Diesen Freitag erscheint das vierte Album von Axel Bosse – „Wartesaal“. Abseits von Klischees und Sparten zieht der Songwirter seine musikalischen Kreise. Ausdrucksstark, mit kompositorischem Können und feinen Arrangments. Wir sprachen vorab mit BOSSE über Backstage-Geshizzl, knappe Höschen beim Fußball und 1000 halbe Hännchen.
Name: Alex Bosse • Aus: Braunschweig • Lieblingsphrase: Ich glaube
Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Das ist Singer-Songwriter Musik. Ich glaube auch Pop-Musik. Auf dem neuen Album gibt es eine Veränderung, die glaube ich wichtig ist: und zwar haben wir versucht tanzbare Musik zu machen, gepaart mit echten Instrumenten wie Flügelhorn, Trompete und Streichern.
Was hat es mit dem Titel „Wartesaal“ auf sich?
Das ist für mich die zentrale Nummer auf dem Album, zusammen mit „Weit Weg“. Das andere liegt dann rechts oder links davon – rein musikalisch. Textlich geht es darum, ob man glücklich ist, wie man glücklich wird und warum man es nicht ist. In dem Song „Wartesaal“ sitzen eben zwei Menschen im Wartesaal zum Glücklichsein.
Alex Bosse geht nicht ins Studio und jammen kommt für ihn auch nicht in Frage. Die einzige Person mit der er das macht, ist er selber. Einen Fight, so Bosse, den er allein austrägt, aussitzt, ausschreibt. Ist der zu Ende, geht es ins Wohnzimmer-Studio seines Freundes und Produzenten, Jochen Naaf, in Köln., der schon Polarkreis 18 und PerterLicht unter die Arme griff. Und da kommt Beachtliches zusammen. Klischeefrei und ohne Rollenspiel ist man als Hörer zum Greifen nahe. Reduktion ist das Zauberwort. Ein Entwurf, der sich und seine Hörer ernst nimmt. Form und Inhalt gehen Hand in Hand.
Ich sitze dann da und schreiben funktioniert immer so, dass es ein Teil autobiographisch ist, du von anderen Biographien und Erlebnissen beeinflusst wirst. Da wundert man sich beim Schreiben wo die Reise hingeht, aber es kommt dann einfach raus. Am Ende suche ich mir die Sachen raus, die am ehrlichste sind. Der andere Weg ist, dass ich Wörter habe auf die ich flashe und sich dann um die eine Geschichte entwickelt.
Warst du im Deutschunterricht dann eine „Rakete“?
(Lacht) Das habe ich mich letztlich auch gefragt, als ich meinen Deutschlehrer getroffen habe. Ich war eher so ein Dreier-Kandidat. Aber ich habe früher schon immer gerne, wenn man denn Schule gerne machen kann, Aufsätze geschrieben, lieber als Diktate oder Mathearbeiten.
Und woher kommt dein kompositorisches Können? Dein Gitarrenspiel?
Ich hatte nie Gitarrenunterricht. Deshalb bin ich auch gar nicht fürs Studio geeignet. Bei mir sind die Finger auch schwierig. Ich bin kein guter Musiker. Ich kann Songs schreiben, alles tun was ich möchte. Aber ich bin nicht gut genug, um auf der Bühne eine Halle zu bespaßen, nur weil ich so gut Gitarre spiele. Ich stimme die Gitarre gerne und oft um, um ihr neue Töne zu entlocken.
Dann hast du dir das Gitarrenspiel selber beigebracht?
Wenn man es so nennen mag. Ich habe mir das über ein Buch von Peter Bursch beigebracht. (Anm. d. Red.: Peter Bursch ist die deutsche Legende in Sachen Do-It-Yourself -Gitarre lernen. Unvergessen: die bursch’sche Vierfinger-Zupftechnik und seine einzigartig gestalteten Gitarrenbücher)
Der mit den lange Haaren.
Genau der. Der war mal bei einem Konzert von mir in Duisburg. Da war er schon ein bisschen älter und sah aber original so aus wie auf dem Buch und da ist er ja immer nur gezeichnet. Also, da steh ich auf der Bühne. Es war knacke voll und in Reihe vier sehe ich einen Typ, der aussieht wie Peter Bursch. Und ich so: „Ne, bist du Peter Brusch?“ Er nickt. „Von dir hab‘ ich Gitarre gelernt.“ Und dann haben sich alle auf der Bühne vor ihm verneigt und auch im Publikum „Ahh der Peter“, „Danke, geile Zupftechnik“, weil alle, jeder, hat von ihm Gitarre gelernt (Lachen).
