Als Marie Fisker und ich uns in Berlin treffen, ist kurzfristig der Sommer zurückgekehrt. Es ist das letzte Wochenende der Popkomm, und sie ist zum ersten Mal in Berlin, um ihr Album „Ghost Of Love“ live zu präsentieren.
In Treptow scheint die Sonne über dem Badeschiff, Marie trägt Sonnenbrille, offene Schuhe und eine Strickjacke, die sie während des Gesprächs auszieht. „Ich hätte meinen Badeanzug einpacken sollen“, sagt sie und bestaunt die badenden Berliner, Überbleibsel des Sommers. Außerdem hat sie Lust auf Grapefruitlimonade.
Einzug in die Herzen unserer Redaktion hielt Marie Fisker im März dieses Jahres, als sie mit Helgi Jonsson auf Tour ging und in Stuttgart ein Konzert vor legendären 20 Leuten spielte. Ich erzähle ihr, dass unser berichtender Redakteur heute noch in sie verliebt ist, und Marie strahlt. „Das war ein seltsames Konzert, ja! Aber auch schön. Es waren wirklich sehr wenige Leute da. Es war ein wenig wie eine Geburtstagsparty, wir haben uns hinterher alle mit Handschlag voneinander verabschiedet. Ich habe sehr viele schöne Erinnerungen an diese Tour, auch wenn manchmal nicht so viele Leute bei den Konzerten waren. Überhaupt spiele ich sehr gerne in Deutschland.“
Damals gab es Maries Debutalbum „Ghost Of Love“ nur auf den Konzerten und als Import zu kaufen, seit August ist es endlich auch in Deutschland erhältlich. Aufgenommen hat sie es in ihrem eigenen Studio in Kopenhagen, das sie sich über die letzten zehn Jahre hinweg aufgebaut hat. „Seit gut fünf Jahren ist es fertig, ein richtig gutes Studio ist es geworden. Aber alles hat ganz klein angefangen.“ Überhaupt nimmt Marie sich gerne Zeit. Auch wenn sie spricht, macht sie zwischendurch Pausen, überlegt, sieht lange in die Ferne. „Ich bin sehr langsam, was das Song schreiben angeht“, schmunzelt sie. „Aber ich wollte mir generell viel Zeit lassen. Wir haben viel experimentiert. Ich habe zum Beispiel zum ersten Mal selber Mundharmonika gespielt. Erstaunlich war nur, dass letztendlich viele der ursprünglichen Aufnahmen genau so auf dem Album gelandet sind.“
„Ghost Of Love“ wurde in Deutschland viel und vor allem sehr positiv besprochen. Marie freut sich natürlich darüber. „Ich lese alles, was geschrieben worden ist. Es dauert ein wenig, weil ich mich mit Google Translator durcharbeiten muss, aber es ist wunderbar zu sehen, wie toll die Platte aufgenommen wird.“ Dass dabei Vergleiche nicht ausbleiben, stört sie nicht, auch nicht, dass ich direkt meine persönlichen Assoziationen wie Mazzy Star und The Velvet Underground dazu werfe. „Vergleiche sind in Ordnung“,sagt sie. „PJ Harvey kommt meist als erstes. Ich liebe PJ Harvey, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, dass sobald eine Frau mit Gitarre auftritt, sie automatisch mit PJ Harvey verglichen wird. Aber manchmal lese ich auch schräge Sachen. Björk zum Beispiel. Der seltsamste Vergleich war bis jetzt wohl der mit Alanis Morissette. Das fand ich dann doch etwas absurd.“
Ihren eigenen Musikgeschmack bezeichnet Marie als nostalgisch. Dementsprechend sind Einflüsse von Johnny Cash, Lou Reed und Bob Dylan auf „Ghost Of Love“ unüberhörbar. Das Besondere an Marie ist jedoch eindeutig ihre Stimme. Tief ist sie, aber dennoch voll und warm. Mich interessiert, ob sie bei den Aufnahmen zum Album auch mit ihrer Stimmlage experimentiert hat. Sie verneint. „Es fühlt sich ganz natürlich an, dass sie so tief ist. Das kommt automatisch so. Ich glaube, es liegt daran, dass ich als Mensch eher der Typ bin, der weit oben in den Wolken wandelt. Tief zu singen gibt mir ein Gefühl von Erdverbundenheit. Auf der anderen Seite kenne ich viele Menschen, die sehr hoch singen und privat eher geerdete Persönlichkeiten sind.“
Diese ganz besondere Stimme ist auch im Song „Sycamore Feeling“ des dänischen Electro-Produzenten Trentemøller zu hören, mit dem Marie Fisker vor kurzem auch in Deutschland auf Tournee war. Was auf den ersten Blick wie eine ungewöhnliche Kombination klingt, funktioniert offensichtlich sehr gut. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl bei dem Song, er fühlt sich ehrlich an“, sagt sie und gerät ins Schwärmen. „Es macht wahnsinnig viel Spaß mit ihm zu arbeiten. Er ist einer der nettesten Menschen, die ich kenne. Außerdem ist er auch sehr nostalgisch, wir haben also mehr gemeinsam, als man denkt. Das erste Mal sind wir zusammen beim Roskilde Festival aufgetreten, vor 50 000 Leuten. Das war total verrückt. Er hat diese unglaubliche Energie, die alle Leute wahnsinnig macht, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine unglaubliche Erfahrung.“
Zurzeit arbeitet sie an ihrem zweiten Album. Mit nicht weniger Ruhe, aber dennoch erzählt sie stolz, dass die Arbeit etwas schneller voranschreitet als bei „Ghost Of Love“. Wir trinken gemütlich unsere Limonade aus und plaudern noch ein wenig. „Ich liebe Kopenhagen“, sagt Marie. „Aber Berlin ist wirklich toll.“ Und die Spree glitzert in der Sonne, dass es nur so eine Freude ist.
Interview: Gabi Rudolph
Fotos (c) Lynn Lauterbach