Eine halbe Stunde nahm sich Moneybrother Anders Wendin an seinem vollgepackten Interviewtag im Berliner Ramones Museum Zeit und stand Rede und Antwort zu seinem neuen Album „This Is Where Life Is“, das er in insgesamt sieben Ländern rund um die Welt mit den verschiedensten Künstlern aufnahm. Außerdem verriet er, dass vielleicht schon bald das Ende von Moneybrother naht.
Du hast für dein neues Album „This Is Where Life Is“ also eine große Reise gemacht…?
Ja, das hab ich, das hab ich echt. Es wäre schon eine große Reise gewesen, nach Kopenhagen zu fahren um etwas aufzunehmen, aber das war eine richtig weite Reise.
Erzähl uns doch mal die Geschichte. Du warst in Chicago, LA, Rio de Janeiro, Jamaika, Capetown (Südafrika), London und Auckland (Neuseeland). Was hast du erlebt?
Ja, wir waren 2 ½ Monate unterwegs. Ich hab das schon ein paar Mal gemacht, dieses Mal krieg ich’s bestimmt hin. Wir sind von Stockholm nach Helsinki, von Helsinki nach Chicago, von Chicago nach LA., von LA nach Dallas, von Dallas nach Rio de Janeiro, von Rio de Janeiro nach Sao Paolo, von Sao Paolo nach Dallas, von Dallas nach Miami, von Miami nach Kingston, von Kingston nach London, von London nach Stockholm, von Stockholm nach London, von London nach Capetown, von Capetown nach Sydney, von Sydney nach Auckland, von Auckland nach Hong Kong, von Hong Kong nach London und von London nach Stockholm geflogen. Ja, das war die Reise.
Du warst an sieben Orten, um das Album aufzunehmen. Das ist ein großes Privileg, die meisten Menschen, mich eingeschlossen, waren maximal mal in London. Wie hast du dich dabei gefühlt, in teilweise so armen Ländern dein Album aufzunehmen?
Ich würde nicht sagen, dass ein Traum wahr geworden ist, denn so einen Traum hatte ich nie, wer kommt denn auf so eine Idee? Aber ich bin gut in einer Sache: Wenn ich eine Möglichkeit erkenne, dann ergreife ich sie meistens auch. Das ist wohl meine größte Stärke als Künstler. Wenn jemand kommt und sagt, dass er eine Jeans-Firma hat, frage ich ihn, wo meine Jeans ist. So bin ich. Und wenn in dieser Zeit jemand gesagt hat „hey, ich hab ein Studio, willst du dort nicht spielen“, hab ich natürlich nicht nein gesagt. Und wenn du ein Mal so viele Flüge gebucht hast, werden alle weiteren umso günstiger. Wir haben so lange an der Reise geplant und dann war es ja auch Arbeit. Du willst das Album fertig kriegen und denkst dir jeden Tag „morgen geh ich nicht zum Strand, morgen arbeiten wir an der Platte“, das ist schließlich der Grund dafür, dass du da bist. Ich bin aber froh, dass wir das doch so gut hinbekommen haben, das war teilweise echt schwierig, besonders am Strand in Ipanema. Jetzt bin ich echt stolz auf uns. Als Weißer um die Welt zu reisen macht dir allerdings relativ schnell klar, wie die Nahrungskette aussieht. Du hast kaum jemanden, der dir quer kommt. Als ich in Capetown gelandet bin hab ich drei „Big Mammas“ getroffen, die waren alle so Ende 30, den Namen der einen kann ich nicht aussprechen, die anderen hießen Fanny und Queen. Das waren ihre Namen. Wir haben 3 oder 4 Tage rumgehangen und dann hab ich sie gefragt ob sie Familie haben und sie haben erzählt, dass man sich bei ihnen entscheiden muss, ob man Familie haben will oder Musik machen will, denn dafür bliebe dann für beides reichen weder Zeit noch Geld und das hat mich wirklich erstaunt. Wenn du so etwas hörst fühlst du dich privilegiert. Ich konnte so viel herum reisen und aufnehmen, hab dabei so tolle Leute getroffen. Das macht es ein wenig einfacher Moneybrother zu sein. Ich jammere manchmal, wenn es heißt „wir fahren nach Berlin, du musst Interviews geben“, aber komm schon, das ist echt nichts zum Jammern.
Du hast ja viele sehr verschiedene Länder gesehen. Was war denn der größte Unterschied?
