Interview mit How To Dress Well

Schon How To Dress Wells erstes Album „Love Remains“ hat durch Tom Krells exquisite Falsetto Stimme und seine Lo-Fi Experimente viel Aufmerksamkeit bekommen. 2012 gab es durchweg gute Kritiken nach der Veröffentlichung von „Total Loss“ und How To Dress Well wurde Referenz für das Genre, das als Alternative R&B beschrieben wird. Mit dem neuen Album „What Is This Heart?“ – welches teilweise in Berlin aufgenommen wurde – nähert Krell sich der Popmusik. Jetzt ist er zurück in Berlin, dem Ort, den er als „safe ground“ beschreibt. Hier wird am Wochenende seine neue Live-Show als Teil des Foreign Affairs Festival der Berliner Festspiele präsentiert. Wir haben Tom kurz zwischen seinen Proben und Vorbereitungen getroffen. Dazu gehörte das Kaufen von Tausenden von Blumen für die Bühnenshow. Er beschreibt diese als ein „Slow-Motion Film mit Blumenblüten, die über einem Skulpturengarten kaskadenförmig herabfließen“. „I have the feeling it’s gonna be really beautiful“, sagt Tom. Uns erzählt er von seinem neuen Album, wie er sich selber sieht, dem Einfluss seines Studiums auf seine Musik und seiner Vision von Melancholie und Nihilismus.

Teil Deines Albums wurde hier in Berlin aufgenommen…

Ja, ich habe alle Songs hier in Berlin im Golden Retriever Studio am Hermannplatz aufgenommen.

Glaubst du, dass der Ort, an dem du dich befindest, Einfluss auf deinen kreativen Prozess hat?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, wahrscheinlich mehr, als es mir bewusst war. Ich habe die Demos für das Album während einer einjährigen Tour aufgenommen. Es ist ein ziemliches Durcheinander auf Tour. Auf der einen Seite ist es total aufregend und belebend, wie ein Traum. Auf der anderen Seite ist es eher wie ein Alptraum. Zum Beispiel habe ich 14 Stunden in Moskau verbracht. 4 Tage irgendwo auf dem Land in Polen. Meine Freunde beneiden mich dafür, dass ich die Welt sehe. Ja klar, ich habe Moskau für die paar Stunden gesehen und war um vier Uhr morgens auf dem Roten Platz, was aber eher verwirrend und anstrengend war. Es gab diese Spannung zwischen dem Leben eines Traumes und diesem ermüdenden Tourleben. Dann kam ich auf einmal im Juni in Berlin an und es war schön an einem Ort zu sein, der mir so sehr gefällt, an dem ich gute Freunde habe und gefestigt bin. Letzten Sommer war das Wetter so verdammt gut! Jeden Morgen bin ich aufgewacht und habe mich so wohl gefühlt. Besonders war es ein vorbereitetes Studio zu haben, in dem ich 60 Tage 24 Stunden am Tag aufnehmen konnte. Jedes Mal, wenn ich irgendwas brauchte, z.B. eine neue Drum Machine, habe ich eine E-Mail an das Label geschrieben und sie besorgten es mir sofort. Das Studio war so ein toller Ort für das Album. Ich kam aus dieser disorientierenden Phase, um dann an einem so gefestigtem Ort zu arbeiten. Das zeigt das Selbstbewusstsein des Albums. Es ist eine selbstbewusste Präsentation von Disorientierung.

Lass uns über dein neues Album reden. Vor ein paar Jahren hast du gesagt, dass deine Musik nach ein paar mehr Alben ein besseres Bild von dir kreieren würde. Versuchst du das zu erreichen? Denkst du, du hast das mit „What Is This Heart“ hingekriegt?

Habe ich das wirklich gesagt? (lacht) Das ist interessant, es ist eine sehr gute Frage, weil ich während der Aufnahmen gemerkt habe, dass ich Musik nicht mache, um mich direkt zu erreichen. Deswegen ist der Titel auch eine Frage. Ich benutze Musik quasi als Echolotung, durch die ich merke, wo ich mich in meinem Leben befinde. Während ich mich singen höre denke ich, ah, da bin ich gerade. Ich denke nicht, dass ich mich klarer präsentiere, eher was es heißt eine eigene Person zu sein, immer auf der Suche nach sich selber zu sein. Sich selber zu überraschen, von sich genervt zu sein, sich zu begeistern, sich selbst zu enttäuschen. Ich denke, man ist nicht eine eigene Person, sondern eher man „hat“ eine eigene Person. Ich sehe mich als einen Körper. So als ob ich hier mit diesem Typen bin und er macht dies und das und ich muss mit den Konsequenzen leben. Mein Album ist nicht konfesssionell. Ich habe mehr und mehr gemerkt, dass ich nicht versuche eine komplette musikalische Autobiografie zu erreichen. Wann auch immer man eine Autobiografie macht, dann ist es auch immer eine Geschichte über andere Leute und über verpasste Gelegenheiten. Es ist überhaupt nicht möglich eine ehrliche Autobiografie zu schreiben und zu sagen, dass es eine Beichte ist. Ich denke das ist falsch. Wie ein Typ im Café, der sagt: This is who I am… (Tom spielt Luftgitarre) Das bin ich überhaupt nicht.

