K. Flay im Interview

k.flayDie aus Chicago stammende Kristine Flaherty alias K.Flay hat gerade letzte Woche ihr Album „Life As A Dog“ in Deutschland veröffentlicht. Im DIY Style entstand ihre erste Langspielplatte in L.A., nachdem die Künstlerin sich nach einer Vielzahl von Singles, EP’s, Mixalben und Kollaborationen von ihrem Major Label verabschiedete. Auf großen Tourneen mit Snoop Dogg, Passion Pit, Icona Pop, Theophilus London sammelte sich eine immer größer werdende Fanbase um K.Flay, die ihr mit einer Crowdfunding-Aktion innerhalb weniger Tage letztendlich sogar das Album finanzierte. Die Songs ihres Debüts „Life As A Dog“ sind voller exquisiter Wortspiele, smarten Raps und dieser mitreißenden Rastlosigkeit ihrer Generation, während sich der Sound selbstbewusst von keinem Genre eingrenzen lässt. Die 29-jährige Künstlerin hat ihre Liebe zum Rap entdeckt, während sie auf der renommierten Stanford Uni gleich zwei Abschlüsse in Soziologie und Psychologie machte. Im Interview haben wir uns mit der unglaublich sympathischen K.Flay über ihr Debüt in Eigenregie, 24/7 Energie, Literaturinspirationen und noch viel mehr unterhalten.

„Life As A Dog“ kommt jetzt auch nach Deutschland. Ein Jahr später als in den USA, aber dafür gepimpt mit ein paar Bonustracks. Wie ist es nach einem Jahr das Album nochmal neu zu präsentieren? Ist es für dich überhaupt noch aktuell?

Ich würde es so vergleichen: Du findest deinen Klamottenstil, kaufst dir einen neuen Sweater und trägst ihn zum ersten Mal, das fühlt sich ganz schön cool an. Ein Jahr später ist er Teil von dir. Er gehört einfach zu dir. So geht es mir mit dem Album. Obwohl ich das wohl eher nicht mit Kleidung vergleichen sollte, denn ich trage eh immer das Gleiche… Ich habe ein Paar Schuhe, eine Hose. Naja, egal. Was ich sagen will, das Album fühlt sich nach einem Jahr sogar noch viel passender an.

Fühlt es sich auch so sehr nach dir an, weil du es komplett in Eigenregie gefertigt hast? Ohne Majorlabel, das dir reinreden konnte.

Die Erfahrung, die ich mit dem Major gemacht habe, war wirklich nicht einfach. In den USA wird da als Künstler viel von dir erwartet. Du sollst dich anpassen und deinen Sound verändern, je nach Wunsch.

Das muss sehr erleichternd gewesen sein da auszubrechen.

Oh ja. Ich bin froh, niemals etwas rausgebracht zu haben, was ich hasse oder etwas, hinter dem ich einfach nicht stehe. Das hätte ich nicht gekonnt.

Aber hast du auch mal gezweifelt und überlegt, ob du doch einfach mitziehen und mitmachen sollst, um so den versprochenen Erfolg zu bekommen?

Ja, das habe ich. Bei einem Track habe ich genau das gemacht und ziemlich schnell gemerkt, dass das für mich nicht funktioniert. Das war so ziemlich der Auslöser für mich meinen eigenen Weg zu gehen.

Das hast du dann straight durchgezogen. Dein Album wurde letztendlich durch eine Crowdfunding-Aktion finanziert. Das heißt, du hattest schon von Anfang an den Support deiner Fans.

Ich war total nervös davor. Es ist schlimm genug die Leute dazu zu kriegen für eine Show zu bezahlen. Selbst dabei fühle ich mich schlecht, also kannst du dir ja vorstellen wie es mir hierbei ging. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich so die Leute involvieren kann. Ich habe viele von ihnen getroffen, wir haben abgehangen und Bier getrunken. So wurde ein wenig die Barriere zwischen Künstler und Fans gebrochen und es hat allen Spaß gemacht. Bei einer Show haben doch auch letztendlich alle, die vor Ort sind, das gleiche Ziel. Der Soundtyp, der Clubbesitzer, der Promoter, dein Agent, der Künstler, das Publikum, der Bartender: Alle wollen eine gute Zeit haben und eine gute Show erleben. So ging es auch allen mit der Arbeit an dem Album. Es sollte etwas Gutes dabei rauskommen und alle waren involviert.

Es ist interessant zu sehen wie deine Musik überall beschrieben wird: a fusion of Rock, Rap and Pop. Indie-Hiphop. Hiphop-Hybrid. Wie immer soll es eine Schublade geben. Aber ich habe das Gefühl du passt in keine rein und das ist gut so.

