Lee: “It is not about how many notes you play, it is about how you play it really”
Pulled Apart By Horses ist eine vierköpfige Alternative Rock Band aus Leeds. Ihr Debütalbum ist vor nicht allzu langer Zeit bei uns erschienen und es ist ganz einfach großartig. Man hört eine Leidenschaft für ihre Musik heraus, die man bei manch anderem Künstler mitunter vermisst. Das Gleiche gilt für ihre Liveauftritte. Das erste Mal habe ich sie vor einigen Monaten durch Zufall in einem kleinen Londoner Club gesehen und jetzt noch einmal beim Underground Festival in Gloucester. Die vier sind praktisch für die Bühne gemacht und absolut empfehlenswert, wenn man mal wieder eine gutes Rockkonzert sehen will (Gelegenheit gibt es demnächst, siehe Tourdaten unten).
Ich hatte das große Vergnügen mit Tom Hudson (Sänger, Gitarre) und Lee Vincent (Schlagzeug) nach ihrem Konzert zn Gloucester zu reden. James Browns (Gitarre) und Rob Lee (Bass) haben derweil im Vorraum ein anderes Interview gegeben, während ich mit der – wie sie selber sagten – Creme de la Creme, „the best of the best“, sprechen durfte.
Die heutige Show war mittelgroß. Bevorzugt ihr es, vor einem großen oder einem kleinen Publikum zu spielen?
Tom: Wir lieben beides, um ehrlich zu sein. Diese Tour war wirklich nett, weil sie zum Teil „oldschool“ war und wir in Clubs mit einer Kapazität von höchstens 80 Leuten gespielt haben. Es war hautnah, intim und wirklich spaßig. Und in der zweite Hälfte waren es größere Venues.
Ihr wart auch Support für Muse.
Tom: Ja, das war der erste Tag dieser Tour. Wir haben damit angefangen und dachten dann, was zum Teufel haben wir da gemacht.
Lee: Drei Tage später haben wir in einem Pub mit einer Kapazität von 40 Leuten gespielt. Beides ist positiv für uns. Bei den großen Shows kann man immer noch einen guten Vibe herstellen und für mehr Leute spielen, aber bei kleineren Shows sind die Leute direkter, es ist verschwitzt und… ich weiß nicht genau, es fühlt sich wirklich gut an, viel natürlicher für uns.
Und ihr könnt besser mit der Menge interagieren.
Beide: Ja.
Du magst das ja, Tom.
Tom: Ja, definitiv. Anders als auf einer großen Bühne mit Absperrung kann man einfach einen Schritt vorgehen, ist im Publikum und kann die Leute viel einfacher erschrecken.
Ja, definitiv. Ich bin nicht so leicht zu erschrecken, aber ihr könnt es versuchen.
Tom: Gib dein bestes.
Lee: Ich denke, wir waren heute nicht so erschreckend.
Nein, nicht wirklich.
Tom: Es ist das Ende einer dreiwöchigen Tour.
Lee: Irgendein junger Typ kam vorhin zu mir und sagte „Du bist der furchterregendste Schlagzeuger, den ich je gesehen habe.“ Ich fragte warum und er sagte „Du starrst immer so in das Publikum.“ Ich war einfach nur verwirrt.
Tom [zu Lee]: Ich denke, es gibt diesen Punkt, wenn du spielst und auf dein Schlagzeug schlägst, da siehst du aus, als ob du etwas erschlägst und einfach dasitzt und dich um guckst. [Während er das erzählt, spielt Tom Luftschlafzeug und versucht furchterregend auszusehen.]
Lee [fast entschuldigend]: Ich habe wirklich viel Spaß dabei.
Ich denke, dass ihr euch nicht um die Meinung anderer kümmert, wenn ihr eure Musik macht, eure Musik
aufnehmt, live spielt…
Tom: Ja, wir machen einfach das, was wir machen…
Lee: Man muss einfach jegliche Ambitionen, die man jemals hatte, verlieren…[Gelächter von allen Seiten]
Tom: Als wir über Muse nachgedacht haben, meinte jeder so was wie „Ich wette, ihr seid nervös“ oder „Ich wette, ihr könnt es nicht erwarten, da zu spielen.“ Wir sind der Meinung, dass alles gut wird, solange wir es wie jedes andere Konzert behandeln und einfach das machen, was wir auch sonst machen. Man kann einfach nicht viel mehr machen.
