Im Rahmen des Chic & Schnack Festivals, das französische Musik für ein Wochenende nach Berlin bringt, hat sich die wunderhübsche Singer-Songwriterin Mina Tindle, die mit bürgerlichen Namen Pauline de Lassus heißt, ein wenig Zeit für uns genommen. Die entzückende Französin erzählt von ihrem neuen Album „Parades“, Indie Pop auf Französisch, Sprachwirkungen und kreativen Erleuchtungen.
Auf deinem neuen Album „Parades“ hast du dich für eine Mischung von französischen und englischen Texten entschieden. Die meisten Songs sind allerdings auf französisch. Wovon machst du es abhängig, ob du ein Lied auf der einen oder der anderen Sprache singen möchtest?
Von den 12 Songs auf „Parades“ sind 7 auf Französisch. Mein erstes Album hingegen war fast nur englisch. Englisch ist für mich die Sprache gewesen, mit der ich mich in die Musikwelt begeben habe. In meiner Band waren zwei Amerikaner. Die Musik, die ich selber gehört habe, war angelsächsisch. Daran hatte ich mich damals orientiert. Aber auf einmal hat mir die Idee auf Französisch zu schreiben gefallen. Es war eine große Herausforderung meine Muttersprache in die Musik hineinzubringen. Es gibt noch nicht so viele Künstler, die Indie-Popmusik auf Französisch machen. Typische französische Singer-Songwriter Songs gibt es viele, aber Indie Pop kombiniert mit der französischen Sprache? Den Unterschied, den die Sprachwahl für mich bedeutet, könnte man so beschreiben, als ob ein Maler neue Farben für ein Bild auswählt. Aquarell- anstatt Ölfarben. Die Hand dahinter ist die gleiche, aber das Ergebnis ist anders. Ich höre viel italienische und brasilianische Musik. Es macht Spaß durch eine andere Sprache in der Musik eine neue Welt zu entdecken.
In deinem Shut Up And Shuffle tauchte tatsächlich brasilianische und auch kubanische Musik auf. Damit hätte sich das Rätsel gelöst.
Ja, und ich habe tatsächlich nicht geschummelt! Die Playlist war aber ein bisschen komisch, oder? Aber es hat Spaß gemacht.
Sprache kann so musikalisch sein, wie ein Instrument. Würdest du da zustimmen?
Oh, auf jeden Fall! Manchmal ist es schwierig, weil Französisch sehr hart klingt. Ich glaube euch Deutschen geht es da sehr ähnlich. Aber gleichzeitig gibt es doch wahnsinnig schöne deutsche Opern. Es hängt von so vielen Faktoren ab, wie eine Sprache rüberkommt. Auf Französisch wird das Singer-Songwriter Genre als Chanson Française bezeichnet. In dem Fall ist die Sprache so poetisch, so ausdrucksreich. Aber damit Popmusik zu kreieren kann schwer sein. Einfache Wörter auszuwählen, die nicht ausdruckslos klingen? Diese Wörter dann ständig zu wiederholen? Es ist eine Herausforderung das poetisch klingen zu lassen. Da versuche ich mit meiner Musik eine Lücke zu füllen. Natürlich gibt es schon so viele Künstler vor mir, die dieselbe Richtung eingeschlagen haben. Aber es ist schon ein bisschen ungewöhnlich in meinem Alter, für meine Generation. Es war einfach zu normal englische Musik zu machen. So langsam kommt das Französische wieder, das ist doch interessant.
Wie ist deine Reise von deinem ersten Album bis zu dem neuen verlaufen?
Mein erstes Album wurde eher als Folkmusik bezeichnet. Ich selber würde sagen, das stimmt gar nicht so. Es gab schon einige Poplieder darauf, aber eben hauptsächlich mit einer Akustikgitarre gespielt. „Parades“ ist eklektischer, ein bisschen rockig und auch ein bisschen elektrisch. Es zeigt ein größeres Spektrum meiner Einflüsse. Oft werde ich gefragt, ob das neue Album mich mehr repräsentiert. Aber das tut es nicht mehr als mein erstes Album. Beide sind Teil von mir, zu unterschiedlichen Zeiten in meinem Leben entstanden. Mein erstes Album repräsentiert mich mit Anfang 20, ich war schüchterner und unerfahrener. Jetzt bin ich 31, habe mehr Erfahrungen, weiß wie ich diesen Job machen will und außerdem habe ich viele Live-Konzerte gespielt. Ich habe mir weniger Sorgen gemacht. Bei dem ersten Album hatte ich viele Ängste, die ich jetzt loslassen konnte. Das heißt, es hat mehr Spaß gemacht und ich konnte mich viel mehr einbringen.