Ja! Ich weiß doch selber nicht wie ich es beschreiben würde. Meine Musik ist auf jeden Fall mehr Indie als früher. Der einzige Begriff, der sich einigermaßen richtig anfühlt ist vielleicht Alternative. Es ist kein Alternative Rock, aber eben Alternative im Sinne von anders. Es ist keine Rock-Platte, keine Hiphop-Platte, auch wenn ich rappe. Es ist kein Indie-Rock… Es ist irgendwie in einer anderen Sphäre. Ich wünschte es gäbe ein Wort dafür.

Ist doch auch ohne gut. So bleibt es mysteriös.

Aber was meinst du, was mir das für Kopfzerbrechen bereitet… Zum Beispiel bei Familienveranstaltungen. Wenn dich deine Verwandten fragen, hey, und was machst du jetzt so? Dann sage ich: Ich bin Musikerin. Und weiter gehen die Fragen: Oh, was für Musik machst du? Tja, dann kann ich nicht sagen, ich spiele dieses oder jenes Instrument. Live benutze ich eine Drum-Machine, einen Sampler und ich singe. Erklär das mal deinen Verwandten. Ich kann allerdings auch Gitarre, ziemlich schlecht Bass und auch schlecht Klavier spielen. Bevor ich mit meinem Drummer live gespielt habe, habe ich mehr Sachen live selber gemacht, aber das war immer sehr chaotisch. Wahrscheinlich auch ein bisschen langweilig für das Publikum, weil ich immer so gestresst war, um alles zu vereinen, so dass ich nicht wirklich performt habe. Das geht vielen elektronischen Künstlern so, glaube ich. Man ist so besessen darauf alles im Griff zu haben, jeden einzelnen Button zur richtigen Zeit zu drücken, so dass man vergisst, dass da noch viel mehr zugehört.

Wenn du deiner Familie erzählt hast, du bist Musikerin, haben sie dann versucht dich zu einem „richtigen Job“ zu überreden?

Überraschenderweise nicht. Meine Familie unterstützt mich sehr und findet es völlig in Ordnung, so lange ich über die Runden komme. Sie freuen sich, dass ich meinen Traum erfüllen kann, kreativ sein kann und dabei die Welt sehe. Mein Vater lebt nicht mehr und er war derjenige, der mir beigebracht hat Gitarre zu spielen. So ist es für meine Mutter und mich so, als würde er in meiner Musik weiterleben. Mein Vater war musikverrückt. Er ist alleine auf Konzerte gegangen. Wenn man das tut, dann mag man Musik wirklich sehr.
Hier in Berlin habe ich in den paar Tagen einige Shows in unterschiedlichen Locations gesehen. Ich war im Bi Nuu, in der Kantine am Berghain, im Magnet. Lustig war es, als im Bi Nuu auf einmal Casper für einen Song auf die Bühne kam und alle durchgedreht sind. Ich hatte keine Ahnung wer dieser Typ ist. Aber jetzt weiß ich es!

Als du dein Album geschrieben hast, bist du gerade von New York nach L.A. gezogen, stimmt’s?

Ja, das stimmt. Aber wenn man es ganz genau betrachtet, dann wohne ich eigentlich nirgends so richtig. Mein ganzer Kram befindet sich in einem Lager in New York. Seit zwei Jahren.

Du hast seit zwei Jahren deine eigenen Sachen weggeschlossen und ziehst so durch die Gegend? Fehlt es dir nicht einen Ort als zu Hause zu haben?

Ich habe so langsam echt keinen Bock mehr darauf. Ich denke es würde schon gut tun alles an einem Ort zu haben. L.A. macht gerade am meisten Sinn. Das ist mein Plan. Bisher habe ich immer bei Leuten als Untermieter gewohnt, viel Airbnb gemacht, oder bin bei Freunden untergekommen. Es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich, egal wo ich auf der Welt lande, klar kommen würde. Ich brauche nicht viel zum Leben. Das ganze Zeugs ist irrelevant. Jetzt, wo ich diese Erkenntnis habe, würde ich allerdings schon gerne mal meinen eigenen Ort haben und dort Kunstwerke meiner Freunde an die Wand hängen. Ich habe so viele Sachen gesammelt, aber ich weiß im Moment eben nicht wohin damit. Irgendwann werde ich damit meine eigene Wohnung einrichten.

L.A. vs New York. Sonnig vs schattig, zwei total verschiedene Lifestyles. Zu welcher Stadt fühlst du dich mehr hingezogen?

