Endlich hat „Elba“, das zweite Album von Laura Jansen das Licht der Welt bzw. das Licht Deutschlands entdeckt. In ihrer Heimat, den Niederlanden, ist das Album schon seit ein paar Monaten erhältlich. Ihre tiefgehenden, herzerfüllenden Texte unterlegt sie mit großen, teils elektronischen Melodien – es ist eine deutliche Weiterentwicklung zu ihrem letzten Album „Bells“. Mit „Elba“ kreierten Laura und ihr Produzent Matt Hales (Paloma Faith, Lianne La Havas) ein Popalbum der Extraklasse. Neben ihrer Band holte sie sich noch zwei weitere Gäste mit auf das Album: Ed Harcourt und Tom Chaplin (Keane). In unserem Interview erfahrt ihr mehr über diese Zusammenarbeiten, wie es ist unter einem Majorlabel wie Universal zu arbeiten und viele andere HIntergründe zu der Erschaffung dieses Albums.
Natürlich konnten wir es uns nicht nehmen lassen, sie zu dieser Gelegenheit wieder zum Interview zu treffen und können es nach einer leichten Verzögerung auch endlich mit euch teilen. Schon bei unserem ersten Interview 2010 verzückte Laura uns mit ihrem Charm (hier nachzulesen). Eine Verzückung, die bis heute kein bisschen nachgelassen hat. Viel Spaß beim Lesen!
Das erste was ich vom neuen Album gesehen habe ist, wie du einen neuen Song im Holländischen Radio gespielt hast und nicht mehr hinter dem Piano gesessen hast.
Na ja, das mache ich nur für ein paar Songs und es war eine persönliche Herausforderung. Das ganze Album handelt davon, meine eigenen Grenzen zu verschieben. Also, vom Piano aufzustehen und zu stehen ist sehr Angst einflößend. Ich mache das bei ein paar Songs. Während der Show werde ich die meiste Zeit hinter dem Piano sitzen, aber jetzt werde ich auch etwas aufstehen, versuchen mich zu bewegen, mit den Leuten zu reden, ihnen in die Augen gucken und nicht ängstlich zu sein.
Als wir das letzte Interview miteinander gemacht haben, warst du alleine mit deinem Piano, dann hattest du deine Band dabei und jetzt verlässt du das Piano…
…es wächst. Ein Künstler sollte sich selber herausfordern. Ich denke, wir alle sollten das machen. Das ganze Album war eine Herausforderung und offensichtlich auch ein großer Sprung im Stil und beim Texten. Es fühlt sich also gut an bei ein paar Songs aufzustehen. Ich habe alle Songs auf dem Piano geschrieben und es ist in jedem Song, aber manchmal spiele ich es nicht.
Du wolltest auch die elektronische Seite der Musik etwas mehr erkunden. Scheint so als ob du es tatsächlich getan hast.
Ja, ich habe meinen kleinen Zeh in den Swimmingpool der elektronischen Musik getaucht. Das war wirklich spaßig.
Das ist schön zu hören. Ich mag es.
Ich bin so froh. Es war wichtig für mich ein Album zu machen, das sich wie die Sachen anhört, die ich höre. Als ich angefangen habe mit meinem Produzenten zu arbeiten, haben wir uns über meine Lieblingsalben unterhalten. Ich habe das Jonsi Album und sehr viel Miike Snow gehört, aber auch Robyn and Gotye. Einfach Künstler, die wirklich starke Songs haben. Man könnte jeden ihrer Songs auf dem Klavier spielen, aber die Produktion ist diese wunderbare Kombination von Elektronischer Musik und organischen Instrumenten und deren Sound zu verändern, sie zu samplen oder sie anders zu benutzen. Ich wollte das wirklich machen. Ich wollte kein Solo Klavier Album machen. Ich wollte den Leuten und mir selber beweisen, dass ich auf diese Art, die so gerne mag, schreiben kann.
Du hast diesmal auch ein ganzen Album geschrieben anstelle von zwei EPs.
