Die US-Band The Dead Weather rocken das Astra Kulturhaus in Berlin.
Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit Jack White im Jahr 2002. Nach einem Konzert der White Stripes im mit 200 Leuten vollgepackten Hamburger „Logo“ schüttelte er mir die Hand, stellte sich mit „Hi, I’m Jack“ vor und fragte meine Begleiterin und mich mit aufrichtigem Interesse, wie uns der Abend gefallen habe. Ich habe zwei Nächte lang nicht geschlafen, da ich zu beschäftigt war, Heiratspläne zu schmieden.
Was das Heiraten angeht hat es glücklicherweise einen anderen getroffen. Den lernte ich kurze Zeit später kennen und und wir fuhren gemeinsam nach London, um uns die White Stripes in der Brixton Academy anzusehen. Die Brixton Academy fasst ungefähr das Zehnfache an Publikum wie das „Logo“ in Hamburg und wir hielten es genau zwei Lieder lang in der Menge aus, bis wir uns resigniert an den Rand verdrückten und zusahen, wie die Briten sich begeistert im Takt die Köpfe einschlugen. Zur Musik einer Band, von der vor knapp einem Jahr kaum jemand etwas gehört hatte.
Vielleicht habe ich mir ein bisschen zu sehr gewünscht, Meg und Jack würden für immer ein Geheimtipp bleiben und man könne noch Jahre später gemütlich ins „Logo“ gehen, um sie spielen zu sehen. Offensichtlich kann man nicht immer schimpfen, die gemeine Masse würde nur schlechte Musik hören. Manche Dinge sind einfach so gut, dass sie auch der breiten Öffentlichkeit nicht entgehen.
Seit diesem Jahr gibt es Jack Whites neuestes Bandprojekt, The Dead Weather. Alles nochmal von vorne? Nein, ein Geheimtipp sind The Dead Weather nicht wirklich. Jack White hat sich einen Grad von Berühmtheit erarbeitet, der jedes seiner Projekte automatisch auf einem anderen Niveau starten lässt, als es damals mit den White Stripes der Fall war. Und auch Alison Mosshart, die ich im selben Jahr wie die White Stripes erstmals in einem sehr kleinen, sehr leeren Münchner Club mit The Kills gesehen habe, ist inzwischen wohl so etwas wie ein Superstar. Es wurde also ein wilder Abend – und vor allem ein sehr lauter.
Spätestens als Alison Mosshart an den Rand der Bühne tritt und sich zu „60 Feet Tall“ auf den Monitorboxen in die Höhe streckt, gibt es im Saal kein Halten mehr. Frauen und Männer kreischen gleichermaßen ekstatisch auf, der Moshpit in der Mitte der Menge breitet sich gnadenlos aus, es wird gerockt, was das Zeug hält. Die nächste Runde Kreischalarm gibt es, als Jack White sich zum ersten mal für eine Gesangseinlage an den vorderen Rand der Bühne begibt. Bei The Dead Weather spielt er hauptsächlich Schlagzeug, weshalb er den Großteil des Konzertes eher im Hintergrund hinter einem Vorhang von Haaren verborgen bleibt. Ich gebe zu, ich kann es mir nicht verkneifen. Ich kreische munter mit.
Die Band macht kompromisslosen, zum Teil brettharten Rock, das dunkelblaue Bühnenlicht wird in regelmäßigen Abständen von wildem Stroboskopgewitter erhellt. Alison Mosshart windet sich in engen Röhrenjeans und einem löchrigen T-Shirt (von dem ich vermute, dass es mehr gekostet hat als mein komplettes Outfit) wie meine Begleitung es bezeichnet „voll pornomäßig“ über die Bühne. In einer Hand hält sie das Mikro, in der anderen fast ständig eine glühende Zigarette. Ich muss ein wenig schmunzeln als ich das sehe, da der vor uns stehende Security-Mitarbeiter noch vor dem Konzert verkündete, Jack White würde kränkeln und sie wären von daher angehalten, das Rauchverbot im Saal besonders streng durchzusetzen. Aber für Frau Mosshart gelten offensichtlich andere Regeln.
Das macht alles viel Spaß, denn alle Mitglieder von The Dead Weather sind ausgezeichnete Musiker und beherrschen ihr Handwerk ausgezeichnet. Ich mag die Songs, und ich mag es auch, dass sie musikalisch so gar nichts mit den White Stripes gemeinsam haben. Und wenn Alison und Jack sich zu „Will There Be Enough Water“ gemeinsam um ein Mikrofon schmiegen, kann man schon mal feuchte Hände kriegen. Die beiden sind einfach sehr sexy.
Aber ein klein wenig kalkuliert wirkt der Abend auch. Sie wissen einfach sehr genau, was sie tun, und sie tun es nicht zum ersten mal. Sie sind einfach keine kleine, dreckige Rockband, die sich aus den kleinen Clubs auf die großen Bühnen gekämpft hat, das haben alle Beteiligten bereits hinter sich. Wenn Alison Mosshart der Mikrofonständer von der Bühne fällt ist sofort ein beflissener Security zur Stelle, um ihn wieder aufzuheben. Und auch wenn sie sich gerne weit hoch auf die Monitorboxen begibt und provozierend nah am Bühnenrand balanciert, den Blick auffordernd ins Publikum gerichtet – springen wird sie nicht. Sehr schade, ich hätte sie gern aufgefangen. Jack White natürlich auch, aber bei ihm darf man schon froh sein, wenn man bei all den Haaren einen freien Blick auf sein Gesicht erhaschen kann.
Am Ende passiert dann doch noch etwas Unerwartetes. Obwohl das Saallicht brennt und die (übrigens sehr schick uniform gekleideten) Bühnenarbeiter das Equipment bereits abbauen, zeigt das Publikum sich lange Zeit nicht gewillt, den Saal zu verlassen. Sehr hartnäckig wird geklatscht, geschrien und gejohlt, und mein Herz beginnt ein wenig zu hüpfen. Werden die vier sich zu einer Zugabe abseits der Setlist bewegen lassen? Nach einiger Zeit betritt Jack White tatsächlich die Bühne und selbst die, die schon auf dem Weg zum Ausgang waren, drängen noch einmal nach vorne. Aber er lächelt nur milde und bedeutet uns mit Gesten, wir mögen nach Hause gehen. Es ist spät und er muss schlafen. Ja, auch Rockstars brauchen ihre Ruhe. Besonders wenn sie schon so viel erlebt haben wie Jack White.
Fotos (c) Katja Mentzel
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