Du klingst sehr offen und losgelöst, wenn du davon erzählst. Hast du jetzt schon Ideen was du noch alles so ausprobieren möchtest?
Ich würde gerne so viel ausprobieren. Alles ist offen! Alles ist möglich!
Wie gehst du normalerweise an das Songwriting heran?
Für „Parades“ habe ich mir Zeit genommen und eine feste Deadline gesetzt. Das Ziel: 12 Songs in einem Sommer schreiben. Genauso habe ich es gemacht. Es hat funktioniert. Wäre ich unzufrieden mit dem Ergebnis gewesen, dann hätte ich natürlich länger gewartet und noch mehr Arbeit reingesteckt. Ich habe nie richtig gelernt Musik zu schreiben. Es ist alles sehr intuitiv und fühlt sich oft magisch an. Besonders diese Momente, in denen ein Song wie eine Erleuchtung erscheint und einen einnimmt. Dann kann es wirklich passieren, dass es nur ein paar Stunden dauert, bis ein Song fertig ist. Von den Bearbeitungen abgesehen natürlich. Es ist so wichtig dieses spontane Gefühl genau in dem Moment einzufangen. Es gefällt mir sehr, wenn es einfach „passiert“ und man nicht zu viel darüber nachdenkt.
Unter welchen Bedingungen passieren diese kreativen Ausbrüche denn am meisten?
Nachts! Ich schlafe nicht sehr gut und auch nicht viel. Den ganzen Sommer war ich auf Reisen unterwegs und als ich dann zurück nach Paris gekommen bin, habe ich mir eine tägliche Routine angeeignet. Jeden Morgen zur gleichen Zeit bin ich ins Schwimmbad gegangen. Danach gab es zu Hause Essen und direkt im Anschluss ging die Arbeit los. Ich habe mich bewusst daran gesetzt und die Zeit dafür genommen, bis spät in die Nacht hinein. Und wenn es zu viel wurde, dann bin ich wieder auf eine kleine Reise gegangen und habe wunderbare Orte entdeckt. Diese bewusste Entscheidung, das Album in einem Sommer fertig zu bekommen, war der Grund dafür, dass alles so geplant wurde.
Bei deinem ersten Album war das nicht so. Wie würdest du die Arbeit im Vergleich dazu damals beschreiben?
Zu der Zeit war ich allgemein eine traurigere Person. Ich war verletzt und wollte viel loswerden. Bei „Parades“ habe ich mich freier gefühlt. Nach ein paar Liedern habe ich realisiert, hey, ich bin gar nicht mehr so schüchtern. Ich kann tun und lassen was ich will. Ich muss mich nicht hinter der Musik verstecken. Es ist jetzt simpler und direkter.
Wann und wo sollte man sich dein Album anhören? Was ist die perfekte Situation dafür?
Also eigentlich würde ich sagen, dass Sommer sein müsste. Das ist jetzt ja eher unpassend…. (lacht) Da es aber ein warmes Album ist, kann es im Winter auch für warme Gedanken sorgen. Also passt es doch jetzt zu dieser Jahreszeit, auch wenn viel sommerliche Energie drinsteckt. Es ist kein trauriges Album. Die Platte würde ich zu Hause anhören, mit Kopfhörern, alleine, mit einem Glas Wein. Oder im Auto. Oder auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn. Ich habe das Gefühl, dass Leute heute nicht mehr auf die gleiche Art wie früher Musik hören. Musik ist überall, aber man hört sie nicht bewusst und nimmt sich nicht die Zeit dafür, die die Musik verdient. Deswegen liebe ich Schallplatten so sehr. Man muss sich hingebungsvoll auf diese Zeremonie einlassen und nicht nur auf eine Taste klicken.
Sobald Musik veröffentlich ist, kann sie Teil eines Soundtracks für das Leben einer Person werden. Hast du schon einmal Feedback bekommen, dass einer deiner Songs für einen Fan mit einer bestimmten Situation verbunden war?
Oh ja, vor allem bei Liedern, die von einem Beziehungsende handeln. Da habe ich schon gehört, dass es Leuten geholfen hat. Dass es genau in dem Moment genau den Punkt getroffen hat. Jemand hat gesagt: „This song is killing me! I listen to it over and over again.“ Wie oft habe ich in meinem Leben schon Lieder gehört, die mich total fertig gemacht haben, weil sie meine Emotionen genau getroffen haben. Dieses Gefühl bei Menschen zu erreichen, das ist der Grund, warum wir Musik machen.
Interview: Christina Heckmann
Fotos: Markus Werner