Interview mit Alin Coen

Ich muss ein Geständnis machen. Ich habe einen Häkeltick. Seitdem ich vor einem dreiviertel Jahr zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Häkelnadel in die Hand genommen habe, mussten sämtliche Familienmitglieder und Freunde mehrfach frisch bemützt werden, um meinem unbändigen Drang genug Outlet zu verschaffen. Das nimmt bisweilen derart absurde Ausmaße an, dass ich manchmal Menschen sehe und mich automatisch frage, was für eine Mütze ich demjenigen angedeihen lassen würde. Und wer gerät mir da in die Finger? Genau, Alin Coen. Die hübsche Frontfrau braucht unbedingt eine neue Mütze. Draußen sind 35 Grad? Egal. Der nächste Winter kommt bestimmt! Alin wirkt erst etwas irritiert („wie, die machst du selbst?“), freut sich dann aber, wie das Foto (siehe unten) beweist. Aber da war doch noch was? Ach ja, unterhalten wollten wir uns, zum Beispiel über das neue Album der Alin Coen Band, „We’re Not The Ones We Thought We Were“. Zum Glück kann man mit Alin mindestens genauso gut schnacken wie sie behäkeln.

Weißt Du, was mich immer fasziniert, wenn ich Musiker treffe, die so aktiv sind wie Du? Wie man bei all dem unterwegs sein und auftreten, mit der eigenen Band, solo, mit Philipp Poisel… wie man da überhaupt noch dazu kommen kann, ein neues Album…

… zu schreiben? Na ja, das Schreiben, das passiert ja mehr nebenher und zwischendrin. Viele Lieder habe ich in den Backstage Bereichen unserer Tour angefangen. Die Konzerte, die ich gemeinsam mit Philipp Poisel gespielt habe, waren ja auch sehr über die Jahre verteilt, da bleibt zwischendrin schon viel Zeit. Die haben wir uns als Band auch ganz konkret genommen, zum Beispiel sind wir eine Woche gemeinsam nach Flensburg gefahren und haben nur geschrieben.

Warum Flensburg?

Weil mein Onkel dort in der Nähe ein Haus hat. Also nicht direkt in Flensburg, wir waren richtig in der Pampa zum Schreiben. Da war wirklich keinerlei Ablenkung vorhanden (lacht). Höchstens Zecken, von denen gab es leider eine Menge.

Ihh! Also Zecken und Musik.

Genau. Und enorm gutes Essen! Mein Onkel ist nämlich ein fantastischer Koch. Es gibt dort wahnsinnig viel Platz, wir haben in der ehemaligen Turnhalle einer alten Schule geprobt.

War das noch in 2011 oder schon 2012?

Ich bin mir nicht sicher… das verschwimmt alles so dermaßen! Ich glaube, wir haben 2011 angefangen zu schreiben… irgendwann zwischen 2011 und 2012 waren wir dort. Ich glaube, die Jungs wissen es besser als ich.

Wie war es, diesmal gemeinsam als Band zu schreiben? Bei eurem ersten Album hast Du ja viele Songs allein geschrieben.

Ja, ich hatte damals viele der Melodien und Texte bereits fertig und wir haben sie als Band gemeinsam arrangiert. Jetzt sind wir alle zusammen in den Probenraum gegangen und haben uns überhaupt nichts vorgenommen, das war neu. Keiner kam mit einer fertigen Idee. Meistens war es so, dass einer von uns sich spontan etwas ausgedacht hat und die anderen versucht haben, darauf einzugehen. Daraus entwickelt sich dann etwas. Ich kann Dir gar nicht sagen, wann es funktioniert und wann nicht. Du hörst etwas, es inspiriert Dich. Und irgendwann kriege ich Lust, etwas darauf zu singen. Das ist am Anfang meist irgendwelches Kauderwelsch. Daraus entwickelt sich dann irgendwann eine Melodie.

