Die Japandroids sind seit ihrem Debüt-Album Post-Nothing von 2009 die fleischgewordene Hoffnung aller Punk- und Rock-Fans. Das Zwei-Mann-Projekt aus Vancouver hat im Juni dieses Jahres sein zweites Album Celebration Rock veröffentlicht und damit erneut bewiesen, dass es nicht viel braucht um gute Musik zu machen. Ein lautes Schlagzeug, Gitarrengeschreddere und eingängige Songs über die wirklich guten Parties, egal was der nächste Morgen bringen wird.
Ich treffe Frontmann Brian King eine knappe Stunde vor dem Konzert der Japandroids im Backstage-Bereich des Kölner Luxor. Er wirkt angespannt und erschöpft. Am Tag zuvor spielten die Japandroids in Münster und am Tag davor waren sie in Hamburg auf dem Reeperbahn-Festival. Es ist anstrengend ein Rockstar zu sein. Brian King ist dünn, beinah zierlich. Ganz in schwarz, mit wirrem Haar sucht er nach einem Feuerzeug. Der Backstage-Bereich besticht durch, naja, Purismus. Kahle Wände, eine abgeranzte Ledercouch, ein Tisch und drei Stühle. Überall stehen Plastikflaschen mit Apfelschorle vom Discounter, eine angelaufene Käseplatte lugt unter zerknüllter Alufolie hervor, daneben eine Wurstplatte und eine Schüssel mit welkem Salat und vertrockneten Gurkenscheiben. Rock’n’Roll hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
Ich setze mich, krame in meiner Tasche nach dem Aufnahmegerät und meinen Notizen während Brian weiter nach dem Feuerzeug sucht. Unruhig dreht er sich eine Zigarette, nimmt abwechselnd Bier und Jack Daniels in die Hand, entscheidet sich dann doch für das Becks und setzt sich mir gegenüber auf einen Stuhl.
„Prince muss bestimmt nie sein Feuerzeug suchen!“
„Prince hat bestimmt einen Angestellten, der den ganzen Tag nichts anderes macht, als ihm die Zigaretten anzuzünden.“ Auf der Couch hinter mir räkelt sich der Frontmann der Vorband PAWS.
„Prince müsste man sein. Wenn der in Minneapolis ist, spielt der immer im First-Avenue-Club. Wir durften da auch mal spielen, natürlich nur in ‘nem kleinen Keller, nein eher ‘ne Abstellkammer und plötzlich kam Prince rein. Wir haben den erst gar nicht erkannt. Der ist ja nur so groß.“ Brian hebt die Hand in Brusthöhe.
„Ich hab gehört, Prince spielt nur noch für Häuser?“, tönt es wieder von der Couch.
„Wie für Häuser?“
„Ja, der spielt nur noch wenn er dafür ein Haus in der Stadt bekommt. In Rom zum Beispiel. Da hat er für seinen Auftritt ein fettes Haus bekommen.“
„Krass!“
Ich rutsche unruhig auf meinem Stuhl hin und her, blättere beiläufig in meinen Notizen und schaue auf die Uhr. Ob das noch was wird mit mir und Brian King?
Brian: „Ok. Ich bin soweit. Lass uns anfangen.“ Brian nimmt noch einen Schluck Bier und ascht auf den Boden.
Die Frage musstest du bestimmt schon hundertmal beantwortet aber warum heißt ihr eigentlich Japandroids?
Brian grinst verlegen.
Brian: Weißt du, wenn man als Teenager eine Band gründet, rechnet man nicht damit, dass sie irgendwann dein Leben ist. Thom Yorke hat mal gesagt, hätte er gewusst wie erfolgreich er sein würde, hätte er sich auch was Besseres einfallen lassen als Radiohead. Mein Vorschlag war Japanese Scream. David wollte Pleasure Droids, die aus Ridley Scotts Blade Runner. Ich wollte auf gar keinen Fall in einer Band spielen die Pleasure Droids heißt, also haben wir uns in der Mitte getroffen: Japandroids.
Wo wir schon bei Namensgebung sind. Warum habt ihr euer erstes Album Post-Nothing genannt? Ist das ironisch gemeint weil sich heute alles Post-irgendwas schimpft und der Begriff eigentlich relativ nutzlos geworden ist? Post-Punk, Post-Wave…etc.