Sechs Jahre lebte Bosse in Berlin . Jetzt hat er das Vorstadtleben Hamburgs für sich entdeckt. Die „Amore“, erklärt er, hat ihn in den Norden verschlagen. Außerdem ist er jetzt Vater. Da wo sie leben, etwas abseits, gefällt es ihnen so gut, dass die Familie sogar noch ein bisschen weiter rausgezogen ist. Obwohl das doch immer so eine Glaubensfrage zwischen den zwei Städten ist.
Als Familienvater lernt man die Dörflichkeit wieder zu schätzen. Ich finde das gut, wenn mein Kind auf der Straße oder im Garten rumlaufen kann, ohne dass man die ganze Zeit gucken muss. Leider kann mir Berlin das nicht bieten, außer ich bin Multimillionär oder habe ’82 mal was gekauft.
Was waren denn so deine Ecken?
Damals habe ich viel am Boxhagener-Platz rumgehangen. Da gab es meine drei, vier Läden die ich hatte. Oder der Görlitzer-Park, der Hähnchenmann da ist tierisch, über die Jahre habe ich da bestimmt an die 1000 Halbe gegessen – da geh ich auch immer noch hin. Die schönsten Feste hab ich im Sommer immer im Rosis’s gefeiert, wenn man dann irgendwann betrunken im Volleyball-Feld lag.
Ja,ja da fällt mir ein, dass…Na, äh…Zurück zum Interview. Das ist mittlerweile dein viertes Album, ist man da noch nervös?
Auf eine gewisse Art und Weise schon. Das sind, glaube ich, die letzten zwei Jahre von mir, die da drin stecken (blickt fragend).
Das musst du doch wissen!
(Lacht) Ja das glaub ich. Das glaub ich wirklich. Da steckt ganz viel Liebe und Arbeit drin. Da haben ganz viele Leute mitgemacht, die sich Mühe gegeben haben. Und dann ist es natürlich ultra spannend, was die Leute sagen, wie sie es vorher mochten, ob ein paar neue dazu kommen… Ich bin nicht so zahlenfixiert. Verkaufszahlen sind mir ziemlich latte, davon hab ich mich locker gemacht. Das hatte auch viel mit Ablegen von Existenzängsten und Erfolgsdruck zu tun. Das habe ich nicht. Da bin ich entspannt. Es gibt Tage, da will man wissen, wie die Leute es finden und Tage da ist es einem egal.
Deine Pläne für 2011?
Die Platte veröffentlichen, dann spielen wir ein paar Unplugged-Konzerte – wir proben jetzt schon – ab dem 24. März die Tour und dann fangen auch schon die Festivals an.
Was ist denn dein Lieblings-Festival?
Glastenboury ist toll, weil das so gemischt ist und die immer noch so alte Granaten hervorzaubern. Aber keine Ahnung, ob ich da hin gehöre, weil die verstehen mich ja nicht (grinst). Aber es gibt viele schöne Festivals… Gerade die mit See- und Meeranbindung oder die kleineren Unifeste. Wo man nachmittags um zwei ankommt, eine Wurst isst, eine Runde kicken kann. Wo alles entspannter und offener ist, ohne Backstage-Geshizzl. Wo man abends wie die anderen 1,3 Promille hat und dann spielt. Da freue ich mich drauf.
Bosse ist leidenschaftlicher Fußballfan. Eintracht Braunschweig ist sein Verein. Da besitzt er auch immer noch eine Dauerkarte, obwohl das zeitlich schwierig ist und die Hymne, die beim Einlaufen der Mannschaften erklingt, stammt auch aus seiner Feder. Braunschweigs Erzrivale ist Hannover 96.
In Hannover spiel‘ ich immer ganz gerne, vor allem weil die Leute nicht wissen, dass ich aus Braunschweig komme. Und irgendwann lass ich’s raus und dann gibt es auch immer direkt „Buhhh“.
Eine letzte Frage: Wer wird deutscher Meister?
Bayern München.
Die schaffen’s noch????
Die Dortmunder brechen ein. Irgendwas passiert und dann wir das ein knappes Höschen, wie man so schön sagt, dann glaub ich, dass Bayern deutscher Meister wird.
Interview: Sebastian Schelly.