Genau. Das war das erste Mal. Ich habe noch nie probiert ein ganzen Album zu schreiben, die EPs wurden in ein Album umgewandelt. Die Geschichte hat funktioniert, aber zwischen den Songs lag für mich eine Menge Zeit und Geschichte – einige Songs waren sehr alt, andere neu. Diesmal war es meine Herausforderung ein ganzen Album zu schreiben, so dass es am Ende auch Sinn macht. Am Anfang war das sehr beängstigend. Nachdem der erste Song fertig war, wurde es einfacher für mich, weil ich in meinem Kopf diesen Ort hatte, diese Insel und die Idee und das Konzept. Für mich wurde es einfacher so zu arbeiten.
Deswegen heißt es auch Elba?
Ja, der erste Song von dem ich wirklich wusste, dass er auf dem Album sein würde, war „Queen of Elba“. Es wurde ein echter, sehr vertrauter Ort für mich, obwohl es ein realer Ort ist, an dem ich noch nie war. Ich wurde zu der Insel und wollte die Insel erkunden und jedem Song einen Ort, eine Stadt, auf der Insel geben. Das machte es ziemlich einfach.
Das zeigt sich auch auf dem Cover. Jetzt macht es Sinn, dass du eine Insel auf dem Kopf hast.
Im Grunde wächst mir eine Insel aus dem Kopf. Ich fühle mich wie eine Insel und ich denke, jeder ist eine Insel. Es ist sehr interessant, die Insel zu erkunden und zwar tief im Landesinneren anstatt nur die Grenzen. Wenn man all das Wasser wegnimmt, sind sie alle verbunden, aber wir fühlen das oft nicht. Ich mochte die Idee des Exils wie bei Napoleon. Manchmal sucht man es aus, manchmal wird man dazu gezwungen. Das waren die Themen, mit dem ich mich in meinen eigenen Leben beschäftigte. Es machte also Sinn.
Und man verbindet die Inseln mit Papierbooten (Anm. d. Red.: „Paper Boats“ heißt ein Song auf dem Album)…
Paper Boats…Es gibt nichts zerbrechlicheres als Papierboote und dieser Song ist fast ein Gebet ohne dabei christlich zu werden. Es hat mehr was von Hoffnung und Hoffnung ist eine so zerbrechliche Sache. Es ist so schwer positiv zu sein und jeden Tag etwas gutes zu tun und jeden Tag Hoffnung zu haben. Wenn ich diese Momente habe, fühlt es sich wie diese Papierboote an. Sie sind zu zerbrechlich. Der Hafen meiner Insel ist voll von Papierbooten.
Du hattest diesmal auch Gäste auf dem Album. Wie hast du Ed Harcourt und Tom Chaplin getroffen?
Ich bin schon ewig ein Fan von Ed Harcourt. Er ist ein sehr geschätzter Songschreiber. Unter Musikern ist er sehr bekannt, unter Radiohörern nicht so sehr. Ich habe seine Musik vor einigen Jahren gehört als irgendjemand sein Album spielte. Ich liebte einfach seine Schwere und behielt ihn im Kopf und packte ihn sozusagen in eine Akte mit Leuten, die ich liebe. Ed war die erste Person, mit der ich jemals zusammen geschrieben habe. Das ist natürlich kein guter Anfangspunkt, wenn man so etwas noch nicht gemacht hat, weil es sehr einschüchternd ist. Er ist ein viel beschäftigter Mann und ich dachte, dass ich nur ein weiterer Termin in seinem Kalender bin. Als ich dann an seinem Haus aufgetaucht bin, in seinem Studio, trug er Federn und trank Kaffee aus einer Tasse, die wie ein Wolf geformt war. Er öffnete die Tür und ich dachte ‚Oh, wir werden Freunde sein“. Beim ersten Mal als wir zusammen schrieben, verbrachten wir zwei Tage damit zu reden und wir schrieben nicht wirklich einen guten Song. Ein paar Wochen später ging ich zurück nach London und wir schrieben „A Call To Arms“. Es war ein so einfacher und ehrlicher Prozess mit ihm. Wir sind wirklich gute Freunde geworden und ich bewundere ihn und seine Familie. Ich fühle mich so geehrt, dass es diesen Song gibt, mit dem wir an diese Freundschaft erinnern können. Der Song mit Tom Chaplin passierte, weil ich Ende des letzten Sommers gefragt wurde, ob ich eine Wohltätigkeitssingle für das Rote Kreuz in Holland schreiben würden. Ich wollte ein Duet und kein Solosong schreiben, weil ich dafür noch nicht bereit war. In meinem Kopf waren zwei Stimmen, die für das Duet in Frage kommen könnten, und Toms Stimme war die Erste auf der Liste. Ich sendete den Song über seinen Manager zu ihm. Er sagte zu, aber es war ziemlich merkwürdig, weil ich ihn nie getroffen hatte, wir kannten uns nicht und wir waren keine Freunde. Er hätte einfach nein sagen können. Wir trafen uns das erste Mal nachdem wir den Song aufgenommen hatten. Er nahm ihn im Bus auf und wir redeten am Telefon recht lange und trafen uns erst, als der Song aufgenommen war.
