Bei Ian McIntosh, dem Sänger der kanadischen Band Owls By Nature, weiß man sofort, was er macht. Auf seinen Fingerknöcheln ist in großen Lettern „FOLK ROCK“ tätowiert. Das ist seine Musik. Zusammen mit seinen Bandkollegen hat er mit „The Forgotten And The Brave“ bereits das zweite großartige Album hierzulande veröffentlicht. Meist kommen die Fünf aus Edmonton, Alberta, Kanada, mit Mitsing-Hymnen daher, Lieder zum mittanzen und Whiskey trinken. Aber von der Hülle sollte man sich nicht täuschen lassen: Owls By Nature erlauben sich immer wieder mal einen kleinen Twist und verstecken Trauer, Herzschmerz und dergleichen in ihren Texten. Mehr darüber erfahrt ihr in unserem Interview. Außerdem habe ich mit Ian McIntosh und Keyboarder/Banjospieler – und weiß was noch – Cory Dee über den Alptraum eines jeden Musikers gesprochen. Trotz oder gerade wegen der Intensivität der Themen hat sich Ian nach dem Interview gefreut, dass er für unserem kleinen Plausch extra aus seinem Backstagenickerchen geweckt wurde. Und ich habe mich auch gefreut. Viel Spaß beim Lesen!
Ich habe gesehen, dass du dir das Artwork von „The Forgotten And The Brave“ auf den Plektrumschutz deiner Gitarre eingraviert hast. Ich habe mich gefragt, was wohl für dich beim Kauf einer Gitarre wichtig ist, Ian?
Ian McIntosh: Ich weiß es nicht. Ich benutze sie nur als ein Werkzeug. Das letzte Mal als wir in Europa waren, hatte ich eine Gitarre, die nett war. Eine Fender Telecaster, American Made. Das ist es was ich mag. Das sind so ziemlich all meine Anforderungen. Bevor wir nach Europa geflogen sind, betrank ich mich und ließ die Gitarre im Kofferraum eines Taxis und das fuhr weg. Ich habe sie nie wieder gesehen. Am nächsten Tag ging ich dann in einen Laden und kaufte sie. Ich nahm sie willkürlich aus dem Regal, mietete sie für den Monat hier in Europa und als wir zurückkamen entschloss ich mich sie zu kaufen und kaufte sie. Das war es. Sie sah ok aus, ich klimperte kurz drauf herum, schloss sie nicht mal an und dachte „das wird passen“. [lacht] Das ist die Gitarre, die ich gravieren ließ. Ich wollte sie persönlicher gestalten… naja, auch den Plektrumschutz kann man ersetzen. Auch die alte Gitarre hatte überall „Owls By Nature“ stehen. Keinen kümmert es. Sie klauen sie dir. Du musst vorsichtig sein.
Das erste was mir an euer Musik aufgefallen ist, als ich sie gehört habe, ist, dass sie im ersten Moment sehr erhebend ist, aber wenn man sich mit den Texten beschäftigt nicht mehr.
Ian: Das stimm. Ich weiß nicht, ob es immer beabsichtigt ist. Etwas, das ich beim Schreiben mag, ist die Zweischneidigkeit von Sachen. Für mich ist es oft interessant, wenn man ein fröhlichen Song hat, dass das Tempo, die Akkordfolge leicht und nett sind, aber der Inhalt nicht so sehr. Ich weiß nicht wieso. Ich denke, ich bin am Ende einfach ein trauriger Typ, der gerne Rock’n’Roll spielt. Ich würde gerne mal einen Song schreiben, wo jeder so „Yeah“ macht, über Glück und all das, aber das ist bisher noch nicht passiert. Vielleicht beim nächsten Album.
Ich fand es gab eine Menge Trauer in deinen Texten, wie zum Beispiel in „So Close“ vom Album „The Forgotten And The Brave“.
Ian: Ja, sie sind alle so: „Hurricane“, „Heartbreaking Ways“ und „So Close“. „Hurricane“ und „So Close“ sind über die gleiche Freundin, die sich vor ein paar Jahren ihr Leben nahm. Es gibt auch ein paar Alkohol- und Drogenprobleme, über die ich schreibe und den Tod meiner Mutter.
Das schienen für mich sehr präsente Themen zu sein, insbesondere der Tod deiner Mutter.
Ian: Ich sage immer, nichts Gutes kommt aus der Mitte. Die Extrema des Lebens inspirieren mich zu diesen Songs. Ich denke, man bezieht sich auf Dinge, die passiert sind. Meine Mama ist vor 20 Jahren gestorben. Das klingt nach einer langen Zeit, aber dahin geht man zurück.
Nachdem ich mich in deine Songs rein gefunden habe, hätte ich auf zwei Jahre getippt. Das ist sehr faszinierend.
Ian: Ich zolle ihr mit allem Tribut.
Ich denke, das ist auch bei mir am Ende angekommen. Das viele Dinge, die du macht, ein Tribut an sie sind.
Ian: Vieles was ich versuche zu machen ist… Ich habe nicht realisiert, dass es so düster wird. Das tut mir leid. Aber da wir schon in die Richtung gehen, lass uns gehen. Als Kind fing ich an Gitarre zu spielen und Songs zu schreiben, weil ich viel Zeit für mich alleine hatte. Ein paar Jahre nachdem meine Mama gestorben ist, wurde mir klar, dass ich ihr Stimme nicht mehr erkennen konnte. Sie könnte hier in diesem Zimmer sein, genau jetzt, und ich würde es nicht wissen, weil man diesen Sinn verliert. Vielleicht ist es nur ein Komplex in meinem Hirn, dass ich mich selber aufnehme, singe, und die Geschichte meines Lebens erzähle, so dass meine Geliebten nicht den Klang meiner Stimme vergessen, wenn ich mal sterbe.
