Julie Ann Campbell hat 2010 als LoneLady ihr Debütalbum „Nerve Up“ veröffentlicht. Inzwischen hat die schüchterne Britin, die in Manchester geboren und aufgewachsen ist, zahlreiche Shows gespielt und ihr zweites Album „Hinterland“ geboren, mit dem sie im Oktober auch wieder für zwei Shows nach Deutschland gekommen ist. LoneLady wirkt, im Vergleich zu früheren Jahren, gelöster auf der Bühne. Ihre zurückhaltende Art hat sie nicht abgelegt, was auch gut so ist, so ist sie und das ist auch das Spannende an ihrer Performance. Aber ein klein wenig wirkt es so, als wäre die Musik ein Stück weit mehr in ihrem Körper angekommen, ihre Bewegungen sind geschmeidiger geworden und mit ihrem androgynen Charme gelingt es ihr durchaus, ihr Publikum zu verzücken. Auch im Gespräch ist Julie Campbell schüchtern aber gesprächig und vor allem sehr sympathisch. Und dass es eines Tages so sein könnte, dass LoneLady vielleicht gar nicht mehr LoneLady ist, hat sie uns auch verraten.
Der Winter steht ja vor der Tür. Wie kann man sich die dunkle Jahreszeit in Manchester vorstellen?
Der Winter hat sich in den letzten Jahren dort irgendwie auf Februar/März verschoben. Ich finde die Stadt sehr schön im Winter, aber es kann sich schon ganz schön hinziehen. Es ist sehr dunkel, man wird fast ein bisschen klaustrophobisch.
Hast Du Dein gesamtes Leben in Manchester verbracht?
Ja, ich habe nie wirklich woanders gelebt. Durch die Musik reise ich viel, aber woanders gewohnt habe ich nie.
Wie ist es, in Manchester aufzuwachsen?
Die Innenstadt ist eigentlich eher klein. Mir zumindest kommt sie klein vor. Ich bin in Audenshaw aufgewachsen, das liegt sechs Meilen östlich vom Stadtcenter, und habe dort direkt an einem Feld gewohnt mit meinem eigenen Betonstrand vor der Tür. Ich hatte Glück mit der Umgebung, in der ich groß geworden bin. Das spiegelt sich in den Texten auf meinem neuen Album wider. Der Albumtitel „Hinterland“ vereint all diese Landschaften, die Landschaften meiner Kindheit, die Gegenden in und um Manchester herum, durch die ich immer gern gelaufen bin. All das ist mit eingeflossen in die Platte, auch in die Sounds, die ich kreieren wollte.
Ich habe vor ein paar Jahren Dein erstes Album „Nerve Up“ gehört und fand damals schon sowohl Deinen Sound als auch die Art, wie Du Deine Stimme gebrauchst, sehr speziell.
Das ist cool. Als ich angefangen habe Musik zu schreiben, habe ich mich unwohl damit gefühlt, auf andere Musiker zuzugehen und sie zu fragen, ob sie mit mir gemeinsam in einem Raum jammen wollen. Also habe ich mir einen Vierspur Kassettenrekorder gekauft und angefangen, selber Soundschichten übereinander zu legen. Dazu habe ich einen Drumcomputer benutzt. Ich war zu schüchtern, mir einen richtigen Schlagzeuger zu suchen. Ich glaube, aus diesen eher praktisch orientierten Anfängen hat sich der Kern meines Sounds entwickelt. So habe ich angefangen und so ist es geblieben. Der Drumcomputer und meine Gitarre sind heute noch das, woraus alles entsteht. Außerdem, wenn man einen Vierspur Rekorder benutzt – später habe ich mir einen Achtspur zugelegt – ist man gezwungen, ökonomisch zu denken, was die Arrangements angeht. „Nerve Up“ ist dadurch ein eher schlichtes Album geworden, während bei „Hinterland“ die Sounds etwas verspielter, farbiger geworden sind.
Als ich Dich 2010 das erste Mal live gesehen habe, fand ich Dich auf der Bühne sehr ernst. „Hinterland“ bricht diese Ernsthaftigkeit ein wenig, trotzdem ist sie nach wie vor ein starker Bestandteil Deiner Musik und Deiner Performance.
