Um 22 Uhr betritt Darwin Deez die Bühne des ausverkauften Lidos in Berlin. Er schließt seinen iPod an und beginnt mit seiner Band zu tanzen, eine einfache aber ausgetüftelte, mit künstlerischem Ernst und gleichzeitig viel Spaß vorgetragene Choreographie. Danach schnappt er sich seine Gitarre, die fast unter seiner Achsel klemmt, und beginnt mit „Up In The Clouds“. Berlin entschwebt in luftige Höhen und liegt ihm zeitgleich zu Füßen.
Drei Stunden zuvor kommt Darwin gerade vom Soundcheck, der nicht ganz rund lief und alles ein wenig nach hinten verschiebt. Er würde gerne etwas essen, aber da sind ja auch noch wir, mit denen er sich unterhalten soll. Mit einer Aluschale vom Thai Take-Away in der Hand setzt er sich zu uns und fragt, ob es uns etwas ausmacht, wenn er nebenbei isst. Nicht im Geringsten. Auch wenn das Essen schließlich doch stehen bleibt und kalt wird.
Wie geht es Dir heute?
Gut. Sehr beschäftigt. Ich habe heute den Rohschnitt unseres nächsten Videos bekommen. Den habe ich mir schnell angesehen und Kommentare dazu ans Label geschickt. Wir haben ein paar Remixe für „Constellations“, die nächste Single, gemacht. Ich bin ein bisschen spät dran, das Artwork für die Single zu liefern. Na ja, dann Soundcheck, Interviews, essen.
Kannst Du Dich daran erinnern, was Du um diese Zeit genau vor einem Jahr gemacht hast?
September… oh… nein. Ich war… (lange Pause) ich glaube, ich war gerade dabei, das Album fertig zu stellen, um es dem Label abzuliefern. Ich kann mich nicht genau erinnern…
Ich frage, weil das, was gerade mit Dir passiert, von außen aussieht wie ein klassischer Über-Nacht-Erfolg. War das wirklich so?
Es ging schon schnell, dass die Leute mitgekriegt haben, was wir machen. Das haben wir Steven von unserem Label Lucky Number zu verdanken. Ähm… September… (lange Pause. Darwin überlegt) September ist komplett weg. Wahrscheinlich habe ich Shows in New York gespielt. November, da kann ich Dir genau sagen was ich gemacht habe.
Gerne.
Im November waren wir in den USA auf Tour. Wir haben als Support für diese Band namens Bishop Allen gespielt. Drei Wochen lang sind wir durch die USA gefahren. Das war toll, wir hatten viel Spaß. Oktober und September… ich kann mich nicht erinnern. Wahrscheinlich bin ich mit meiner Freundin ausgegangen.
Deine Songs und Du, ihr habt ja schon eine längere Beziehung. Du hast sie bereits vor einiger Zeit geschrieben, auch wenn Dein Album dieses Jahr herausgekommen ist.
Ich habe sie vor drei Jahren aufgenommen. Es ist gut. Ich fühle mich sehr sicher mit ihnen. Glücklich. Ich bin sehr zufrieden mit ihnen.
Das hört sich gut an. Du hast sie inzwischen schon sehr oft live gespielt. Schön, dass Ihr Euch noch mögt.
Ja. (Pause) September… ich habe wahrscheinlich als Kellner gearbeitet, drei oder viermal die Woche.
Hättest Du damals gedacht, dass Du in einem Jahr so weit sein würdest?
Ich hätte nicht gedacht, dass ich so beschäftigt sein würde. Ich dachte, um diese Zeit wäre ich schon wieder zurück im Restaurant.
Aber das bist Du nicht.
Ja, das ist gut. Sehr gut. Jetzt denke ich langsam, dass ich wahrscheinlich nie
wieder dort sein werde. Damit hat sich ein Traum erfüllt. Im September war mein größter Traum, diesen Job hinzuschmeißen. Ich werde diesen Job kündigen. Es mag noch fünf Jahre dauern, aber ich werde es tun. Das ist gut. Viele Bands veröffentlichen ihr erstes Album und kriegen nicht so viel Aufmerksamkeit damit. In vielen Ländern stimmt das für mich auch immer noch, aber Deutschland ist eine Ausnahme.