Das heißt, zuerst sind die Melodien da.

Ja, die Texte habe ich hinterher geschrieben. Wenn wir als Band zusammen schreiben ist am Anfang immer erst eine Melodie da. Ich weiß noch nicht einmal, worum es in dem Lied gehen wird, erst ist es nur eine Ahnung, eine Stimmung die andeutet, wohin es gehen wird. Dann versuche ich einen Text zu finden, der sich gut in das hinein fügt, was es musikalisch und emotional für mich ausdrückt.

Spannend finde ich auch, wann sich für Dich entscheidet, ob es ein deutscher oder ein englischer Text wird.

Auch das ist durch die Musik entstanden. Selbst beim Jammen ist es so, dass die Musik bei mir auslöst, dass ich Bock kriege, in einer bestimmten Sprache darauf zu singen. Das Englische klingt so anders als das Deutsche, und die Musik, die die Jungs spielen, zieht das aus mir heraus. Das passiert automatisch. Ich glaube, es hat einfach mit dem Klang der Sprache zu tun, was für mich besser passt.

Es gibt ja auch deutsche Bands, die sich bewusst dafür entscheiden, ihre Texte vom deutschen mehr aufs englische zu verlagern, um ihr Publikum zu erweitern…

Du meinst eine strategische Entscheidung? Das war es nicht. Im Gegenteil. Es gab einen Zeitpunkt, als ich noch am Finden der Texte war, da meinten die Jungs zu mir: „Versuch’s doch mal auf Deutsch.“ Ich hab’s versucht und ich hab mir Mühe gegeben auch auf Deutsch zu schreiben, aber es wollte einfach nicht raus, weil es sich nicht richtig angefühlt hat. Und am Ende ist mir eine Melodie, wenn ich sie einmal gefunden habe, zu wichtig, als dass ich sie wieder ändern würde, damit der Text dazu passt. So strategisch kann ich da nicht ran gehen, es ist mehr eine Gefühlssache… So simpel ist das (lacht).

Meine sieben Jahre alte Tochter hat neulich mit mir zusammen Euer Album gehört und meinte dazu: „Mama, die Frau klingt immer so traurig…“

Ahhh! (lacht)

Ich habe sie dann auch beruhigt, dass Du nicht so wirkst, wenn man Dich sieht. Aber es stimmt schon, eine gewisse Schwere liegt über der Musik.

Hm. Vielleicht haben wir Freude an der Melancholie… ich weiß es nicht, mir ist das nicht so aufgefallen. Wobei… die Lieder auf diesem Album befassen sich ja auch mit ernsten Themen. Das verarbeite ich dann wohl da. Meine fröhliche Seite benutze ich wahrscheinlich eher im Alltag (lacht). Schon verbraucht! Für die Musik bleibt nur noch die Melancholie übrig. Zu viel Freude im Alltag! (lacht)

Viele Musiker sagen ja, dass traurige Lieder sich leichter schreiben.

Aber weißt Du was? Für mich ist es gar nicht so ein Gefühl von Traurigkeit. Ich glaube, ich schreibe Lieder in einem sehr konzentrierten Zustand. Vielleicht ist es eher eine gewisse Konzentration die man darin hört, statt Traurigkeit – eine frische Theorie, die ich mir gerade aus den Fingern sauge… (lacht) Aber dass das als Traurigkeit wahr genommen wird, kann ich mir schon vorstellen. Nennen wir es ein „sortiertes“ Gefühl. Du kannst Deine Tochter ja noch mal fragen, ob es wirklich traurig klingt oder auch ernst sein könnte… wie auch immer, Du kannst sie beruhigen, es geht mir gut! (lacht)

Die Alin Coen Band supportet am 06.09.2013 Philipp Poisel in Berlin im IFA Sommergarten. Das Album „We’re Not The Ones We Thought We Were“ ist am 28.06.2013 bei Modul Entertainment erschienen.

www.alincoen.com