Wenn man hinaus auf die Bühne geht um Leute zu unterhalten, ist es wichtig, dass man seine eigenen Qualitäten sieht und anerkennt. Man sollte sich keine Sorgen um das machen, was man vielleicht nicht ist. Ich bin keine extrovertierte Performerin, aber ich denke, es gibt auch Platz da draußen für introvertierte Performer und sie haben genauso viel anzubieten. Es ist auf eine andere Art interessant. Ich versuche auch nicht bewusst, Leute von mir fern zu halten. Ich liebe es Musik zu schreiben und ich liebe es Musik zu spielen. Aber auf einer Bühne zu stehen ist schon schwierig für mich. Trotzdem denke ich, dass das auch eine Qualität hat, die Menschen anzieht.
Man könnte also sagen, Du hast Dir Deinen Künstlernamen nicht ohne Grund ausgesucht?
(lächelt) Der Name… ich habe ihn mir ausgesucht, als ich noch um einiges jünger war. Heute würde ich ihn so glaube ich nicht mehr wählen. Ich finde ihn ein wenig zu plakativ. Er bezieht sich auch auf mein Geschlecht, was ich eigentlich nicht mag. Ich bezeichne mich als Künstlerin, nicht explizit als weibliche Künstlerin.
Hast Du das Gefühl, dass Du mit diesem Namen jetzt festsitzt?
Ich denke eher, man sollte vorsichtig sein, welchen Namen man sich aussucht, denn er könnte ein Teil Deiner Persönlichkeit und damit wahr werden. Ich verbringe tatsächlich viel Zeit mit mir allein, wenn ich meine Musik schreibe. Aber das ist nun mal mein Prozess, ich bin gerne im Studio und schreibe Musik. Trotzdem, vielleicht muss LoneLady irgendwann gehen. Könnte passieren (lacht).
Du hast also die Aufnahmen zu „Hinterland“ auch wieder alleine gemacht. Diesmal mit einem Achtspurgerät, wie Du vorhin sagtest.
Ja, ich hatte ein paar Songskizzen, die ich über Monate hinweg weiter entwickelt habe. Erst mit der Zeit wurde klar, dass diese Songs keine Demos sind, ich wusste, die Intimität und Integrität die die Aufnahmen hatten, würde sich nicht noch einmal in einem professionellen Studio nachstellen lassen. Das können sehr sterile Orte sein. Mein Bett ist im gleichen Raum wie mein Studio. Ich konnte aufwachen und mich sofort an mein Pult setzen. Ich lebe seit Jahren in einem Beton Hochhaus. All das hat in den Sound hinein gespielt. Ich habe in der Zeit ein ziemliches Einsiedlerleben geführt und bin voll in der Welt des Albums aufgegangen. Meine Lebensumstände haben geholfen das aufzubauen, was das Album am Ende geworden ist. Ich fand, das waren Qualitäten, die ich bewahren musste. Ich habe „Hinterland“ in meinem Homestudio geschrieben, aufgenommen und produziert. Am Ende brauchte ich nur jemanden, der mir mit den letzten 25 Prozent hilft. Ich wollte hier und da akustische Drums dazu haben, ein paar elektronische Spielereien und die Linn Drum…
Ist das der Drumcomputer, den auch Prince benutzt?
Der LM1 Drumcomputer, richtig. Ich war so glücklich, dass ich den auf der Platte haben konnte. All das hat mich zu Bille Skibbe und seinen Key Club Studios in Michigan geführt. Er hatte ein gutes Gefühl für meinen Sound und wollte ihn nicht stören. Er hat ein paar subtile Ebenen vorgeschlagen, die wir hinzu genommen haben. Ein bisschen mehr Volumen und Tiefe. Als Außenstehender würde man den Unterschied vielleicht gar nicht groß hören, aber ich denke, er hat den Sound perfekt abgerundet.
Als großer Prince Fan ist mir natürlich sofort aufgefallen, dass er in der Presse von Anfang an gerne als Einfluss auf „Hinterland“ genannt wurde. Das hat mich sehr neugierig gemacht, wie Deine Musik mit der Prince Referenz zusammen kommt.
Das ist nicht wirklich etwas, das ich persönlich nach außen hin kommuniziert habe. Vielleicht kommt es durch den verspielteren Sound. Jemand von Warp hat mir ein paar sehr rohe Demos von ihm weiter geleitet. Man kriegt sie bestimmt im Internet. Das hat mich sehr inspiriert. Und mit diesem Album ist mein Interesse an Funk und Dance Musik sehr gewachsen.
Es ist ein sehr tanzbares Album geworden!
Das freut mich. Das war auch einer meiner Hauptbeweggründe. Ich wollte meine eigene Definition von Dance Music erforschen. Diese treibenden Beats, zu denen man sich einfach bewegen muss. Auf eine Art finde ich das unwiderstehlich.
Fotos: Lynn Lauterbach