Interview mit William Fitzsimmons

Endlich ist es da, das neue Album „Lions“ von William Fitzsimmons. Diesmal besann er sich auf seine Anfänge und schrieb ein wunderschönes, ehrliches Album über seine emotionale Welt. Es ist zwar ein kleiner Schritt zurück, aber es artet nicht in Wiederholungen seiner letzten Alben aus. Instrumental und seine Art zu schreiben sind ausgefeilter als in seinem ersten Album „Until When We Were Ghosts“ (2005), aber für mich erinnert „Lions“ ganz stark an eben dieses. Es erzeugt das gleiche Gefühl, das in mir aufkommt. Man fühlt mit Fitzsimmons, auch nach mehrmaligem Hören. Wir hatten das große Vergnügen unseren liebsten Bartträger vor seinem letzten Konzert im Berliner Lido zu treffen und über das neue Album, Produzent Chris Walla (Death Cap For Cutie, Nada Surf, Tegan und Sara und viele andere), die Lektionen aus dieser Zusammenarbeit und sein Ankertattoo zu plaudern. Viel Spaß bei lesen!

Als ich „Lions“ zu ersten Mal gehört habe, erinnerte es mich sehr an dein erstes Album „Until When We Were Ghosts” – ich fühle bei den beiden Alben das Gleiche. War es deine Intention, soweit zurück zu gehen?

Ich hatte die Absicht, es wie nichts anderes klingen zu lassen. Einfach ganz natürlich damit umzugehen und genau das ist der Punkt, an dem ich war, als ich damals mit den Schreiben anfing. Es war natürlich. Ich dachte nicht über Konzerte oder Festivals, Verkäufe oder etwas dergleichen nach. Ich wusste nicht einmal, ob irgendjemand außer mir oder meinen Freunden, die ich dazu nötigte, es hören würden. Ich denke, deswegen hat es eine ähnliche Stimmung. Es war frei, ohne Sorgen und Bedenken. Ich höre mir ‚Lions‘ immer noch gerne an. Es fühlt sich für mich immer noch neu und aufregend an. Es passiert immer mal wieder inmitten einer langen Tour, dass die Songs plötzlich mechanisch werden und man Probleme hat sie richtig zu fühlen. Ich versuche an diesem wunderbaren Gefühl festzuhalten, wo man noch denkt „Oh ja, ich darf diesen Song spielen, ich liebe es, diesen Song zu spielen“.

Hast du einen Plan, wie du dieses Gefühl erhalten kannst?

Das Beste, was man machen kann, ist, kleine Änderungen vorzunehmen, bei dem was die Band oder ich spielen oder einfach das Tempo ändern. Letzte Nacht habe ich etwas schneller gespielt und auch langsamer. Und auch alte Songs zurückzubringen. Es unterscheidet sich nicht von anderen Gebieten: Wenn man etwas nur lang genug macht, dann wird es normal. Also versucht man kleine Variationen, die man machen kann, rein zu bringen um es am Leben, frisch, zu halten. Dieses Album ist immer noch frisch, aber es ist immer hart. Es gibt immer einen Punkt, an dem man etwas abflacht.

Ich habe das ganze vergangene Jahr auf das Album gewartet, seit Januar! Du hattest damals angekündigt, 2013 würde ein neues Album kommen.

Ich kann dir sagen: Ich war so deprimiert! Wir waren mit den Aufnahmen für das Album im Juni fertig, glaube ich. Ich war wirklich aufgeregt. Es würde vermutlich im Juli /August gemixt und gemastert werden und da wäre immer noch Zeit. Ich hatte noch immer die Hoffnung, dass es noch 2013 erscheinen würde, aber es gehört zu den Dingen, die man nicht beeinflussen kann. Irgendwann ist man fertig, alles ist unter Dach und Fach und dann gibt man es dem Plattenlabel und sie sagen: „Großartig, wir müssen bis nächstes Jahr warten“. Ich hatte wirklich den Plan es fertig zu machen… aber ich war nah dran, ich habe es nur um zwei Monate verpasst.

Auf dem Weg hierher zum Interview ist mir aufgefallen, dass sich einige Songs wie Liebesbriefe anhören, aber eher die Sorte „Ich habe ein paar Macken, entschuldige“-Briefe.

Die Vorgängeralben beschäftigten sich sehr mit der Mann-Frau-Partnerbeziehung. Bei diesen Album geht es für mich auf Grund der Anfangsgeschichte mehr um die Verbindung zwischen Eltern und Kind, also wie eine Mutter-Kind-Beziehung. Für mich ist „Lions“ liebevoller als die anderen und es ist eine gütigere und keine romantische Liebe.

