Es ist kurz nach dreiviertel sieben und ich gehe durch eine schmale Gasse, vorbei an welken Kastanienbäumen eine steinerne Treppe hinauf und erreiche das heutige, viel versprechende Ziel: das Haus der Pioniere in Gera! Ich bin um sieben Uhr zum Interview mit Alin Coen verabredet. Nochmal kurzer Check… Kamera? Geladen. Deo? Hält noch. Tonaufnahmegerät? Bereit. Etwas aus der Puste setze ich mich auf eine Bank vor dem Haupteingang. Plötzlich eine Stimme von oben: „Huhu! Ich bins, die Aliiin!“ Eine junge Frau mit kurzen dunklen Haaren beugt sich aus dem Fenster und grinst mich an. „Ich komm gleich runter. Wir bestellen noch fix was zu futtern.“ Wenige Minuten vergehen und sie kommt zu mir auf die Bank. Dabei läuft sie vorbei an einem Stehtisch, an dem ihr Bandkollege Jan Frisch (Gitarre) gerade seelenruhig sein Buch liest. Alin und ich schauen durch die Baumkronen auf das sonst so graue Gera hinab, das gerade ins goldene Licht der letzten Sonnenstrahlen getaucht ist. So genug geschwelgt! Nach kurzem „Warmreden“ nehme das Tonaufnahmegerät zu Hand und drücke auf REC.
Liebe Alin, fangen wir doch gleich bei eurer Gründung an. Wie kam die Alin Coen Band ins Rollen?
Also 2007 war das erste Konzert, aber wir haben innerhalb des Jahres nicht so viel gespielt. Es waren drei Konzerte im ersten Jahr. Die Band in der Form gibt es also seit 2007, aber ich habe mit jedem auch schon vorher mal gespielt. Meistens in Weimar oder wo es sich noch ergeben hat. Wir haben uns am Anfang immer als Vorband rein geschlichen.
Und jetzt die eigene Platte mit der dazugehörigen Tour.
Genau. Die meisten Lieder, die auf der Platte sind, habe ich vorher alleine geschrieben. Also, ich habe 2002 angefangen, meine ersten Lieder zu schreiben. Und eins ist von 2002 mit drauf. „Stream“ heißt das erste Stück, das ich geschrieben habe. Damals eben alleine mit der Klampfe und jetzt mit Band, etwas ausgefeilter. Obwohl, „Stream“ haben wir eigentlich pur gelassen und spielen es in der Duoversion. Vor dieser Tour haben wir uns jeden Tag im Proberaum eingeschlossen und an den neuen Stücken geprobt. Wir haben jetzt vier neue Stücke dabei und haben vielleicht noch so fünf in der Hinterhand, die gerade fertig gemacht werden müssen. Also das heißt, wir richten uns schon dem nächsten Album entgegen.
Von 2007 bis zum heutigen Tag – spürt ihr eine musikalische Veränderung oder Entwicklung in eurer Musikstruktur?
Ja die ist gerade ganz, ganz doll am passieren! Wir sind gerade an dem Punkt, an dem das völlig anders weitergeht. Wir haben seit kurzem einen Bandproberaum. Die meiste Zeit haben wir ohne festen Proberaum existiert, und jetzt machen wir zusammen auch mehr. Eigentlich ist das losgegangen mit dem Popcamp. Wir haben 2008 beim Popcamp mitgemacht. Das ist ein Musikerworkshop, in den Bands eingeladen werden. Man wird in einem Verfahren ausgewählt und dann sind fünf Bands übrig, die zwei Wochen, jeweils eine Woche im September und im November, Räume haben, in denen sie proben können. Es gibt dort Dozenten, die bestimmte Vorlesungen halten. Über GEMA, KSK und die ganze Struktur. In diesem Popcamp haben wir ganz viel Zeit damit verbracht. Wir haben gejammt bis irgendwas da war, was uns gut gefällt.
In eurer Musik findet sich Jazz wieder, Folk…
Das verstehe ich gar nicht! Es gibt viele Leute, die meinen, dass da der Jazz drin ist. Ich weiß gar nicht, wo die Leute Jazz hören. Also es ist zwar ein Jazzschlagzeuger und ein Jazzbassist, aber die Harmonien sind gar nicht aus dem Jazz.
Mir ist es in einigen englischen Titeln aufgefallen. „Darts“ zum Beispiel. Da glaube ich, Jazz rauszuhören.