Das macht Sinn. Mein Vater hat vor dem Tod meiner Großeltern immer Videos von ihnen in ganz normalen Situationen aufgenommen. Vor ein paar Wochen haben wir sie uns mal angesehen und ich dachte nur, „ach, so haben sie geklungen“. Für mich macht es also Sinn, was du sagst.
Ian: Und es ist auch schön so etwas zu haben. Ich denke mal, eine Menge Menschen haben das, aber wir haben nichts dergleichen von meiner Mama. Ich denke, die Menschen denken in ihrem Leben oft nicht so weit im Voraus und begreifen, dass wir alle sterben werden. Egal. Was kommt jetzt?
Mal schauen, ob ich hier noch ein erbaulicheres Thema auf dem Zettel habe… Das Video für „The Darkness“ scheint von allem zu handeln, wovor ein Musiker Angst haben könnte – alt sein, immer noch in kleinen Kneipen zu spielen und zu vergessen, was wichtig ist. Für mich scheint es so, als ob der Hauptcharakter seine Tochter nicht oft genug gesehen hat. Das wäre für mich der Alptraum als Musiker, der ständig auf Tour ist.
Cory D: Das ist eine reale Möglichkeit wie die Dinge für Musiker verlaufen können. Du kannst dir dein ganzen Leben den Arsch abarbeiten.
Ian: Das ist die deprimierende Seite dieses Geschäfts.
Cory D: Aber auf der anderen Seite sucht man sich selber aus, was man bereit ist zu tun, um das machen zu können, was man liebt. Auch wenn das der Weg ist wie dein Leben verläuft, heißt das nicht, dass es dabei nicht großartige Momente gab. Es gibt Momente, da wird dir schwindelig und du lachst, weil du nicht glauben kannst, dass du das tust. Manchmal habe ich auf der Bühne Momente, wir alle haben die, da musst du deinen Kopf kurz wegdrehen, weil du so ekstatisch bist das du gerade das machst, dass du anfängst zu lachen.
Ian: Ich denke, dass es da auch ein wenig Licht am Ende des Tunnels gibt. Der Charakter hat zwar viel in seinem Leben verpasst, wie seine Tochter und so, aber immerhin konnte er tun was er liebt und er macht es immer noch. Wer weiß schon, was wir erreichen werden. Wir wissen was wir gemacht haben und ich bin sehr dankbar dafür, das zu haben, aber ich denke, ich wäre später mal nicht gerne dieser Kerl. Aber wer weiß das schon?
Ab einem bestimmten Alter ist das Spielen in kleinen Clubs nicht mehr das Tollste…
Ian: Vielleicht nicht, aber es liegt darin auch eine gewisse Romantik. Du machst einfach was du willst bis du aufsteigst. Ich werden für den Rest meines Leben spielen. Das weiß ich. Ich weiß nicht wo oder auf welchem Level. Ich denke, solange man hart arbeitet und du immer weitermachst, dann erhältst du hoffentlich auch was zurück. Dieser Charakter war von Alkohol, Drogen und all dem gefangen. Wir versuchen dem so gut es geht fern zu bleiben – wenigstens bis zu dem Punkt an dem es dich zerstört.
Für „The Forgotten And The Brave“ habt ihr die Musik etwas verändert. Es gibt kein Banjo mehr!
Ian: Kein Banjo, keine Mandoline.
Wieso?
Cory: Ich denke, die Songs haben einfach danach verlangt. Als er sie in den Proberaum gebracht hat, riefen sie mehr nach Piano und Orgel. Wir arbeiten mittlerweile schon wieder an ganz neuen Sachen und da gibt es das Banjo wieder. Wir gehen nicht ganz davon weg, aber es muss halt das richtig Werkzeug für den Job sein. Das hängt vom Song ab und davon was für ihn richtig ist.
Für mich klingt es recht merkwürdig, Instrumente bei einem Album abzuschaffen, die beim Vorgänger so präsent waren.
Ian: Das ist schon ein ziemlicher Unterschied. Außerdem denke ich, dass es gut ist nicht immer das gleiche zu machen. Du willst ja nicht…
KISS sein? [alle lachen]
Cory D: Wir haben den Luxus, dass ich und Doc [De Groot, diverese Saiteninstrumente] Multi-Instrumentalisten sind und wir diese Möglichkeiten haben. Es ist schön zu wissen, dass wenn wir eine Mandoline,eine 12-saitige Gitarre, ein Tasteninstrument oder Banjo einbringen wollen, es auch können. Das ist kein Problem. Wir haben Glück diese Möglichkeit zu haben.
Ian: Es war für uns einfach die nächste Stufe. Und wir nehmen ein Album auf, das wieder anders sein wird, aber die Kernessenz wird die Gleiche sein.
Cory D: Ja, die Essenz bleibt. Alle Songs haben den gleichen Themenstrang, der sie verbindet, aber der Sound variiert manchmal.
Vielen Dank für das Interview, Jungs!
Das Album „The Forgotten And The Brave“ ist bereits im Oktober bei uns erschienen und für jeden empfehlenswert, der sehr guten Folk Rock zu schätzen weiß.
v.l.n.r.: Cory Dee, Mike Nash, Fred Brenton, Dörte Heilewelt, Ian McIntosh, Doc De Groot (Foto: Lisa von Gunner Records)
Interview & Livephotos: Dörte Heilewelt