L.A. Das Wetter dort ist zwar gut, aber trotzdem hat die Stadt eine dunkle Seite, die fast noch dunkler ist, als die von New York. In New York hat man dieses ständige Treiben, Gedränge und Gewühle, 24/7. Du hast alle Möglichkeiten, alle Läden sind ständig offen, auch die Bars sind bis morgens früh um 5 auf. Non-stop, die Stadt, die niemals schläft. Was einen natürlich auch überwältigen kann. In L.A. ist man da mehr eingeschränkt, so dass man für sich selber besser eine Balance finden kann. Man ist viel mehr draußen und Gesundheit und Fitness ist super wichtig. Das übertreiben halt viele, aber im Grunde genommen ist es doch eine gute Idee. Wie schön ist es bitte, morgens aufzuwachen und sich gut zu fühlen?

Oh ja. Du bist ja auch 29 und hast sicher gemerkt wie sich das Rad dreht. Früher ist man ewig feiern gewesen und war ein paar Stunden verkatert. Heute geht man ein paar Stunden feiern und ist ewig verkatert… Du scheinst aber eigentlich sehr voll Energie zu sein und auch vielleicht ein wenig rastlos? Das bringt auf jeden Fall dein Song „Can’t Sleep“ rüber.

Ich glaube die meisten Leute denken, dass ich Drogen nehme und depressiv bin, wenn sie meine Musik hören. Also, ich nehme keine Drogen. Ich bin sporadisch depressiv.

Was ja eigentlich jeder ist…

Ohne Scheiß, das stimmt. Das musste ich erst kürzlich jemandem erklären, der mir sagen wollte: „Hey, you are always such a happy person!“ Und ich dachte nur so: Who the fuck is just happy? Mal ernsthaft. Es ist wichtig auch mal traurig zu sein. Es geht um die Balance.

Und an den Tiefpunkten taucht doch oft erst die kreative Energie auf.

Eben. Norden existiert nicht ohne Süden. Du brauchst alle Extreme im Leben, um einen Sinn zu haben. Aber ja, ich bin sehr energetisch. Und ich hasse schlafen. Ich will am liebsten die ganze Zeit wach sein und nichts verpassen. Letztens habe ich mich mit meiner Freundin in L.A. unterhalten, während wir joggen waren. Sie ist am Abend zuvor früh ins Bett gegangen und ich war aus und erst super spät schlafen. Sie hatte also 9 Stunden Schlaf und ich 5. Wir waren beide vorher am Rumheulen und hatten keinen Bock, weil wir so k.o und müde waren. Letztendlich macht es anscheinend doch keinen Unterschied. Ich hatte Spaß. Sie hat geschlafen. Lesson learned. Nicht mehr schlafen. So oder so geht es einem doch eh meistens scheiße, wenn man älter als 24 ist. (lacht)

Ich bin auf deine alten YouTube-Videos gestoßen, in denen du Bücher vorgestellt hast. Ich studiere selber Literatur und beschäftige mich gerne mit Wortbedeutungen und Wörtern allgemein, so nerdig wie das klingt. Aber du ja eben auch. Du hast zwei Uniabschlüsse, du rappst und reimst und schreibst und liest. Ein Song ist wie ein Stück Kurzliteratur.

Oh ja. Man kann so viel in einem Song sagen. Ich finde, Vokabular hat nichts mit Intelligenz zu tun, sondern mit Präzision. Es ist so interessant, dass es so viele verschiedene Nuancen gibt, ein und dasselbe auszudrücken, aber dennoch auf eine andere Art. Es ist beeindruckend und zeigt so viel über unsere Menschlichkeit. Irgendwie gibt mir das ein hoffnungsvolles Gefühl. Das hat mich damals zum Rappen gebracht. Es ist wie ein Wortpuzzle. Es geht um Kadenz, Metrik und Rhythmus. Die Komposition von Songs und Lyrics ist sehr erfüllend. Bücher inspirieren mich sehr dazu. Eine wahre Geschichte zu lesen, die nichts mit dir zu tun hat. Um so andere Erfahrungen zu erfahren.

Wie würdest du die perfekte Situation beschreiben, in der man sich „Life As A Dog“ anhören sollte?

Mh, darüber muss ich kurz nachdenken. Es ist keine Partyplatte. Eher gut, um es sich zu Hause anzuhören. Alleine. Wenn man sich ein bisschen einsam fühlt. Aber auch nicht so richtig. Nur ein wenig allein. Gerade nachdem man ein übles Abendessen gegessen hat. So ein unspektakuläres Essen, dass man nur für sich gemacht hat. Was letztendlich nur aus Bohnen besteht. Und Eiern. Man hat immer noch Hunger. Also trinkt man ein Bier. Es ist 8 Uhr abends.

Interview: Christina Heckmann

K.Flay Live:
26.10.2015 Frankfurt – Zoom
27.10.2015 Stuttgart – Schräglage
28.10.2015 Munich – Milla
29.10.2015 Leipzig – Täubchenthal
31.10.2015 Berlin – Kantine Berghain
01.11.2015 Hamburg – Uebel &Gefährlich
02.11.2015 Cologne – YUCA

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