Lee: Man kann über Dinge zu viel nachdenken, und das ist nicht sehr gesund.
Tom: Rob hat versucht, einen Jet-Pack für die Show zu bekommen, aber wir haben kein Geld mehr von der Plattenfirma bekommen. [erneutes Gelächter]
Ihr habt mit der Band aus Spaß angefangen und nicht um bekannt zu werden. Ist das Gefühl, das ihr am Anfang in der Band hattet, immer noch der gleiche?
Tom: Es ist immer noch genauso, aber je größer alles wird und je weiter wir kommen, desto professioneller werden, wir wenn es zum Beispiel darum geht, unser Zeug aufzubauen. Aber gleichzeitig sind wir der gleiche Haufen Idioten wie am Anfang.
Lee: Wir sind jetzt ein Teil der Maschine. Wir haben jetzt Manager und Labels und solche Leute. Aber die Essenz der Band ist die gleiche wie früher.
Tom: Wir haben jetzt viel mehr zu tun.
Lee: Man verliert ein bisschen seine Freiheit. Wir können nicht mehr bei jedem Gig zusagen, den wir wollen. Alles ist jetzt geplant und das ist cool, weil es heißt, dass wir mit der Band bekannter werden. Es gibt Sachen, die man vermisst wie die frühen, naiven Tage. Aber die Motivation ist immer noch die gleiche.
Tom: Ich denke, der beste Grund eine Band zu starten ist der, eine Band zu starten und nicht weil man der nächste beste Wer-Auch-Immer werden will oder dieses massive Ziel hat. Ich denke, die beste Art das anzugehen ist, dass wir ein Haufen Typen sind, die einfach ein bisschen Musik zusammen machen. Wenn es abhebt cool, wenn nicht, dann spielen wir trotzdem ein Konzert.
Lee: Die Motivation jeder Band sollte sein, irgendwie eine Platte zu veröffentlichen und aufzutreten. Und jetzt sind wir so reich [lachen], dass wir uns darum nicht mehr sorgen müssen.
Gab es eine Inspiration für den Start dieser Band? Einen Punkt, an dem ihr gesagt habt, wir müssen das jetzt machen?
Tom: Ich denke, das kam daher, dass wir alle genug hatten von dem, was wir vorher gemacht haben. Wir waren alle in anderen Bands vorher und sie endeten alle zu einer ähnlichen Zeit.
Lee: Es war wirklich gutes Timing. Wir wollten alle fest in einer Band sein. Wir beide haben uns vor dieser Band nicht gekannt. James war derjenige, der alle einzeln kannte. Es hat einfach geklickt. Es ist nett, wenn vier Leute zusammen kommen und es gibt eine allgemeine Chemie. Das ist etwas, das man nicht faken kann. Es ist so, wenn man zusammen jammt, dann kann man sehen, ob es funktioniert oder nicht.
Tom: Ja, defintiv. Wir lernen noch. Wir wissen immer noch nicht, was wir machen [erneutes Lachen].
Lee: Wir sind nicht die besten Musiker der Welt.
Das muss man nicht. Ich denke, man muss einfach die Leidenschaft besitzen. Das ist wichtiger, als die Technik zu beherrschen.
Lee: Irgendwer von irgendeiner Scheiß Band war im Radio und hat unsere „High Five, Swan Dive, Nose Dive“ Single besprochen und ließ sich darüber aus, wie wir nur dieses 2 Noten-Solo hätten und was das für ein Bullshit wäre. Und ich dachte, du hättest den verfickten Sinn nicht weiter verfehlen können. Wir sind nicht Joe Satriani. Es geht nicht darum, wie viele Noten du spielst, es geht darum, wie du sie spielt.
Und dass man irgendein Gefühl bekommt, wenn man es hört.
Lee: Genau. Es ist keine sterile Studio-Musik.
Mögt ihr das Cover, das Matt Emery [Drummer bei Stagecoach, die Band durch die ich PABH entdeckt habe, Cover kann man auf www.myspace.com/mattemerymusic hören] von „High Five, Swan Dive, Nose Dive“ gemacht hat?
Lee: Ja, er macht noch eins für „Yeah Buddy“, das auf unserer nächsten Single sein wird.