Deine Tanzchoreografien sind toll.
Danke schön! Die Leute schätzen das sehr. Ich meine, ich würde es auch schätzen, wenn ich zahlendes Publikum wäre.
Kommst Du im Moment dazu neue Songs zu schreiben oder hast Du dafür keine Zeit?
Zeit habe ich, aber nicht den Mut, das Selbstvertrauen und die Disziplin. Ich versuche es. Aber ich schreibe zumindest immer Texte auf. Und ich analysiere Texte. Wie andere Leute Texte schreiben. Höre viel Musik. Aber das ist etwas anderes als Musik schreiben. Musik schreiben ist wie einen Berg hinunter rollen. Einfach… los!
Was ist jetzt Dein großes Ziel?
Ich möchte einmal bei einer Award Show auftreten. Und ich möchte meine Musik auf www.pitchfork.com bekommen. Ich hoffe, dieses Musik Video hilft. Ich weiß, dass jeder Pitchfork liest. Sie haben bereits den Regisseur des Videos interviewt. Ich weiß sie mögen den Regisseur und es wird ein wirklich cooles Video. Also. Pitchfork. Award Show. Früher war mein großes Ziel, dass jemand sich ein Darwin Deez Tattoo machen lässt, und das hat sich letzten Monat erfüllt. Zwei Mädchen haben sich „Radar“ und „Detector“ auf die Füße tätowieren lassen. Das haben sie mir auf einem Festival gezeigt. Ich dachte wow, das ging aber schneller als ich gedacht hätte. Das war ein Ziel. Das nächste ist, dass jemand ein Kind nach mir benennt. Das sind die Ziele! Pitchfork, Award Show. Vielleicht auch einen Award gewinnen. Das gehört auch dazu. Und das Kind.
Wenn ich mir Deine Facebook Seite ansehe, dürfte dieses Ziel nicht in weiter Ferne sein. Die Leute verehren Dich regelrecht.
Ich weiß. Sie ist wie ein Schrein für mich.
Ich habe gehört, dass Deine Eltern Dich damals sehr ermutigt haben…
Weißt Du, sie waren sehr verständnisvoll. Sie wollten wirklich, wirklich, dass ich das College beende. Und ich hab’s nicht gemacht. Zwei Jahre College habe ich gemacht. Ich bereue das im Moment nicht. Ich möchte kreativ sein. Das ist nichts, das man in der Schule lernt. Das muss man einfach machen, erkunden. Wenn Du Erfolg damit hast Musik zu machen… wenn Du Erfolg im Musikgeschäft hast. Das ist etwas komplett anderes als Erfolg damit zu haben Musik zu machen. Dann gibt es Möglichkeiten. Es gibt viele Jobs im Musik Business. Meine Eltern waren sehr liebevoll, sehr aufmerksam. Sie haben mir eine Gitarre gekauft als ich elf war. Sie haben mir ein Schlagzeug gekauft als ich 16 war.
Stimmt es, dass Du diese Gitarre immer noch spielst?
Ich spiele diese Gitarre immer noch, ja. Sie ist okay. Langsam könnte ich eine bessere gebrauchen.
Und was sagen Deine Eltern heute? Sind sie stolz? Machen sie sich viele Sorgen? Fragen sie ob Du genug schläfst, genug isst…
Sie sind sehr stolz. Ich glaube sie wissen, dass ich viel esse. Meine Mom ist cool. Sie hat sich viele Sorgen gemacht, als ich damals nach New York gezogen bin. Meine Schwester hat gesagt, du wirst niemals in New York überleben. Ich bin sehr sensibel, weißt Du. Aber es war okay. Das war noch so etwas, das ich erreicht habe: Ich habe ihnen gezeigt, dass ich es kann. Das ist toll. Sie sind sehr glücklich. Ich meine, meine Eltern sind immer noch verheiratet. Das ist doch total verrückt.
Interview: Gabi Rudolph
Fotos: Katja Mentzel