Die Schwedin Jennie Abrahamson hat vor kurzem ihr zweites Album „While The Sun’s Still Up And The Sky Is Bright“ bei und veröffentlicht. Im Zuge dessen haben wir mit ihr ein wenig über ihr Album geredet.
Es gibt zwei Sachen, die einem sofort ins Gehör springen, wenn man sich Jennie Abrahamsons aktuelles Album anhört. Das erste wäre ein asiatischer Einfluss. Etwas das erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sie für eine Zeit in New York war und dort die Ideen für das Album entstanden sind. Als ich Jennie danach frage sagt sie, dass sie selber nicht wisse, woher dieser Einfluss kam. „Am Anfang habe ich nicht wirklich darüber nachgedacht. Ich habe meine Demos einer Freundin vorgespielt und sie meinte, dass es sich anhört als wäre ich in Asien gewesen und nicht in New York. Ich habe dann angefangen herum zu spielen. Ich wurde von asiatischen und fernöstlichen Sängerinnen inspiriert. Sie versuchen ihre Stimmen immer sehr hoch zu pressen, so dass sie noch viel weiblicher klingen. Ich habe schon eine sehr hohe Stimme, aber ich wollte auch mit anderen Ausdrücken spielen, um sie noch höher zu pressen und sie ein wenig nervig zu machen. Ich wollte es ein wenig nervig machen. Das ist der Grund, wieso ich so hart und hoch singe. Normalerweise singe ich nicht so. Ich meine, dass man zwar meine Stimme erkennt, aber ich habe sie in ein Extrem gepackt.“
Die zweite Sache, die man dem Album entnehmen kann, ist ein großer Einfluss von Kate Bush. In Schweden ist es so, dass praktisch jede Sängerin mit Kate Bush verglichen wird, egal ob der Vergleich stimmt oder nicht, erklärt mir Jennie. Außerhalb von Schweden stört sie der Vergleich allerdings nicht, immerhin war es teilweise sogar beabsichtigt. Bush gehört nach Jennies Meinung auch zu den einflussreichsten Künstlerinnen aller Zeiten. „Ich denke, dass Kate Bush einen großen Einfluss auf junge Künstlerinnen unserer Generation hat, weil sie eine starke Frau ist. Ohne sie gäbe es Bands wie Bat For Lashes oder Florence And The Machine bestimmt nicht. Ich denke auch, dass Patti Smith einen großen Einfluss auf viele junge Künstlerinnen hat. Und dann gäbe es noch Joni Mitchell, PJ Harvey und viele andere. Für mich persönlich ist Joni Mitchell sehr wichtig. Ich erinnere mich, als ich sie zum ersten Mal gehört habe, ich dachte ‚Oh, ihre Stimme ist aber merkwürdig‘, aber dann dachte ich, dass sie ein ganzes Genre erschaffen hat. Sie hat so viele Menschen, besonders junge Mädchen mit Gitarren, dazu inspiriert ihre eigenen Songs zu schreiben. Sie hat lyrisch und melodisch ihr eigenes Ding gemacht.“
In Jennie Abrahamsons Texten geht es um Liebe, und es gibt auch einen Song, der als Ermutigung für eine gute Freundin gedacht war. Ihre Texte sind persönlich und meistens aus ihrer Perspektive geschrieben, manchmal leihe sie sich aber auch Geschichten von ihren Freunden, gibt sie zu. „Vielleicht sind sie nicht immer so glücklich darüber, das hängt wohl davon ab, wie offensichtlich ich war“, lacht sie. Für mich stellte sich die Frage, ob einer meiner persönlichen Lieblingssongs des Albums „Outside Your Window“, sie daran erinnern soll, dass es draußen auch noch ein Leben gibt. „Das ist über eine Freundin von mir,“ sagt Jennie. „Es ist merkwürdig. Sie ist