sagen, es ist eckig, und hat ein schönes Cover (lacht).
Björn: Das ist das erste Mal, dass wir eine Platte pünktlich fertig bekommen haben. Normalerweise bekommt man immer Deadlines vom Label gesetzt. Dieses Mal haben wir uns von all dem Druck von außen unabhängig gemacht und uns unsere eigene Deadline gesetzt. Wir waren total heiß darauf, endlich wieder mit dem Schreiben anzufangen. Also haben wir uns für eine Zeit in die Schwedische Abgeschiedenheit zurückgezogen und selbst unser dreckiges Geschirr gespült. Und unser Plan ist aufgegangen.
Jens: Es fühlt sich einfach super gut an, endlich mit den neuen Songs raus zu kommen und die Reaktion der Fans zu sehen.
Ich habe euch vor kurzem bei dem kleinen Showcase hier in Berlin gesehen. Ihr habt den Eindruck gemacht, als hättet ihr total viel Spaß, endlich wieder auf der Bühne zu stehen.
Björn: Das stimmt, wir haben gerade die beste Zeit unseres Lebens. Ich hoffe nicht, dass das schon der Gipfel unserer Karriere ist, aber es fühlt sich gerade super an. Vor allem was die Chemie angeht und die Freundschaft innerhalb der Band. Das genießen wir gerade sehr.
Wie schafft man es über so einen langen Zeitraum eine Band zusammen zu halten und Freunde zu bleiben, ihr hattest ja auch schon ein paar Ups und Downs?
Björn: Das wichtigste ist, dass man einander respektiert und aufeinander aufpasst. Zum Beispiel gestern Abend, als Patrick, CJ und ich ziemlich betrunken waren (Anm: die Band hat den 40. Geburtstag ihres Schlagzeugers gefeiert) haben wir uns ein bisschen einsam gefühlt und sind alle zusammen ins gleiche Bett gekrochen (alle lachen). CJ wollte immer in der umgekehrten Löffelchen Position schlafen, das war etwas ungemütlich. Aber genau so ist das bei uns, wir sind wie eine Familie und passen aufeinander auf.
Haltet ihr auch den engen Kontakt, wenn ihr nicht zusammen aufnehmt oder auf Tour seid?
CJ: Wir leben nicht mehr alle in der selben Stadt, aber wir rufen uns dann fast täglich an.
Björn: Die meisten von uns haben mittlerweile Familien. Die Band ist da wie eine zweite Familie.
Jens: Aber auch innerhalb der Band ist dauernd etwas los, weswegen wir in Kontakt bleiben. Es wird uns niemals langweilig.
Björn: Die Band macht es einem wirklich leicht im Jetzt zu leben und den Moment zu genießen. Es wird niemals zur Routine. Zum Beispiel als Gustav die Band verlassen hat, haben wir uns für ein paar Tage überlegt, wie es weiter geht. Wir hatten zu der Zeit schon 20 Festivals gebucht, die haben wir dann angefragt, ob sie uns trotzdem noch haben wollten. Und alle wollten. Da war klar, die Band wird es weiter geben. Dann haben wir Jens getroffen. Also, es ist immer etwas los und es gibt immer gemeinsam Entscheidungen zu treffen.
Hast Du dich sofort wohl und aufgenommen in der Band gefühlt, Jens? Es ist ja oft schwer in so einen so eingeschworenen Kreis neu dazu zustoßen.
Jens: Die Jungs haben es mir sehr einfach gemacht. Sie haben mich von Anfang an der sein lassen, der ich bin. Sie haben mir sofort die Möglichkeit gegeben, mich einzubringen. Ich bin wahnsinnig Stolz, Teil von Mando Diao zu sein und meinen Beitrag zu dem Album geleistet zu haben. Ich hätte nie gedacht, mal mit so einer Band auf so großen Bühnen zu spielen. Es ist eine wunderbare Reise, auf der wir da zusammen sind.
Björn: Er hat sofort zu uns gehört. Endlich haben wir mal einen richtig guten Gitarristen in unserer Band (lacht). Jens hat seinen ganz eigenen Stil und wir haben endlich jemand gefunden, der sich wirklich einbringt und sich mit um den Sound kümmert.