Bei einem Songnamen wie „Sister“ scheint die Familie eine größere Rolle zu spielen.

Genau, und ich habe nicht einmal eine Schwester. Ich nehme es an. Es gibt eine Menge Liebe auf diesem Album. Man versucht sich über die Beziehungen zwischen Menschen klarzuwerden und auch die hässlichen Dinge anzuerkennen. Es beschreibt nach wie vor sehr viele negative Sachen. Es gibt viel echten Schmerz auf dem Album, aber es fühlt sich viel besser an. Es ist allerdings nicht wie „The Sparrow And The Crow“, das  ist einfach nur düster mit ganz wenig Licht. Bei „Lions“ gibt es viel mehr Licht.

Es scheint auch so zu sein – Twitter- und Instargam_Stalking sei dank), dass du in den letzten ein bis zwei Jahren viel mehr Zeit mit deiner Familie verbracht hast. Außerdem hast du deine Art Songs zu schreiben geändert, wie man der Ankündigung zum Album entnehmen konnte. Kam das, weil du mit deiner Familie zusammen warst? Die sind ja in der Regel etwas ehrlicher.

[lacht] Das stimmt. Das hatte einen großen Anteil. Es war das Umfeld, in dem ich mich befand. Ich habe das Album wahrscheinlich schneller als alle anderen zuvor geschrieben – nicht absichtlich, ich hatte keine Deadline. Die Labels wollten zwar gerne etwas haben, aber sie haben geduldig gewartet. Es gab keinen Druck. Ich dachte nicht an das Label und ich dachte nicht über etwas nach wie: „Ich habe jetzt drei Songs, die fühlen sie so an und ich habe ein paar die sich so anfühlen und hier ist noch ein Pianostück“. Das habe ich zwar vorher auch nicht so gemacht, aber ganz tief in meinem Kopf wurden diese Gedanken immer stärker. Es fühlte sich sehr gut an, die Songs einfach so zu schreiben, das gleiche gilt auch für die Aufnahmen. Wir haben sie nicht zu sehr geplant. Wir hörten uns die Demos an und fingen einfach an zu spielen. ‚Lass uns etwas Gitarre spielen, das hört sich gut an, lass uns das verfolgen…‘ Wenn sich etwas gut anhörte, machten wir es und wenn es schlecht war, dann ließen wir es sein. Vorher war das immer ein Ärgernis. „Nein, wir müssen daran weiterarbeiten. Wir nehmen noch zehn Instrumente dazu und am Ende würden wir dann herausfinden, dass drei gut sind…“. Du kannst dich selber damit verrückt machen und oft erhältst du so auch kein besseres Album. Du arbeitest nur wirklich schwer für das gleiche Ergebnis.

Gab es ein bestimmtes Erlebnis, bei dem du dann dachtest, dass es anfängt falsch zu laufen?

Nein, aber eine Sache, die ich machen musste, war von einigen Vorstellung, die ich hatte, loszulassen. Zum Beispiel die Art wie man einen Song schreibt. Auch wenn man nur das macht, was ich mache. Es ist nur Gitarre und Stimme oder Piano und Stimme, aber man hört Arrangements. Man denkt so etwas wie „Oh, hier könnte definitiv eine Trompete die Melodie spielen“. Das war eine der Sachen, die ich geändert habe, als ich mit Chris Walla gearbeitet habe. Ich musste gewillt sein, einige dieser Ideen fallen zu lassen und Chris ans Steuer zu lassen, aber ich hatte nie das Gefühl, dass das falsch sei. Bei Arbeiten hatten wir eine gute Balance und Chemie zwischen uns beiden, wenn etwas falsch war, war es für uns beide falsch. Das war gut. Es gab nicht wirklich irgendwelche Mauern. Ich glaube, ich bin nicht ein einziges Mal nachts aus dem Studio gegangen und war besorgt, ängstlich oder frustriert. Es war immer wie „Das war ein guter Tag, Bis Morgen“. Das war großartig. Es fühlte sich gut an.

Hatte es einen Einfluss darauf, wie du als Produzent arbeitest? Du hast ja auch die letzte Lonesome Animals EP, „Soft Light“ produziert… wobei ich nicht sicher bin, wie der zeitliche Ablauf war.