eine meiner besten Freundinnen, sie ist ein wenig jünger als ich, und ich denke, wenn man ihr eine klinische Diagnose geben würde, würde man sie als depressiv bezeichnen. Es war ein Song, der sie ermutigen sollte, etwas zu machen. Sie ist eine der talentiertesten Menschen, die ich kenne, aber sie verschwendet ihr Leben damit, die Tage zu verschlafen. Ich habe sie einmal um 15 Uhr angerufen und sie aufgeweckt, während ich schon meinen Arbeitstag beendet hatte. [Anm.: Jennie arbeitete als Lehrerin an einem musikalischen Gymnasium und unterrichtete Schüler darin, Songs zu schreiben, bevor sie sich vollständig der Musik widmete]. Und sie wird depressiv, wenn es draußen dunkel ist, wie in Schweden den ganzen Winter über. Sie ist nicht rausgegangen um ihre 2 Stunden Sonnenlicht zu genießen. Also habe ich ihr diesen Song geschrieben. Sie hat ihn sehr früh zu hören bekommen. Der Song ist eine Ermutigung, das Leben nicht einfach an sich vorbeiziehen zu lassen.“ Ob es ihr geholfen hat? „Ja“, antwortet Jennie, „sie hat sich seitdem gebessert“.
Jennie selber kommt eher selten in solche Stimmungen, sie braucht auch nicht viel Schlaf, wie sie mir verrät. Sie hat zwar ihre Hochs und Tiefs, aber das sei bei jedem Künstler so. Sie hat von ihrem Freund gelernt, dass man immer etwas dagegen tun kann, wenn einem etwas nicht gefällt. „Wenn man sich unfit fühlt, dann geht man einfach trainieren. So einfach ist das. Wenn ich eine Karriere will, dann kann ich Songs schreiben und sie veröffentlichen. Ich denke, dass es Leute provoziert, wenn man ihnen sagt:’Wenn du das willst, dann tu das.‘ Manchmal ist es so einfach.“
Jennie ist vor einigen Jahren nach New York gegangen, ganz allein und ohne dort jemanden zu kennen. Sie brauchte Zeit allein, erklärt sie. Um etwas ähnliches geht es auch in ihrem Song „Åträsk“, in dem Jennies Stimme im Vordergrund steht und, besonders am Anfang, die instrumentelle Unterstützung eher minimalistisch gehalten ist. Gepfiffen wird auch. Was „Åträsk“ heißt? „Es ist der Name eines Dorfes mit 4 Häusern“, erklärt mir Jennie auf meine Nachfrage hin. „Ein kleines, kleines Dorf ganz im Norden. Der Song handelt davon in den Norden zu wollen, nach Hause, wo die Menschen nicht so ’stockholmisch‘ sind. Ich liebe Stockholm, aber die Menschen dort sind sehr glatt, jeder ist gleich. Es gibt dort viel Business und Großmäuler, und im Norden sind die Menschen ruhig. Sie sagen nicht viel. Dieser Song handelt davon, sich nach Hause zu sehnen, wo die Menschen sich nicht darum kümmern was sie tragen, wie sie aussehen oder was sie sagen. In Stockholm muss jeder immer das gleiche mögen – das ist die Band, die wir alle mögen und das ist die Hose, die wir alle tragen. Ich denke, Berlin ist da eher wie New York. Die Menschen tragen was sie wollen und hören was sie wollen. Es gibt eine Menge Subkulturen.“
„While The Sun’s Still Up And The Sky Is Bright“ ist ein Album voll mit kleinen verspielten Melodien und wunderbaren Texten. Es ist purer Pop, faszinierend wie die Macherin selbst. Und es ist jetzt bei uns in den Läden erhältlich. Im September kommt Jennie Abrahamson bei uns auf Tour:
13.09.2010, Prinzenbar, Hamburg
14.09.2010, Frannz Club, Berlin
15.09.2010, Studio 672, Köln
Interview: Dörte Heilewelt