Es gibt auch ein Cover von Bronski Beats „Small Town Boys“.
Genaugenommen ist es ein Song mit zwei Covern. In der Mitte des Songs hört man „Johnny Come Home“ von den Fine Young Cannibals. Wir entschlossen uns dazu die beiden zu mixen. Ich habe diesen Song schon immer geliebt. Es ist erneut Teil der Geschichte und es ist ein Song, den ich schon immer machen wollte. Ich denke, es ist Song der die Zeit überdauert. Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis.
Du hast etwas mit dem Covern von Songs von männlichen Künstlern.
Ja, ich denke, die Vorstellung den Song zu seinem eigenen zu machen ist einfacher bei einer Männerstimme. Sonst verspüre ich unterbewusst immer das Bedürfnis den Sound zu kopieren oder es ist einfach nur schwerer für mich ich selber zu sein.
Hast du es geschafft unabhängig von deinem Label Universal zu bleiben? Ich erinnere mich, dass du beim letzten Interview gesagt hast, du willst so unabhängig wir möglich bleiben.
Ja, das habe ich. Besonders bei diesem Album gab es die erste Möglichkeit, dass sich zu viele Leute einmischen. Es war das erste Mal, dass ich ein Album unter einem Majorlabel gemacht habe und ich war ein wenig besorgt, dass sich der Prozess verändert, aber sie haben mir wirklich vertraut. Niemand außer mir und dem Produzenten war im Studio. Was das Label gemacht hat, ist mich mit Leuten zusammenbringen, mit denen ich zusammenarbeiten wollte. Sie ließen mich für Monate alleine. Als wir ihnen das Album dann vorspielten, meinten sie nur: „Großartig, wann können wir es veröffentlichen?“ Ich konnte auch mein eigenes Artwork und meine eigenen Videos machen. Mir wurde wirklich vertraut und ich bin so dankbar. Ich habe innerhalb eines Majorlabels ein kreativ sehr erfüllendes Erlebnis.
Inwiefern hat sich der Prozess des Schreibens geändert?
Es ist das erste Album, das ich mit anderen Leuten zusammen geschrieben habe. Das war eine sehr große Veränderung, weil ich in diesem Prozess lernen musste was gehört mir, was wird geteilt und was kann ich lernen. Das waren die drei Fragen, die ich mir immer gestellt habe. Von Leuten herausgefordert zu werden, die musikalisch sind und die man bewundert, sein Ego zur Seite zu packen und seine Nervosität einzustellen und zusammen Risikos einzugehen und diese Person reflektiert dann alles als etwas positives zu dir zurück, ist wirklich… Ich bin erwachsen geworden, ich bin als Künstlerin gewachsen. Ich habe die beste Arbeit abgeliefert, die ich zur Zeit liefern kann. Ich hätte es nicht besser machen können. Für den Moment ist es meine beste Arbeit und es fühlt sich gut an, ans Limit gepushed worden zu sein – nicht einfach nur einen Song OK zu finden, sondern alles in Frage zu stellen, mich in meinem Style und meinem Gesang anzutreiben. Das Schreiben ging super schnell, jeder Song dauerte zwei Tage. Obwohl es eine sehr schmerzhafte Zeit war, entstanden die Songs auf eine sehr schmerzlose Weise. Es hat sich sehr einfach angefühlt. Das ist der Punkt, an dem man weiß, dass man von den richtigen Leuten umgeben ist.