Tom: Wir haben beim End Of The Road Festival und in Portsmouth gespielt und haben uns zufällig getroffen. Er fragte immer, ob wir etwas dagegen hätten, wenn er es covern würde und wir immer: „No, this is fucking amazing“. Es ist das größte Kompliment, wenn jemand seine eigene Version von einem deiner Songs kreieren will.
Ich denke, es ist eine umwerfende Version, weil sie so anders ist als das, was ihr gemacht habt. [Matt hat eine eher klassisch angehauchte Pianoversion aus dem Song gemacht]
Tom: Das ist die beste Art, es zu machen. Als wir die B-Seite zu „High Five, Swan Dive, Nose Dive“ gemacht haben, haben wir ein Cover von Sky Larkin , der Band eines Freundes gemacht. Der Song „Somersault“ ist ein Pop-Happy-Song mit Synths und so…
Lee: Wir haben es schrecklich gemacht…[lachen]
Tom: Wir haben einen Doom-Pop-Song gemacht. Wir haben unsere Note hinterlassen, unsere stinkende Note.
Ihr kommt demnächst nach Deutschland.
Tom: Ja, wir kommen im Oktober mit Anti-Flag nach Deutschland, das sollte ziemlich spaßig werden.
Lee (zu Tom): Deutschland ist großartig, oder?
Tom: Yeah.
Lee: Wir hatten immer eine gute Zeit dort, besonders in Berlin und Köln.
Gute Wahl, ich bin in Berlin geboren.
Tom: Wirklich? Um ehrlich zu sein: Mein Ziel im Leben ist es, für ein paar Jahre nach Berlin zu ziehen und dort zu leben. Jedes Mal, wenn ich in Berlin war, habe ich diesen Charme gesehen. Die Menschen haben nicht viel Geld dort, aber jeder scheint mit dem, was er macht glücklich und zufrieden zu sein. Wenn wir in Europa touren, finden wir, dass das Publikum sehr viel ehrlicher ist als das Britische Publikum. Menschen kommen auf dich zu und sagen etwas wie „Das war cool, aber das war viel zu laut.“. Sie sagen einfach wie es ist, und es ist gut für eine Band, das zu hören.
Werdet ihr jemals müde, die alten Songs zu spielen?
Lee: Das ist wirklich merkwürdig: wir werden es nicht. Ich denke, das ist ein Beleg dafür, dass es gute Songs sind. Es macht genau so viel Spaß wie schon immer.
Tom: Was merkwürdig ist, weil wir die Songs seit unserem ersten Konzert spielen.
Lee: Ich denke, das ist so, weil wir immer vor neuen Menschen spielen. Das macht es eben so aufregend. Es ist das erste Mal, dass sie ihn hören und wir haben ihn halb so schnell gespielt [Anmerkung: wir reden von „Meat Ballons“, sie spielen den Song mittlerweile doppelt so schnell wie am Anfang]. Es beuteten ihnen vielleicht nicht viel, aber… wir werden gegen Ende des Jahres damit fertig sein, mit diesem Album zu touren und dann bald neue Songs spielen.
Arbeitet ihr schon an neuen Songs?
Lee: Nein, bisher nicht. Im Dezember sperren wir uns für einige Wochen weg und schreiben das neue Album.
Tom: Wir haben schon darüber nachgedacht.
Lee: Jeder hat viele Ideen.
Tom: Ja, wir haben viele Ideen, aber im Moment sind sie gewaltig. Wir werden sie dann einfach alle heraus lassen und versuchen, irgendwas aus diesen ganzen kleinen Stücken zu machen.
Lee: Zum Glück sind wir die undisziplinierteste Band der Welt.
Tom: Weil wir fast immer in einem Van oder einer Venue und auf Achse sind.
Lee: Das letzte was wir machen wollen, wenn wir in Leeds sind, ist in einen Raum gehen und Musik machen. [alles lacht]
Neeein?
Lee: Jeder braucht mal eine Pause. Tom hat einen Haufen Computerspiele zu spielen.
Tom: Ich bin ein großer Geek. Ich bin ziemlich süchtig nach Computerspielen. Während Rob und James süchtig nach…
Lee: …Booze…
Tom: …Alkohol sind. Wenn sie von der Tour nach Hause kommen, dann tragen sie den „Spirit“ weiter…[alles lacht]
Lee: Wir gehen nach Hause und lassen es ruhig angehen, und sie gehen in den Pub.
