Interview mit Brodka

Monika Brodka gehört zu den Menschen, die mit ihrer bloßen Anwesenheit einen Raum zum Strahlen bringen können. Selbst im unvorteilhaften Licht des eher spartanischen Hotelzimmers in Berlin Friedrichshain wirkt sie mit ihrer sorgfältig geföhnten Mireille Mathieu Frisur und dem übergroßen Vintage Mantel über der zierlichen Figur angenehm glamourös. 2004, mit 16 Jahren, gewann Monika Brodka in ihrer Heimat Polen die Castingshow „Idol“. Mehrere mit Gold und Platin ausgezeichnete Alben sowie diverse Preise der dortigen Musikindustrie folgten, in Polen ist sie seitdem ein Star. Jetzt hat Brodka „Clashes“, ihr erstes Album komplett in englischer Sprache veröffentlicht und tourt damit in Europa durch die Clubs. Zurück zu den Wurzeln. Im Interview hat sie mir erzählt, warum es so viel Spaß macht, quasi noch einmal von vorne anzufangen.

Wie geht es dir?

Mir geht es sehr gut. Ich bin ein bisschen erschöpft, weil wir gerade eine sehr intensive Tour durch Polen hinter uns haben. Seit zwei Monaten sind wir unterwegs und diese Woche werden wir die letzte Show spielen. Es ist also viel los, weil wir versuchen, zwischendrin auch möglichst viel außerhalb Polens abzudecken. Wir reisen viel, sind jeden Tag an einem anderen Ort. Ich bin ein bisschen müde aber auch sehr glücklich, meine erste hier ausverkaufte Show spielen zu können.

In Polen spielst du ja richtig große Shows.

Ja, wir haben in ein paar sehr schönen Venues gespielt, nicht wirklich Rock Clubs, mehr Philharmonien, sehr schöne Orte, manchmal mit großen Orgeln und toller Ausstattung.

Das muss doch ein tolles Gefühl sein, dass du in deiner Heimat so großen Erfolg hast aber jetzt auch die Möglichkeit, dir andere Länder neu zu erobern, mit kleineren Konzerten, als würdest du nochmal neu anfangen.

Absolut. Es ist schade, dass wir nicht früher schon mehr im Ausland gespielt haben, es gibt überall große polnische Communities, zum Beispiel hier in Berlin. In England haben wir schon manchmal gespielt, Deutschland noch nicht so wirklich. Ich mag das, diese beiden Seiten meiner Karriere. In England haben wir zum Beispiel als Support für Beth Orton gespielt. Es gibt mir eine gewisse Balance, in Polen diese großen Venues zu spielen und anderswo in kleinen Clubs. Ich brauche das irgendwie. Als ich angefangen habe, stand ich ja sofort groß in der Öffentlichkeit. Ich hatte nicht diese Zeit, diese Jahre in denen man sich von einem kleinen Club zum anderen spielt, mit der Band Zuhause in der Garage übt und dann vor fünf Leuten auftritt. Das jetzt zu erleben ist sehr aufregend (lacht).

Ich könnte mir vorstellen, dass es einen auf positive Art am Boden hält.

Ja! Außerdem sind die kleinen Shows viel spontaner als die großen. In Polen spielen wir auf einem ganz anderen Level, da haben wir mehrere Techniker, alles ist sehr groß und ich versuche es so professionell wie nur möglich zu gestalten. Da kommt die Spontaneität oft zu kurz, das passiert mehr in den kleineren Clubs.

Wie reagiert deine polnische Fanbase darauf, dass du jetzt auch auf Englisch singst und ein Album komplett in Englisch aufgenommen hast?

Das hat anfangs schon etwas polarisiert. Obwohl ich das nicht verstehe, die meisten jungen Leute in Polen sprechen so viel Englisch, dass sie die Texte verstehen können. Wir wachsen alle mit englischsprachiger Popmusik im Radio auf, singen als Kinder schon Worte mit, die wir eigentlich nicht verstehen. Es kommt uns trotzdem vertraut und natürlich vor, auf Englisch zu singen. Warum soll man es dann nicht machen? Ich habe mich dafür entschieden weil ich jetzt einen internationalen Vertrag habe und mir so natürlich ein neues Publikum erspielen möchte. Ich habe polnische Fans, die mir seit meinen Anfängen folgen und ich denke schon, dass die auch bei mir bleiben, wenn ich auf Englisch singe. Ich möchte einfach noch mehr Leute erreichen.

Wann war der Punkt an dem du das Gefühl hattest, jetzt ist die richtige Zeit dafür?

Das hat mit meiner letzten EP angefangen. Wir hatten die Chance nach Los Angeles zu gehen und dort ein paar Songs aufzunehmen. Es war gar nicht geplant gewesen dass daraus eine EP wird, ich hatte einfach die Möglichkeit, in dem Studio zu machen was ich wollte. Also dachte ich, lass uns doch ein paar Songs auf Englisch machen, dann sehen wir weiter. Nachdem die EP raus kam haben wir Showcase Festivals auf der ganzen Welt gespielt. Auch dafür brauchte ich die englischen Songs. Wir haben CMJ gespielt, SXSW, Great Escape und viele, viele mehr. Danach kam das Angebot von meinem internationalen Album Pias, sie hatten die EP gehört und ein paar Shows gesehen und wollten mit mir arbeiten.

Toll, dass das so funktioniert hat. Ich denke diese Showcase Festivals sind eine gute Chance, aber es ist doch bestimmt auch ein hartes Brot, oder?