Du hast mal „Love Remains“ als eine Präsentation von Melancholie beschrieben und bei „Total Loss“ geht es um Trauer. Wie würdest du jetzt „What is This Heart“ beschreiben?

Freud’s Buch heißt „Trauer und Melancholie“ und es wird nur zwischen diesen beiden Phasen unterschieden, aber ich denke es gibt mehr Phasen, mehr Sachen, die während der Trauer passieren. Ich denke, dass Trauern eine gesunde Art zu Leben ist. Punkt. Nicht nur das Trauern nach einer Tragödie, sondern zu lernen eine Beziehung mit deinem Leben zu haben, mit deiner Vergangenheit und deiner Zukunft. Eine Beziehung, die nicht selbst-defensiv ist und nicht an der Vergangenheit festhält (was unmöglich ist), die nicht die Zukunft leugnet (was unmöglich ist), sondern die versucht in diesem ununterbrochenem Zustand von Verlust und Leid zu leben. Wenn überhaupt, dann ist dieses Album eher über Sublimierung und Liebe und eine bedeutende Bindung. So als hätte ich einen metaphysischen Bogen über meinem Korpus, was ich glaube ich nicht habe.

Inwiefern beeinflusst dein Studium deine Musik? Gibt es da eine Verbindung?

Nihilismus wäre pure Melancholie und keine mögliche Trauer. Nihilismus sagt, dass alles nichts ist. Trauer ist ein Prozess, in dem man rausfindet, wie man nicht ’nein‘ sagt, sondern ‚ja‘ und ‚das ist nicht alles‘. Meine Musik und mein Studium kommen aus dem gleichen Ort, der ich bin. Ich interessiere mich für beides, meine Dissertation und meine Musik und auch dafür, rauszufinden ein erfüllendes Leben zu führen, wenn die einzige verfügbare Bedeutungsquelle Kapitalismus ist, der uns zerstört. Wie findet man also eine bodenständigere Version von Bedeutung. Kapitalismus und Nihilismus sind das Gleiche. Auch Melancholie gehört dazu. Unvermeidbar bin ich die gleiche Person, weißt du was ich meine? Der Unterschied ist, dass Musik intuitiver ist und nicht die gleiche Disziplin wie Philosophie.

Was können die Berliner bei deinem Konzert am Sonntag erwarten? Planst du dein Album visuell zu unterstützen?

Es wird auch musikalisch eine ganz andere Präsentation vom Album. Ich denke es wird wunderschön, ganz besonders und kontrolliert, weil die Performance von einem Orchester unterstützt wird. Das, in Kombination mit dem Set und dem Tanz und all den Gesten, wird wunderbar. Gestern habe ich die Tanzproben gesehen und es hat mich total umgehauen. Anstatt sich das Album einfach anzuhören, so oder live – da wird es richtig laut –  ist es eher so, als ob man ein langes Slow-Motion Bild im Zeitraffer sieht oder wie ein Slow-Motion Film mit Blumenblüten, die über einem Skulpturengarten kaskadenförmig herabfließen. Wir wollen hier die Premiere haben und es dann in die Welt bringen. Es ist eine super Gelegenheit für mich das Album so präsentieren.

Dein Album gehört für mich schon jetzt zu meinen Favoriten von 2014. Welche sind deine Lieblinge in diesem Jahr bisher?

Mir hat das Ben Frost Album sehr gefallen. Außerdem das Album von Ana Caprix und die Sun Kil Moon Platte. Dass mir The War on Drugs gefällt, hätte ich nicht gedacht, aber deren Album ist wirklich wunderschön und gut.

Gibt es irgendwelche Live-Acts dieses Jahr, die dir besonders gefallen haben?

Ja, ich habe im März mit Forest Swords getourt. Jeden Abend war es eine unglaubliche Ehre sie live zu sehen. Auf der Tour habe ich alle unsere Openern in Nordamerika kuratiert. So habe ich viele meiner Lieblingskünstler gesehen. Maxwell August Croy (er spielt als En), Sean McCann’s Performance in L.A. … Ricky Eat Acid, auch so gut dieses Jahr. So viele gute Sachen!

Und das Jahr hat immer noch 6 Monate…

Genau!

Wir verlosen 2×2 Tickets für das Konzert von How To Dress Well am Sonntag, den 29.06. bei den Berliner Festspielen. Infos gibt es hier.

Interview: Leonardo Li Puma
Übersetzung: Christina Heckmann

Foto © Michael Zackery