Obwohl ihr das Album in einer neuen Konstellation aufgenommen habt, hört sich „Good Times“ für mich ein bisschen nach zurück zu den Mando Diao Wurzeln an.
Björn: Wenn man Musik macht, muss man immer zurück zu seinen Wurzeln gehen. Du musst zu den Wurzeln deiner Seele und zu deinem Herzen. Es gibt verschiedene Herangehensweisen. Unser letztes Album war eher wie ein Puzzle, viele Einzelteile, viel wurde programmiert. Dieses Mal hat es viel mehr über unsere Chemie als Band funktioniert. Wir haben im Studio viele Lievetakes eingespielt, es war also sehr direkt.
CJ: Man ist im selben Raum, schaut sich in die Augen und dann geht es los. Da sitzt nicht jeder in seinem Kämmerlein und bastelt vor sich hin.
Es ist doch sicherlich wahnsinnig schwer, wenn man schon über 20 Jahre im Geschäft ist, die richtige Balance zu finden zwischen sich selbst treu bleiben und sich weiter entwickeln?
Björn: Ja absolut.
CJ: Wir hören viel aktuelle Musik und schicken uns ständig Songs hin und her, die wir mögen. Man muss immer neugierig bleiben. Das ist das Wichtigste. Auch wenn wir alle unsere Wurzeln haben, die Musik, mit der wir aufgewachsen ist, darauf greifen wir auch immer zurück. Am Ende ist es die richtige Mischung, die man finden muss.
Björn: Egal, wie alt man ist und was man tut, man sollte immer neugierig bleiben. Wenn die Sendung im Fernsehen am Freitag dein einziges Highlight der Woche ist… oh man, dann solltest du dir Gedanken über dein Leben machen.
Jens: Am Anfang war ich irritiert, als jemand gesagt hat, das Album klingt nach „back to the roots“. Ich dachte sie meinen damit, dass wir ein Copy/Paste Album gemacht haben. Aber es ist eigentlich immer im Kontext gemeint, dass man uns als Band wider erkennt und das ist natürlich etwas Gutes.
Ihr habt gesagt, ihr wurdet für das Album von Dance Musik inspiriert. Geht ihr selbst immer noch in Clubs?
Björn (lacht): Oh wir mögen vor allem die Clubs hier in Berlin.
Jens: Wir hatten mal eine Zeitlang so ein Armbändchen vom Berghain. Wir lieben diesen Club und gehen immer wieder gerne dort hin.
Björn: Tanzmusik ist ein ganz großes Ding. Damit wird die Musik am Ende lebendig. Wir wollten ein tanzbares Rock Album machen. Die Musik, die wir früher schon als Kinder geliebt haben. Rock Musik, zu der man einfach gerne tanzt. Rock kann manchmal ein bisschen stumpf sein. Man muss einen Groove finden, der den Song nach vorne bringt.
CJ: Selbst für einen Bassisten ist es total langweilig, wenn es nicht eine Melodie hat sondern nur ein eintöniges boom, boom, boom ist.
Der erste Song auf der Platte, „Break Us“, fängt eher langsamer an und haut dann richtig rein. Hattet ihr irgendwann mal Sorge, in irgendeiner Form gebrochen zu werden?
Björn: Jens, sag du was dazu, du hast ihn geschrieben.
Jens: Es ist ein Liebeslied. Ich habe ihn über eine alte Beziehung geschrieben. Aber die Schönheit an einem Song ist es, dass er sich verändern kann. Jetzt ist er ein Song der Band und hat für jeden eine andere Bedeutung. Man sollte einen Song nicht erklären, jeder sollte die Möglichkeit haben, seine eigene Story dort hinein zu interpretieren.
Björn: Für mich ist der Song sehr symbolisch für die Band. Es ist wie ein Vorspiel. Für mich geht es um den Zusammenhalt als Band, „you can’t break us“.
Braucht ihr immer bestimmte Anlässe in eurem Leben, um darüber zu schreiben?
Jens: Man muss leben und die Augen offen halten, dann begegnet dir immer etwas über das man schreiben kann.