Die beiden Jungs, die Jazz studiert haben sagen, dass wir den Jazz ganz weit draußen lassen. Es ist eher Singer-Songwriter lastig. Akustischer Pop halt oder poppig sogar. Mehr Pop als Jazz. Jemand hat es mal als Psychedelic Rock bezeichnet.
Ihr habt euch in Weimar als Studenten getroffen. Seid ihr inzwischen alle fertig?
Wir sind jetzt fast alle durch mit dem Studium. Philipp ist der Einzige, der jetzt noch sein Diplomkonzert machen muss. Jan hat Architektur studiert und ist seit zweieinhalb Jahren fertig. Ich bin seit zwei Jahren mit meiner Umweltschutztechnik durch und Fabian hat im November 2009 sein Schlagzeug-Diplom gemacht.
Und was macht ihr zurzeit, wenn ihr mal nicht die Alin Coen Band seid?
Jan macht ein Projekt mit Jugendlichen, er gibt Bands ein Band-Coaching und Philipp und Fabian verdienen sich hier und da mal ne Mark mit Hochzeitsmukken. Ich hab bis vor kurzem am DNT (Deutsches Nationaltheater Weimar) eine Stelle gehabt, als Gast bei einem Theaterstück, das Nora Schlocker inszeniert hat. Da hatte ich eine Rolle als Junkie und als Katze, aber hauptsächlich habe ich die Musik gemacht. Das war von 2008 bis Juni 2010. Dann hab ich auch ab und zu Solokonzerte gegeben und ja… seit zwei Jahren lebe ich von der Musik.
Ihr hattet neben der Veröffentlichung eures Debütalbums und eurer Tour einen sehr ereignisreichen Sommer. Was ist da alles passiert?
Am 31.08. hatten wir unser erstes Bandkonzert. Am 27.08. haben Jan und ich zu zweit einen Auftritt gehabt und am 28.08. hatte ich eine Auftritt bei „Inas Nacht“ im Fernsehen mit zwei Millionen Zuschauern. Also so ungefähr, aber die Zahl hat mich schon in Angst und Schrecken versetzt.
Seid ihr jetzt nach all den Konzerten noch vor einem Auftritt noch aufgeregt?
Mmm, das ist von Stadt zu Stadt verschieden. Momentan ist es hier in Gera noch ganz entspannt und nett. Wir wurden sehr nett empfangen und die Bühne ist schön. So eine gewisse Anspannung ist immer da. Es gab bloß ein Konzert, bei dem die gefehlt hat. Das war auch doof. Ohne geht es nicht. Es muss nicht unbedingt Lampenfieber sein, aber so eine gewisse Spannung tut einfach gut.
Ich war hier vorher auch noch nicht und mag dieses gemütliche Flair. Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr mal in einem großen Stadion spielen solltet. Da fehlt mir die Nähe und das braucht eure Musik.
An dem Punkt waren wir auch schon. 2008 gab’s mal so ein Gespräch. Fabian, unser Schlagzeuger, meinte, er könne sich nicht vorstellen vor mehr als 400 Leuten pro Konzert zu spielen. Aber momentan entwickelt sich das in eine Richtung, wo man sich vorstellen könnte, auch vor ganz vielen Leuten zu spielen. Bei uns wächst gerade die Bereitschaft, unsere Musik vor vielen Leuten darzubieten.
Apropos! Was erwartet uns auf dem gerade entstehenden neuen Album?
Das wird glaub ich eher noch schräger, noch experimenteller. Oder wird sogar mit Popschemen brechen. Pop ist ein unglaublich weiter Begriff. Da passt ja ganz viel rein.
Habt ihr schon eine Idee, wann es ungefähr erscheinen könnte?
Nee! Es noch nicht mal richtig in Arbeit, also im Moment schreiben wir die Lieder dazu. Ich hoffe einfach mal, dass wir 2011 das nächste Album am Start haben.
Alin, ich bedanke mich bei dir und wünsche euch für eueren weiteren Weg viel Erfolg!
Es war zwar Dienstag und es war Gera, aber zum Schluss waren alle Plätze belegt. Alin entfaltet mit ihrer Combo eine Bühnenenergie wie kaum jemand. Das Livekonzert ist ein absolutes Muss! Neben den auf dem Debütalbum „Wer bist du?“ enthaltenen Titeln gewähren sie schon einen kleine Einblick in das bevorstehende Album.
Wir können weiter gespannt sein!
Interview & Fotos: Ronny Ristok