Ist es noch genauso persönlich wie das Erste?
Oh Gott, ja. Es ist so schmerzhaft und so persönlich. Es gibt immer noch Momente im Set, wo ich mich nicht vom Inhalt der Songs lösen kann. Es ist ein sehr persönliches Album, weil ich es in einer sehr schweren Zeit in meinem Leben geschrieben habe. Meine Beziehung endete während ich das Album schrieb. Ich musste mich dazu entscheiden darüber zu schreiben, was an dem Tag passierte. Und dann ins Studio zu gehen und darüber zu schreiben…. es war fast hysterisch, manchmal hysterisches Weinen, manchmal hysterisches Lachen. Es war eine über-emotionale Zeit für mich und die Songs handeln davon. „Around The Sun“ ist der schwerste Song für mich, emotional, aber auch technisch ist er sehr schwer. Letzte Woche spielte ich ihn gefühlvoll und musste aufhören. Ich musste eine Einkaufsliste schreiben, um nicht mehr emotional zu sein. Es ist ein sehr persönliches Album, aber es ist nicht sehr offensichtlich. Ich experimentiere mit Texten, die etwas verschleierter und etwas bedeckter sind. Ich denke, ich habe mal wieder sehr viel Kate Bush gehört.
Das hört man auch ein wenig.
Oh, tut man das? Das ist gut. Die Art wie sie schreibt ist magisch, aber es sind so tiefgründige Gefühle in ihrer Magie. Ich denke, die letzten zwei Jahre im Rampenlicht und zu erfahren wie es ist, wenn noch andere Leute außer deiner Familie auf dein Leben gucken, hat mich sehr privat in Bezug auf mein Leben werden lassen. Es ist nicht das Gleiche, wenn man über eine Beziehung redet, die vor 10 Jahren endete oder über eine, die dieses und letztes Jahr endete. Ich musste also einen Weg finden darüber zu reden ohne dabei zu zerbrechen. Ich bin wirklich stolz auf das Album.
Das solltest du auch, du hast jeden Grund stolz auf dein Album zu sein.
Aber es ist auch OK, wenn Leute es nicht mögen. Ich reibe mich nicht mehr an Reviews auf. ch habe das früher gemacht. Und ich habe das coolste Publikum in der Welt und sie kennen mich gut genug um zu wissen, dass es persönlich ist. Es fühlt sich sicher an. Aber es ist auch OK, sich nicht sicher zu fühlen. Es ist auch wirklich aufregend sehr verletzlich zu sein. Das ist wirklich gut für mich.
Ist es? Oft versuchen Menschen nicht zu zeigen, dass sie verletzlich sind. Ich mache das zumindest sehr oft.
Ich denke, das ist das Problem. Ich denke, es ist sehr mutig Menschen wissen zu lassen, dass man nicht perfekt ist und und es einem trotzdem gut geht. Mir geht es gut und bin nicht OK zur gleichen Zeit. Das ist Teil des Menschseins und es ist ein großer Teil des Albums. Ich muss mich dafür mich entschuldigen, aber es ist immer beängstigend. Ich will nur meinen Job weitermachen. Wenn Leute mein Album nicht mögen, dann kann ich meinen Job nicht machen und das ist beängstigend.
Vielen Dank, Laura.
Das Album „Elba“ ist bei uns am 12. Juli 2013 erschienen.
Erneut verzaubert wurde: Dörte Heilewelt
Fotos (c) Universal Music