Weg von der Norm, hin zum Morbyismus
Eigentlich läuft ja jeder Tag gleich ab. Deshalb nennt man das auch Alltag. Außer wir haben Wochenende – das ist dann eher die Ausnahme, wenn auch eine wiederkehrende. Als Kevin Morby in Berlin die Bühne betritt, ist das an so einem tagtäglichen Part der Woche. Nichts deutet auf ein Ausschlagen der Normalitätswelle hin, außer vielleicht der Umstand, dass man sich hier freiwillig unter der Woche in einen engen Raum drängt und dass keine U-Bahn ist. Dieser Drei-Meter-Mann (Schätzung) auf der Bühne sieht auch viel besser gekleidet aus.
Ganz in weiß, mit aufgebügelten Kerzen-, Stern- und Handsymbolen, sitzt er mal an einem wackeligen Keyboard, mal hüpft er von einem Bein auf das andere neben Fake-Kerzen und Blumenbouquets entlang der Stage. Und das ist der Moment, in dem klar wird, dass es sich wohl nicht um diesen Durchschnittsteil der Sieben-Tage-Sache handelt.
Ich sag es mal ganz ehrlich: an diesem Abend im Heimathafen habe ich etwas entdeckt, was demnächst so auch im Duden oder Wikipedia nachzulesen sein dürfte. Der Morbyismus hat mich erleuchtet. Konvertiert jetzt alle, bitte. Kommt so heraus aus eurer Zeit als Tunnelmenschen, breitet euren Blick aus, lernt richtig zu hören. Kevin Morby ist extra aus Texas, Amerika angejettet, um uns seine Wahrheiten näher zu bringen.
Eigentlich hatte er vor, gänzlich Solo diesen Weg zu gehen, aber letztlich gesellen sich Trompete und Schlagzeug dazu. Zusammen dröhnen, predigen und schluffen sie sich durch ein knapp anderthalbstündiges Set, in dem es um das zu frühe Sterben, um das Sakrale in ihm, dir und mir geht. Es ist das, was man sicher einen Augenblick des Erkennens nennt. Denn nach diesem Ausnahmeabend ist so oberdeutlich: Das Besondere existiert. In der Musik. Und es kommt aus Texas und hat wirre Locken. Amen.
Fotos © Hella Wittenberg