Fettes Brot live in der Messe Dresden.
18 Jahre Bandgeschichte haben Fettes Brot inzwischen auf dem Buckel. Dass sich in dieser Zeit so manches für die drei Jungs aus Hamburg verändert hat, dürfte hinreichend bekannt sein. Wer aber Lust hat, sich das noch einmal explizit vor Augen zu führen, dem sei die Videoaufnahme des Live-Auftritts auf der Veranstaltung „Endzeit 93“ empfohlen – zu bewundern auf der „Amnesie“-DVD, veröffentlicht 2002 zum zehnjährigen Bandjubiläum. Seitdem (und mit Sicherheit auch aktuell mit dem Erscheinen ihrer Live-Alben „Fettes“ und „Brot“) haben Fettes Brot ihre Fangemeinde eindeutig erweitert. Betrachtet man heute das zum Teil sehr jugendliche Publikum, wird deutlich, dass ganze Generationen neuer Fettes Brot Fans nachwachsen, die diese Anfänge noch nicht bewusst mitbekommen haben dürften. Mag sein, dass der eine oder andere davon auch auf seiner Abi-Party zu „Nordisch by Nature“ getanzt hat, aber definitiv nicht wie ich im Jahr des Erscheinens.
Wie auch immer, einzelne Jugendliche mit Fahrrädern dürften heutzutage bei einem Fettes Brot Konzert eher selten in den ersten Reihen anzutreffen sein. Aber auch in Sachen Style hat sich seit 1993 einiges getan. Heute trägt man Hosen von Carhartt und wischt sich im Takt noch die letzten imaginären Staubflusen vom weißen Hemd, bevor man mehrere tausend Leute in Grund und Boden rockt, die von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie äußerst gewillt sind, das mit sich machen zu lassen.
Aber fangen wir beim Anfang an. Den machten in Dresden (sowie bei den restlichen der zum großen Teil ausverkauften Konzerte der aktuellen Tour) Die Orsons aus Stuttgart. Der heiklen Aufgabe einer Vorband stellten sie sich offensiv mit der Ansage, Vorbands würde sowieso keiner mögen, und machten ihre Sache dann richtig gut. Frischer, deutscher Hip-Hop und eine Bühnenshow mit selbst gebastelten Papp-Gitarren und auch sonst allerlei lustigen Einfällen. Das Dresdner Publikum zeigte sich schnell gewogen.
Nach einer straff durchgezogenen Umbaupause bestieg die Band Nervenkostüm gegen 21.30 Uhr die Bühne und eröffnete extrem funkig den ersten Song. Der entpuppte sich mit Auftritt der Brote, schick in schwarz-weiß gekleidet mit orange-weiß-blauen Kopfbedeckungen, gleich als der erste Superhit „Emanuela“. Das tanz- und mitsingfreudige Publikum wurde dann auch erbarmungslos durch ein wahres Mammut-Set geschleudert, in dem ein Kracher dem nächsten folgte. Dabei schienen die Brote zum Teil selbst ein wenig überrumpelt von dem Tempo, in welchem sie sich durch Hits wie „Erdbeben“ und „Bettina“ arbeiteten, bei den Zwischenansagen fiel man sich manches mal unkoordiniert ins Wort. Die großartige Nummer „Können diese Augen lügen“ geriet auch ein wenig durcheinander, da Doktor Renz leider keine Bands mehr einfielen, von denen man „nie gehört“ habe, und auch seine Kollegen waren kurzzeitig nicht in der Lage, ihm auszuhelfen. Immerhin lieferte er zuvor großartigerweise „The Communards“, da kann man ihm verzeihen dass Haribo keine Band ist (was er auch selbst bemerkte). Björn Beton formulierte dann gleich noch die Textzeile „Ich hab noch niemals gekotzt und ich schwitz nicht“ zu „Ich bin ein eckiger Klotz und nicht witzig“ um und verpasste vor Lachen beinah den Anschluss.
Und ja, es gab auch wieder eine anständige Zerfickung, aber zuvor wurde der Hohe Rat befragt. An den wandten sich zwei junge Mädchen, denen Björn Beton und König Boris ihre Stimme liehen und die gerne wissen wollten, wie groß ihre Chancen stünden, in den Genuss von hartem Petting mit Doktor Renz zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung im Publikum bereits so hoch gekocht, dass die Sirene, die die Zerfickung in Form von „Schwule Mädchen“ ankündigte, mir persönlich ein wenig Angst machte. Kleiner Tipp: Nicht dagegen ankämpfen. Einfach jegliche Spannung aus dem Körper nehmen und sich von der Welle durchdrehender Leiber mittreiben lassen. Dann tut es nicht weh und macht verdammt viel Spaß.
Knapp zwei Stunden dauerte der Ritt durch die oben bereits erwähnten 18 Jahre Bandgeschichte, zu deren Anfängen man auch mit Klassikern wie „Definition von Fett“ und „Silberfische in meinem Bett“ zurückkehrte. Bei den Zugaben wurde die Lautstärke allerdings leider noch einmal so aufgedreht, dass es bereits anfing körperlich weh zu tun. Aber was soll’s, es war mal wieder ein Riesen Spaß. Hartes Petting kann kaum schöner sein.
Fotos (c) Katja Mentzel