Wie schreibt ihr eigentlich eure Songs?
Tom: Das ist ziemlich eigenartig. Wir machen es wirklich ziemlich natürlich. Ich, Rob oder James schreiben Teile eines Songs oder haben drei Akkorde auf der Gitarre oder was auch immer zuhause geschrieben. Und wenn wir dann zur Probe kommen, machen wir etwas daraus. Wir nehmen einfach all diese Ideen, und jeder einzelnde fügt etwas hinzu. Es ist nicht so, dass eine Person alles dirigiert. Das ist ziemlich eigenartig, oder? Es ist schwer zu erklären. Wir betreten einfach einen Raum und wenn sich etwas nicht gut anfühlt…
Lee [unterbricht Tom]: Manchmal spiele ich einen Song und ich kann mich nicht daran erinnern den geschrieben zu haben und denke „Oh my goodness, how did we come up with this shit?“
Tom: Wenn sich etwas nicht gut anfühlt und es nicht besser wird und man kein Gefühl dafür kriegt… Wir machen einfach nur das, was sich gut anfühlt und gucken dann was passiert.
Und es scheint zu funktionieren…
Lee: Wir sind alle sehr ehrlich zueinander. Wir haben keine Angst zu sagen, was wir über eine Sache denken. Wenn also einer mit etwas ankommt und ein anderer mag es nicht, dann sagen wir, dass es nicht sehr gut ist. Ich denke, das ist gut, weil wir so den Standard unserer Musik erhöhen. Wir hatten schon Songs, bei denen wir uns nicht sicher waren und dann hat plötzlich einer gesagt, dass er sich nicht sicher ist und wir haben ihn entweder verworfen oder ihn verändert. Man muss ehrlich zueinander sein.
Tom: [zu Lee] Erinnerst du dich noch an das eine Mal in London? [Zu mir] Wir haben drei Songs in einer Probe geschrieben, wir waren gehetzt und wollten ein paar Songs schreiben. Und dann haben wir einen Song gespielt und Lee und ich gingen raus um Essen zu holen. Wir haben uns darüber unterhalten und meinten dann, dass wir sie nicht wirklich mögen würden. Als wir dann zurückgekommen sind, haben wir das James gesagt und er meinte „Watcha mean? You don’t like them?“ [Tom sagt das in einer leicht verstellten zickigen Stimmenlage.] Und dann haben wir die Sachen durcheinander geworfen und geändert und hatten am Ende drei Songs, die eine Millionen mal besser waren. Das war ziemlich lustig.
Lee: Er ist einfach sehr empfindlich. [alle lachen kurz, dann wieder ernst] Ich glaube daran, dass das nächste Album gut wird, weil wir wissen, was wir mögen und wir das was wir tun genug schätzen, um nicht irgendeinen alten Mist zu veröffentlichen. Die Frage ist, wie es sich anhören wird.
Tom: Was zu gleichen Teilen aufregend und beängstigend ist, dass wir noch nicht wissen, wie es wird.
Ist es nicht auch so, dass wenn man zu viel darüber nachdenkt, dann würde es nicht…
Lee: [unterbricht mich direkt] Genau!
Tom: Das versauen es eine Menge Bands. Das erste Album sind die Songs, die du geschrieben hast und bei denen du sagst „Wir sind eine Band und das sind unsere Songs“ und du hast sie aufgenommen und alles zusammen gestellt. Beim zweiten Album hast du Zeit, über die Dinge nachzudenken. Wir haben so viel gespielt, dass wir beim Schreiben des zweiten Albums sagen können, das wird verdammt geil, wenn wir es live spielen. Man kennt bestimmte Elemente und weiß, wie sie wirklich funktionieren.
Vielen Dank für das Interview, Lee und Tom.
Die fünf Herren sind Ende Oktober mit der Vans „Off The Wall“ Music Night unterwegs und kommen auch in Berlin und Münster vorbei. Das Line-Up beschert uns im übrigen neben Anti-Flag als Headliner auch noch The Swellers und Red Light Flash. Und hier schon mal ein Video zu Einstimmung auf die bevorstehende Tour:
24. Oktober 2010, C-Club, Berlin
25. Oktober 2010, Skaters Palace, Münster