Wenn du reist sind überall Unterschiede: Es sieht anders aus, es riecht anders, da sind so viele Unterschiede. Wenn wir jetzt nicht hier im Ramones Museum säßen, sondern in einem japanischen Café, würde es mit Sicherheit direkt ganz anders klingen. Die Stimmung ist eben auch sehr unterschiedlich. In Jamaika sind die Leute super entspannt, wenn du einen Kaffee bestellen willst, ruft der Kellner erst mal noch seinen Kumpel an und raucht eine, bevor er sich um deinen Kaffee kümmert. Wenn du in Chicago einen Kaffee bestellst, kriegst du direkt den Kaffee mit einem auswendig gelernten Spruch in die Hand gedrückt. Das ist der große Spaß am Reisen. In Brasilien gibt’s auch eine Sache. Wenn du in London oder Stockholm durch die Straßen läufst dauert es ewig, bis dich mal jemand anlächelt. Du könntest wohl auch hier in Berlin bis zum anderen Ende der Stadt laufen, bevor dich mal jemand so richtig anlächelt. In Brasilien kommt dir dann ein total cooler Typ entgegen, mit Tanktop und Badehose, lächelt dich an und sagt „heeey!“, und du denkst dir nur „Was? Ich? Warum würde er mich anlächeln, holt er mich ab?“, aber die sind einfach nur so unglaublich nett. Das ist der Unterschied. Australien und Neuseeland sind sich ja von der Kultur her relativ ähnlich, aber dann siehst du die Aborigenees, die ziemlich klein sind und sehr viel trinken und in Neuseeland die Maori, die riesig sind, auch viel trinken, aber eben wirklich soziale Schwierigkeiten haben. Die Unterschiede sind einfach so riesig, egal wohin du gehst. Und ich wollte, dass man das auf dem ganzen Album hört.
Auf welche Art und Weise hört man das denn raus?
Wenn du ein bisschen Ahnung von Musik hast, hörst du, dass der Gitarrist nicht aus Schweden kommt, da steckt eine andere Leidenschaft hinter und das hört man einfach. Ich wollte, dass es ein Album ist und kein Mixtape. Deshalb habe ich nicht den Neuseeland-Song und den Jamaika-Song gemacht. Meine Stimme hält es zwar ohnehin zusammen, ich wollte aber, dass die Songs auch sonst zusammen gehören. Das Album sollte nach Freiheit klingen, die Genres waren da relativ egal.
Du hast ja mit super vielen Musikern gearbeitet. Weißt du genau, wie viele es waren?
Das ist eine sehr deutsche Frage.
Ja, wir haben da so eine Sache mit Nummern…
In der Tat. Ich sollte es natürlich wissen, aber ich weiß es nicht. Es waren so ungefähr 21.
Gab es auch Dinge, die Dir an den Ländern nicht gefallen haben?
Das ist ziemlich schwierig… An Neuseeland mochte ich alles, das war großartig. In Südafrika ist Apartheid noch immer ein großes Thema, wenn auch nicht politisch. Wenn du durch die schwarzen Townships läufst, siehst du meilenweit keinen Weißen und nicht mal jemanden mit brauner Haut, der gehört dort ins braune Township nebenan, dort ist es meist ein wenig besser. In Brasilien ist das Essen ziemlich schlecht gewürzt. London ist im Vergleich zu all den anderen Orten, an denen wir waren, ziemlich langweilig. Und Jamaika im Sommer ist vielleicht ein bisschen zu heiß für einen schwedischen Typ. Aber darüber darf man sich nicht beschweren. Das ist wie zum Elvis Konzert gehen und sich darüber beschweren, dass es so laut ist. Man sollte das schließlich wertschätzen. Und in Amerika gibt es ja tonnenweise Kram, den wir nicht mögen, aber wir lieben es trotzdem.
Gibt es denn noch mehr Orte, an die du gern gereist wärst, um das Album aufzunehmen?
Ja, ich wäre echt gerne nach Asien gegangen, das haben wir gar nicht gemacht. Japan wäre toll gewesen oder aber auch die Ukraine oder Polen. Ich denke echt viel über die Reise nach und darüber, was wir noch hätten machen sollen. Und ich vermisse es total. Ich war mit Christoph unterwegs, der früher in meiner alten Band MONSTER war. Wir haben uns lange nicht gesehen und waren auf der Reise jeden Tag zusammen, haben sogar in einem Bett geschlafen und uns abends immer gute Nacht gesagt. Das war total schön.
Du warst für die Aufnahmen auch nicht großartig in Europa unterwegs, außer in London, oder?
Wir haben auch ein bisschen in Schweden gearbeitet.
Du hättest also auch noch mehr als sieben Länder nennen können?
Ja, ich hab an Schweden nicht als Land gedacht… Wir haben schon einiges in Schweden gemacht, was wir überall sonst nicht mehr geschafft haben. Aber natürlich lange nicht so viel, wie früher.
Das Album ist ne echte Hausnummer. Was kann da der nächste Schritt sein?
Du hast vollkommen Recht. Die Reise ist ja jetzt schon ein Jahr her und ich hatte wirklich viel Zeit zum Nachdenken und es könnte echt sein, dass das mein letztes Album war. Es gibt nichts mehr, was danach kommen könnte. Ein normales Album wäre langweilig und auch noch Mal das gleiche zu machen wäre nicht mehr spannend. Mir vorzustellen, Songs zu schreiben und die dann in Stockholm aufzunehmen, erscheint mir so öde, ich hab also wirklich viel nachgedacht, ob ich aufhöre…
Interview: Lara Muhn