Brian: Ja schon irgendwie. Eigentlich wollte David den Titel als Hommage an einen Song der Kings of Leon. Aber mal ehrlich, das kann man doch nicht machen. Wir sollten einen PR-Text über uns als Band schreiben. Wer wir sind, was wir für Musik machen und irgendwie klang das alles richtig scheiße. Wir sind wie die Beatles gemischt mit den Stones und ein Hauch Velvet Underground. Wir wollen eigentlich nur die Japandroids sein und sonst nichts. Wir wollen nicht Rockmusik neu erfinden und ständig verglichen werden. Wir sind nicht post-dieses oder post-jenes. Wir sind einfach Post-Nothing.
Sympathisch! Habt ihr vorher schon mal in Köln gespielt?
Brian: Ja! Tatsächlich sogar in genau diesem Club! Während der Post-Nothing-Tour.
Und wie ist so euer Eindruck?
Brian: Oh man, das ist schwierig. Wir touren zwar in super vielen verschiedene Städten und Ländern aber wirklich was mitbekommen tun wir eigentlich nicht. Die Leute denken, auf Tour gehen ist wie Urlaub machen. Aber das ist es absolut nicht. Wir sehen die Hotelzimmer und die Clubs in denen wir spielen. Für Sightseeing ist da leider keine Zeit. Aber wir wollen morgen bevor wir fahren den Dom sehen. Heißt das so?
Ja klar. Der Dom! Merkt ihr einen Unterschied zwischen den Gigs in den Staaten und denen in Europa?
Brian: Das auf jeden Fall. Wir sind in den Staaten viel größer als in Europa. Hier müssen wir die Leute richtig überzeugen. In Nordamerika ist jeder Gig gleich, vom Ablauf und vom Publikum, also die Publikumsreaktion, aber in Europa ist jedes Konzert anders. Die Schweizer sind zum Beispiel total konservativ, Deutschland ist so’n Mittelding und die osteuropäischen Länder sind total ausgelassen. Genau wie Spanien oder Italien. Da merkt man definitiv kulturelle Unterschiede. In Spanien zum Beispiel gehört lautes Singen und Musik einfach dazu. Die Leute tanzen und sind gut drauf. In den U.K. sind die Fans verwöhnt. Jede Band spielt in den U.K. Da muss man sich richtig ins Zeug legen um die Leute zu begeistern.
Gibt es ein spezielles Konzert, das so besonders war, dass ihr euch immer daran erinnern werdet?
Brian: Das Primavera Festival in Barcelona!! Dieses Mal und auch bei der letzten Tour. London war auch super!
Ihr wolltet euch ja eigentlich nach Post-Nothing auflösen. Jetzt seid ihr mit Celebration Rock auf Tournee, werdet von Musikmagazinen gefeiert und seid für zwei Preise nominiert. Wie fühlt ihr euch?
Brian: Großartig! Man muss das aber im Kontext sehen. Wir wollten uns auflösen weil wir einfach keinen Erfolg hatten. Es gab die Band seit drei Jahren und es ging nichts voran. Das war frustrierend und da lag es nahe sich aufzulösen und plötzlich ging alles Schlag auf Schlag. Natürlich sieht das komisch aus wenn man den heutigen Erfolg daran misst. Für Preise nominiert zu sein ist eine große Ehre, aber mal ehrlich, die Japandroids sind definitiv nicht die Sorte Bands die Preise gewinnt. Aber es fühlt sich dennoch großartig an.
O.K, Letzte Frage: Wie sieht‘s aus mit Zukunftsprojekten? Braucht ihr nach der Tour erst mal ‘ne Pause oder geht’s direkt wieder ins Studio?
Brian: Wir touren jetzt erst mal bestimmt noch ein Jahr. Das Album kam ja erst im Frühjahr raus. Wir machen nächstes Jahr noch die komplette Festivalsaison und dann sehen wir mal weiter. Wir haben eigentlich noch gar keine Pläne. So sind wir, irgendwie unorganisiert, aber es läuft.
Brian gibt mir betont lässig die Hand. Ich wünsche ihm eine gute Show. Er friemelt eine kalte Frühlingsrolle aus einem Haufen Pappboxen neben dem Tisch. „Unsere Managerin besorgt uns immer noch was zu essen. Für nach der Show.“
Die Japandroids sind irgendwie chaotisch, aber haben eine bestechende „Scheiß-egal-Einstellung“ – und genauso hatte ich mir Rock’n‘Roll dann doch immer vorgestellt.
Interview: Julia Floß