Eva und Philipp Milner sind große Zweifler, Denker, aber vor allem große Künstler. Auf dem neuen Hundreds-Album „Aftermath“ widmen sich die Geschwister nun ein weiteres Mal ihrem zurückgenommenen Elektro-Pop, der nicht von dieser Welt zu sein scheint. Im Interview zu dem Mitte März erscheinenden Zweitlingswerk erzählt das Duo nicht nur mit einem unterdrückten Lachen von absurden Konzert-Momenten, sondern auch von dem Gefühl, sich wie Amateure mit hohem Anspruch aufzuführen und machen schließlich deutlich, wieso die Melancholie der Stücke stets auch eine positive Wirkung auf den Zuhörer haben kann. Eine wahre Kunst.
Mit welcher Erwartungshaltung seid ihr in dieses Jahr gestartet?
Eva Milner: Ich versuche meine Erwartungen möglichst flach zu halten. Ich glaube, dass diese Herangehensweise gesünder für mich ist und ich mich so später noch mehr freuen kann. Es sind auch schon viele tolle Sachen in diesem Jahr passiert. Zum Beispiel haben wir jetzt ein kleines Indie-Label in den USA, wo wir wahrscheinlich noch 2014 touren werden. Damit wird ein Traum für uns wahr! Mittlerweile haben wir auch in Japan ein Label. Wir können nun also internationaler agieren, weil wir wissen, dass Anfragen vorhanden sind.
Wann habt ihr entschieden, dass es Zeit für ein neues Album von Hundreds wird?
Philipp Milner: Es fühlte sich so an als würde man schon eine ganze Weile in einer unaufgeräumten Wohnung leben und es nicht mehr aushalten. Man weiß einfach, dass sich etwas ändern muss und entscheidet sich schließlich für eine neue Einrichtung. (lacht) Wir haben es ziemlich lange mit dem ersten Album ausgehalten und spielen die alten Songs noch immer gerne live. Aber um uns herum wuchs mit der Zeit die Erwartungshaltung und auch für uns musste jetzt etwas Neues her.
Eva: Man will ja auch schauen, ob man noch weiß wie es geht.
Geht ihr analytisch an die Arbeit heran?
Philipp: Wir analysieren insofern, dass wir schauen, ob etwas zu uns passt, ob es sich um den Hundreds-Sound handelt. Oft genug mussten wir das bereits verneinen und so wurde eine Idee wieder fallen gelassen. Aber ich würde das eher als Selbstkritik bezeichnen. Wir schauen nicht darauf, dass wir nur eine bestimmte Art von Songs zusammenfassen – die Stücke sind unabhängig von einander entstanden. Ich glaube, das kann man auch gut hören. Für das Album sind wirklich viele unterschiedliche Sachen zusammengekommen. Da hatte ich anfangs sogar ein wenig Sorge, ob man die Songs so hintereinander hören kann.
Ist Hundreds mehr eine Band für euch oder für andere?
Philipp: Zunächst müssen wir uns damit identifizieren und wohlfühlen, um uns so vor andere Menschen stellen zu können. Aber wenn ein Album erst einmal fertig ist, denkt man schon verstärkt an die Reaktionen von anderen.
Eva: Während wir an dem neuen Album gearbeitet haben, haben wir um Meinungen von uns vertrauten Personen gebeten. Kritik ist uns sehr wichtig, nur kann sie eben auch sehr hart sein… Da kann man schon ins Zweifeln kommen. Bei unserem ersten Album hatte ich sogar weniger Zweifel als jetzt. Weil wir zu der Zeit die Musik wirklich nur für uns, im stillen Kämmerlein, gemacht haben. Wir sind geradezu naiv an die Sache herangegangen. Jetzt gibt es viele Einflüsse, die verunsichern können. Und ich bin ein Mensch, der leicht zu verunsichern ist. Aber ich hoffe, das hört man der Musik nicht an.
Philipp: Bei uns gehört das Zweifeln und alles in Frage stellen einfach dazu. Das ist unser Königsweg. Und ich glaube auch nicht, dass es irgendwann aufhören wird.
Also stellt sich die befriedigende Umsetzung einer Idee als ein besonders langwieriges Unterfangen dar?
Philipp: Bei der Produktion des Albums haben wir uns die meiste Zeit wie Amateure mit extrem hohem Anspruch gefühlt. Aber manchmal ist einfach… der Arsch ab! (lacht) Da fällt einem nichts mehr ein. Ständig gibt es Momente und Zeichen, die sagen wollen: lass es! Aber wenn man nur lange genug wartet, dann schafft man es den richtigen Augenblick einzufangen und man weiß, dass es sich doch gelohnt hat. Manchmal probt man auch für ein Konzert und muss feststellen, dass es nicht rollt und man sich wie eine Schülerband vorkommt. Wenn jedoch eine halbe Stunde später das Publikum im Saal ist, merkt man plötzlich, dass da wieder Seele drin ist. Das Einfangen ist also das Schwierige.
Hattet ihr schon einmal den Moment bei einem Konzert, bei dem ihr gemerkt habt, dass es Unruhen im Publikum gibt und ihr eingreifen müsst?
Eva: Ja, das war in Mailand. Da musste ich eine Horde von aggressiven Models von der Bühne schicken. Wir haben nachts um 1 Uhr bei einer DJ-Detroit-Night gespielt und passten dort überhaupt nicht hin mit unserer filigranen, elektronischen Musik. Im Saal befanden sich über 500 Models, die total auf Krawall gebürstet waren. Einige davon kamen dann zu mir auf die Bühne und starrten mich nur so von der Seite an. Das war einfach nur schrecklich… Vor dem Club gab es eine Schlägerei, der Veranstalter war auch irgendwann unauffindbar und die Security wollte uns am Ende nicht mit unserem Equipment rausgehen lassen. Ich war so froh, dass wir irgendwie wieder heil herausgekommen sind.
Philipp: Einmal haben wir als Vorband von einer Rockband gespielt. Da gab es auch einige Leute, die uns nicht hören wollten und da ist es schwer zu sagen: jetzt erst recht!
Eva: Aber ich gehe schon manchmal mit einer bestimmten Wut auf die Bühne. Das kann der Show gut tun. Ich merke dann richtig, wie es intensiver wird.
Wie versucht ihr Wut zu katalysieren, wenn gerade nicht die Möglichkeit eines Bühnenauftritts besteht?
Philipp: Ich mache gern Sport, jogge und gehe oft mit meinem Hund im Wald spazieren. Das hilft mir dabei, wenn ich etwas kompensieren muss. Aber zurzeit fühle ich mich sowieso sehr gut. Ich bin nämlich aufs Land gezogen. Da gibt es nicht mehr so viele Menschen, über die ich mich aufregen kann. Ich habe vorher in der meistbefahrensten Straße in Hamburg gewohnt und ich glaube, das hallt noch nach. Jetzt genieße ich die Ruhe sehr.
Interview: Hella Wittenberg
Fotos (c) J. Konrad Schmidt
Das Album „Aftermath“ erscheint am 14. März 2014.