Es funktioniert wenn du es sehr oft und sehr regelmäßig machst. Es einmal zu machen und zu denken das verändert jetzt mein Leben, das wird nichts. Wahrscheinlich gibt es diese Ausnahmen, man ist einfach ein großer, großer Künstler und im Publikum ist genau diese eine Person die alles verändern kann, aber da darf man nicht drauf bauen. Es ist wirklich hart, es ist sehr schwierig, die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen. Da treten gerne mal 150 Bands in drei Tagen in verschiedenen Venues auf und die Leute gehen von einem zum anderen, gucken sich vielleicht ein oder zwei Songs an oder kommen rein wenn du gerade fertig bist. Oder du hast einfach technische Schwierigkeiten auf der Bühne. Das ist eigentlich der Standard, in der Regel funktioniert bei solchen Shows gar nichts (lacht). Ich bin nicht der größte Fan dieser Festivals, aber es gehört dazu, wenn man es zu etwas bringen will.

Und letztendlich: man muss einfach aus der Masse herausstechen.

Richtig.

So wie du.

(lacht) Das hoffe ich!

Wirklich, das tust du. Was du machst ist schon sehr speziell, von deinen Songs zu deinem Auftreten bis zu deinen Videos. Bei deinem aktuellen Clip „Up In The Hill“ hast du sogar selber Regie geführt.

Das war eine sehr interessante Erfahrung. Ich habe schon bei meinem Video zu „Santa Muerte“ Regie geführt, aber im Vergleich dazu war das hier viel schwieriger. Beim ersten ging es nur darum, den richtigen Tänzer zu finden und ihn im richtigen Setting improvisieren zu lassen. Dieses Mal musste alles sehr genau vorbereitet sein. Wir haben zwei Tage an dem Set gebaut, sehr sorgsam die Farben und das Design ausgewählt. Zuerst hatten wir diesen Hintergrund mit dem Auge. Eine Freundin von mir hat ihn designt, sie ist Architektin und Szenenbildnerin fürs Theater. Sie hatte ihn für meine Sommerkonzerte entworfen und ich fand ihn so spektakulär dass ich dachte, lass ihn uns für ein Video nutzen, nach den Konzerten ist er einfach kaputt. Und ich wusste, ich möchte die Band zeigen, wie sie spielt. Das waren die beiden Ausgangspunkte. Außerdem handelt der Song von Drogen, da war irgendwie klar, dass es verrückt und psychedelisch werden muss (lacht). Ab und zu führe ich gerne Regie. Aber nur wenn ich eine ganz genaue Vision von dem habe, was ich will.

Hast du schon einmal für jemand anderen Regie geführt?

Nein, noch nicht. Aber seit dem Video habe ich ein paar Angebote bekommen (lacht).

Den Anfang deiner Karriere hast du sehr jung in einer Castingshow im polnischen Fernsehen gemacht. Wie denkst du heute darüber? Würdest du jungen Leuten empfehlen so etwas zu machen?

Ich glaube, dass diese Shows heutzutage keine Relevanz mehr haben. Es ist einfach Fernsehunterhaltung. Für die Künstler tun diese Formate eigentlich nichts. Ich komme aus einer kleinen Stadt im Süden Polens, ich war 16 als ich diese Show gewonnen habe , 2004 war das und es gab damals nicht so viele Möglichkeiten, seine Musik nach draußen zu bekommen. Entweder hast du Demos an Plattenfirmen geschickt und gehofft, dass sich irgendwann jemand meldet, oder du bist in so eine Show gegangen. Heute gibt es diese Showcase Festivals, Soundcloud, diverse Internetplattformen auf denen du deine Musik veröffentlichen kannst. Du brauchst nicht zwingend einen Vertrag mit einem Label. Ich würde jetzt also niemandem direkt nahelegen, in so eine Show zu gehen. Außerdem finde ich, es sollte Altersbegrenzungen für so etwas geben. Manchmal denke ich, ich habe ein paar Jahre meiner Jugend in dieser Zeit verloren. Ich habe mit 16 angefangen professionell zu arbeiten, ich musste nach Warschau ziehen, bin noch zur Schule gegangen, habe parallel mein Album aufgenommen und bin auf Tour gegangen. Ich habe aus dieser Zeit nicht wirklich Erinnerungen an die Schule, an meine Freizeit und auch keine Freunde mehr von damals. Manchmal denke ich, es wäre gut gewesen wenn ich etwas später angefangen hätte. Auf der anderen Seite, um ehrlich zu sein, gibt es nicht viel was ich bereue. Wenn ich daran denke was ich heute tue, dann war es irgendwie der richtige Weg. Ich bin sehr glücklich damit, wo ich heute bin.

Du bist jetzt seit seit mehr als zehn Jahren im Geschäft. Was würdest du sagen ist das Wichtigste, was du in dieser Zeit gelernt hast?

Ich glaube, wenn ich es im Nachhinein betrachte, dann waren die Pausen zwischen den Alben immer sehr wichtig für mich. Sie waren wichtig für meine künstlerischen Entscheidungen und ich habe viele Inspirationen gezogen aus Menschen die ich getroffen habe und Reisen, die ich gemacht habe, Musik die ich gehört habe. Das waren für mich immer die eigentlichen kreativen Zeiten. Besonders die Zeit vor „Clashes“ war sehr wichtig für mich. Ich habe mich entschieden, diesmal ganz alleine meine Songs zu schreiben, was ich so vorher noch nie gemacht habe. Ich habe immer mit Leuten in einem Team gearbeitet. In dieser Zeit bin ich zum ersten Mal als Künstlerin komplett selbständig geworden. Das ist das Beste, was ich jemals erreicht habe.

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Interview: Gabi Rudolph

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