CJ: Wir sind ständig auf Achse, da haben wir so viele Inspirationen. Ich habe früher klassische Musik gelernt. Die Kids dort haben bis zu 8 Stunden am Tag geübt und nichts anderes gemacht. Sie hatten sicherlich die perfekte Technik. Es hat sich aber alles so klatt und langweilig angehört. Viele spielen mittlerweile in Orchestern. Wenn man ein Solist ist, muss man raus und etwas vom Leben mitbekommen, da muss man auch mal in eine Bar und sich betrinken. Ganz ernsthaft, so muss das sein. Diejenigen, die sich manchmal wie Arschlöcher benommen haben, haben das interessantere Zeug gespielt. Einfach weil sie was vom Leben mitbekommen haben.
Björn: Das war die Herangehensweise an unser Album, dass wir das was wir tun mit voller Inbrunst tun und aus dem Bauch heraus.
Jens: Man muss ehrlich mit sich und der Band sein. Die Songs sind alle aus einer ganz tiefen Ehrlichkeit heraus entstanden. Wir waren mit jedem Song sehr ehrlich. Wir haben jede Entscheidung zusammen getroffen.
Ist das für euch einfach, gemeinsam Entscheidungen zu treffen? Da treffen ja sicherlich viele verschiedene Charaktere und Meinungen aufeinander? (Einheitliches Nicken)
Björn: Ja, es war einfach, weil wir von vorneherein gesagt haben, wir werden alles testen und dann gemeinsam entscheiden. Natürlich war es nicht immer eine einfache Reise und es gab auch mal Diskussionen.
CJ: Dass wir alles ausprobieren, war unsere oberste Regel im Studio.
Aber wie genau funktioniert das Ausprobieren?
CJ: Wenn wir unterschiedliche Varianten für einen Song hatten, zum Beispiel zwei unterschiedliche Bass-Lines, dann haben wir beide Versionen eingespielt und dann zusammen entschieden. Dabei wird ziemlich schnell klar, was besser ist. Das ganze Album ist nach diesem Prinzip entstanden. Das ist einfacher besser, als zwei Stunden zu diskutieren und sich die Köpfe einzuschlagen.
Jens: Verrate unseren Trick aber nicht den anderen Bands. Das ist unser Geheimrezept.
Björn: Bei „Without Love“ war das allerdings ein bisschen anders. CJ hatte so eine klare Vision von dem Song und kam schon mit einem vorproduzierten Demo an.
CJ: Ja, bei dem Song haben wir unsere Regel nicht angewandt. Ich habe den Jungs gesagt, ihr könnt das gerne versuchen, aber der Song ist genau richtig, wie er ist.
Björn: Das ist auch so ein Ding bei uns in der Band, obwohl wir sehr demokratisch entscheiden, hat derjenige, der den Song schreibt, das letzte Wort.
Ich dachte der Leadsänger hat immer Recht? Das habt ihr in einem Video gesagt. (Alle lachen)
Björn: Woooo …. Wer hat das gesagt? Wirklich?
CJ: Ja stimmt, das ist in dem Video auf unserer Website. Der Leadsänger bekommt natürlich die größte Suite im Hotel. Nein im Ernst, das letzte Wort hat der, der den Song geschrieben hat. Wir tun nur so, als hätte Björn immer Recht.
„Good Times“ als Titel hört sich fast trotzig an. Als würdet ihr dazu aufrufen, gute Zeiten zu haben. War das die Idee hinter dem Album?
Björn: Die eigentlich Idee war, etwas sehr Ungefiltertes und Individuelles zu machen.
Jens: Der Single Titel hat eine andere Bedeutung, aber im Kontext des Albums ist uns wichtig, dass man eine gute Zeit hat. Gerade jetzt sollte man nicht den Kopf in den Sand stecken und sollte erst recht eine gute Zeit haben. Man kann sich nicht immer nur über alles beschweren. Es wird immer so viel auf das Negative fokussiert, das macht einem das Leben schon schwer genug. Erzählt uns von den schönen Dingen, erzählt uns von einer tollen Platte, die du gehört hast oder von deinem Fußballteam, das gerade gewonnen hat. Die schlechten Nachrichten nehmen überhand und machen nur noch unglücklicher. Die Menschen sollen sich einfach ein bisschen mehr an dem Schönen erfreuen. Natürlich gibt es immer beide Seiten und man darf die andere Seite auch nicht ignorieren.