Ich glaube, ich habe die Arbeit an „Soft Light“ vor der Arbeit mit Chris beendet, aber seitdem habe ich zuhause neue Demos aufgenommen. Chris ist ein Meister – das ist der Grund, wieso die Leute zu ihm gehen, weil er definitiv weiß, was er macht. Und er hat eine Gemütlichkeit im Studio, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Wenn man zum Beispiel eine professionelle Sekretärin, die das seit 40 Jahren macht, tippen sieht, dann ist das wunderschön, wie ein Tanz. Sie gucken von der Tastatur weg, unterhalten sich und tippen währenddessen zehn Seiten. So ist Chris im Studio. Er hat ein Bandgerät laufen, mixt gleichzeitig Sachen und klebt Bänder zusammen, aber wird nie sauer oder überdenkt alles zu doll. Er nutzt nur seine Ohren, er schaltet den Monitor aus, wenn er sich etwas anhört. Er macht ihn aus und sagt „Man sieht Musik nicht“. Wenn man normalerweise in einem Studio ist, starren die meisten auf den Computerbildschirm und beobachten wie sich die Fader bewegen. Das war die größte Lektion: Deine Augen sind egal, du musst zuhören und wenn es sich gut anhört, machen wir es so.

Der Hörer sieht ja am Ende auch die Bildschirme nicht.

Man sieht die Wave-Datei nicht, man sieht die Tracks nicht hoch und runter gehen – das einzige das zählt ist, was aus den Boxen herauskommt und ob es etwas kommuniziert. Aber man vergisst diese Dinge und wie in jedem Beruf versucht man wenn man etwas Erfolg hatte, sich daran richtig festzuhalten. Man denkt immer, das funktioniert, das will ich nicht verlieren. Ich war schon in vielen Studios und es scheint je größer das Studio, desto größer ist auch der Computermonitor. Es war schon seltsam in den Raum von Chris zu gehen und da steht nur ein normaler Computermonitor, der die meiste Zeit des Tages ausgeschaltet ist. Die ersten paar Tage wusste ich gar nicht, wo ich hingucken sollte. Er saß mit geschlossenen Augen da und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ich dachte, das mache ich auch. Er hat mir viel beigebracht.

Noch eine ganz einfache Frage – ich weiß ja wie gerne du über deine Tattoos redest…

Es macht mir nichts aus über meine Tattoos zu sprechen.

Hast du deinen Hafen gefunden? Der Anker ist für mich immer ein Zeichen, dass jemand zur Ruhe gekommen ist.

Das ist genau das, was es sagen soll. Mein Leben ist nicht konfliktfrei, Veränderungen, Herausforderungen und all das, aber ich fühle mich friedlicher als jemals zuvor. Das ist alles. Das ist aber auch beängstigend, wenn man solche Musik wie ich macht. Man liest die Geschichten über Kurt Cobain, Elliot Smith und all diese Typen und man fängt an sich selber davon zu überzeugen, dass gute Kunst nur von Tragödien und Herzschmerz herrühren kann.

Einige Künstler haben mir schon erzählt, dass sie sogar Angst kriegen, wenn sie zu lange zu glücklich sind…

Ein Freund hat mir einmal eine Geschichte über einen Freund von ihm erzählt. Der hat seine Frau verlassen, weil er in einer künstlerischen Krise war und es nicht genug Schmerz in seinem Leben gab. Ich dachte, das ist die allerschlimmste, dümmste Sache überhaupt. Für mich geht es in der Musik darum ehrlich über Erfahrungen und Emotionen zu sein. Solange du lebst und beobachtest und versuchst von anderen zu lernen, gibt es immer Zwiegespräche, die man führen muss. Ich habe gerade ein Album von Sun Kil Moon gekauft. Es ist schon eine Weile draußen und Mark Kozelek schreibt recht ähnliche Alben und Songs seit ungefähr 30 Jahren. Aber ich saß im Badezimmer und hörte mir das Album an und dachte, das ist so verdammt gut. Dieser Typ ist noch genialer als jemals zuvor. Du musst einfach nur dir Wahrheit sagen.

Vielen Dank für das Interview, William!

Das aktuelle Album „Lions“ kann endlich käuflich erworben werden. In den nächsten Wochen ist William Fitzsimmons auf Deutschlandtour:

Feb18 – E-Werk – Erlangen
Feb19 – Jazzhaus – Freiburg
Feb 20 – Gloria – Köln
Feb 21 – Forum – Bielefeld
Feb 23 – Colos Saal – Aschaffenburg
Feb 24 – Postbahnhof –  Berlin
Feb 25  – Beatpol – Dresden
Feb 26 – Feierwerk – München
Feb 27 – KJH Hallschlag – Stuttgart
Mar 1 – Faust – Hannover

https://www.williamfitzsimmons.com/

Interview & Konzertfoto: Dörte Heilewelt