Diesen Sommer haben die Berliner Festspiele das Foreign Affairs Festival wieder auf ihre Bühnen gebracht. Das Projekt kundschaftet neue Live-Konzert-Konzepte aus, vermischt Stile und beleuchtet politische Hintergründe während Musik und Visual Arts verschmelzen. So war es auch bei der Uraufführung von der in Kollaboration mit dem Choreographen Brendan Fernandes entstandenen „How To Dress Well“ Show. Aufgeregt hatte Tom Krell sich im Voraus mit uns im Interview über seine Pläne unterhalten: Die Tanzproben hatten ihn umgehauen und für die Show wurden extra 15 000 Blumen bestellt, was bei der Show „wie ein Slow-Motion Film über Blumenblüten, die kaskadenförmig über einem Skulpturengarten herabfließen“ aussehen sollte. Erwartungen waren also groß an dieses introspektive Projekt, das Tom Krells kreative Herangehensweise und Interpretation der Musik zeigt. Eher skeptisch wurde allerdings die nach Einlass noch unfertig aussehende Bühne betrachtet, voll von hölzernen IKEA-Stühlen und Tänzern, die diese ohne Takt und Rhythmus hin und her trugen. Irgendwo standen auch im Hintergrund die besagten Blumen lieblos in Eimern herum. Die weiß-lila Fetzen-Kostüme ließen einen wundern, ob dem Namen „How to Dress Well“ ironisch gekontert wurde. Los ging die Show aber erst richtig als Tom Krell seinen errichteten weißen Podest bestieg und damit begann kontinuierlich jedes Lied seines Albums zu präsentieren. Voller Leidenschaft und Charisma, sein beeindruckendes Falsetto zur Schau stellend, besang der Alternative R&B und Pop vermischende Tom Krell mit zwei unterschiedlich eingestellten Mikrofonen Liebe und Verlust. Die intensive und dennoch verletzliche Stimme nahm einen gefangen, aber wenn man genau hinhörte, dann versteckten sich da platte Texte wie „You know that I love you baby“… Anstatt dass die Tanzperformance die Musik ergänzte, lenkte es eher ab zu beobachten wie die männlichen Tänzer die Bühne auseinander nahmen, Stühle und Boxen hin und her schoben und diese dabei liebevoll umgarnten. Zu sehr wirkte diese moderne Tanzperformance wie eine Interpretation von Sex mit IKEA-Stühlen, was zu Beginn der Show eher für Gekicher als für Bewunderung vom Publikum im noch nicht einmal annähernd ausverkauften Saal sorgte. Das von Minna Choi am Piano geleitete Streicher-Ensemble unterstützte Tom Krell’s Albumpräsentation „What Is This Heart“ allerdings sehr schön und während er dort oben auf dem Podest seine Faust aufs Herz schlug und sang: “I don’t think you know what’s best for me, no, I don’t even know what’s best for me” begannen die Tänzer die mittlerweile leer geräumte Bühne mit den Blumen auszulegen, bis kein einziger Fleck ohne Farbe blieb und Tom so auf seiner Insel im Meer von weißen, pinken und violetten Blumen stand. Diese Idee erinnert stark den flämischen Choreografen Jan Fabre, der schon 2007 in Salzburg auf einer blumenbedeckten Bühne einen Totentanz hat tanzen lassen. Genau so wurde auch bei „How To Dress Well“ Blume für Blume an das Publikum gegeben und von Reihe zu Reihe weiter gereicht, bis schließlich auch die dadurch fröhlich gewordene Menge in Blumen badete. Euphorisch endete die Show für einen glücklichen Tom Krell, der sich offensichtlich befreit gemeinsam mit seinen Tänzern und Musikern mit den Sträußen bewarf und schließlich gab es trotz merkürdiger Show keinen Menschen im Saal ohne Blüten im Haar und Grinsen auf dem Gesicht. Dieses absurde Zusammengehörigkeitsgefühl zeigte sich auch später auf dem Nachhauseweg, bei dem einen selbst am Berliner Kottbusser Tor noch Leute mit Blumen im Arm begegneten.
War dabei: Christina Heckmann
Fotos: (c) Markus Werner