Björn: Es klingt in der heutigen Zeit vielleicht etwas provokant, die Leute dazu aufzufordern, das Leben zu genießen. Aber wenn wir das nicht tun, überleben wir nicht. Wir dürfen die dunkle Seite nicht gewinnen lassen. Ehrlicherweise ist es für Rock Bands sogar einfacher über etwas trauriges oder negatives zu singen. Mein Eltern sind auch Musiker und waren früher in der Linken Partei sehr aktiv. Die Musik meines Vaters war immer geprägt von politischen Aussagen. Irgendwann hat er die Freude und den Spaß daran verloren und hat aufgehört Musik zu machen. Ich möchte nicht, dass mir das irgendwann passiert.
Jens: Ich mag es auch nicht, wenn ich zu oft gesagt bekommen, was ich denken oder fühlen soll. Dann höre ich irgendwann weg, selbst wenn die Message sehr positiv ist. Wenn die Texte zu ernst werden, kann das sogar ein Gatekeeper sein, dass man sich auf die Vibes der Musik einlässt.
Es gibt doch auch nichts besseres für eine Band als das Gefühl zu haben, man hat den Menschen ein bisschen Freude und eine gute Zeit beschert. Wenn Menschen ein Konzert verlassen und lächeln ist das ein riesen Kompliment.
CJ: Es hört sich fast blöd und naiv an, wenn man so etwas sagt. Aber ich könnte dem nicht mehr zustimmen. Genauso ist es.
Björn: Wenn ich mir meine beiden Kinder anschaue, die sind dauernd damit beschäftigt sich auszudenken, was sie als nächstes lustiges machen können. Wenn man Erwachsen wird, vergisst man das total. Das Leben hat sowieso schon so viel Ärger parat. Wenn man sich dann auch noch selbst das Leben schwer macht, hat man keine Kraft mehr gegen das Unschöne zu kämpfen.
Jens: Man sagt ja immer, man braucht 10 Gute Komplimente um ein schlechtes auszugleichen. Unsere Platte hat 12 Songs, also hast du schon mal genügend Komplimente, um jedes Negative auszugleichen (lacht).
Die Art wie ihr eure Songs aufgenommen habt, ist ja fast schon prädestiniert dazu, sie live zu spielen.
Björn: „Good Times“ zum Beispiel war nicht so schwer live zu spielen, wir waren ein bisschen nervös, bevor wir ihn das erste Mal ausprobiert haben. Der Song ist von seiner Struktur her sehr simpel und manchmal sind das die schwierigsten Songs. Jetzt ist es ein wirklich guter Live-Song. Der ganze Song ist übrigens ganz unerwartet entstanden. Ich war mit Simon, unserem ehemaligem Drummer Kaffee trinken. Er hatte zuvor noch nie einen Song geschrieben. Auf einmal trommelte er einen Rhythmus vor sich hin und ich habe dazu improvisiert und dann haben wir auf einmal zusammen diesen Song geschrieben. Aber das ist das Wunderbare im Leben, die überraschenden Dinge, mit denen man nicht rechnet.
Ihr spielt zur Zeit Showcases in kleinen Clubs. Im Sommer spielt ihr ein paar Festivals. In Deutschland seid ihr auf dem Hurricane und dem Southside zu sehen. Ist das nicht ein riesen Unterschied, plötzlich in so einer intimen Atmosphäre zu spielen?
Björn: Oh wir lieben das. Wir wollten diese kleinen Konzerte unbedingt spielen. Wir lieben es live zu spielen. In den Clubs bekommt man so viel Energie aus dem Publikum zurück und man sieht die Reaktionen und den Schweiss. Das ist großartig.
Kommt ihr denn auch auf Tour nach Deutschland?
CJ: Ja, wir sind gerade in Tour-Planung für den Herbst. Da kommen wir dann auch auf jeden Fall nach Deutschland.
Super, da freuen wir uns jetzt schon drauf. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für das neue Album!
Das neue Mando Diao Album „Good Times“ erscheint am 12.05.2017 bei BMG Rights Management.
Interview: Kate Rock