Achtung – das, was der Titel verspricht, vermag der 90-Minüter nicht halten. Jedoch ist es im Falle von „Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte“ einmal weniger schlimm. Zwar lässt der Zusatz „Eine Liebesgeschichte“ den Gedanken auf eine kuschelige Romanze aufkommen, bei welcher man sich mit einem Glas Wein genüsslich zurücklehnen und berieseln lassen kann. Vielmehr aber werden zwei höchst unterschiedliche Charaktere in ihrem Problemsumpf inmitten der dunklen Ecken von Leeds gezeigt.
Der britische Schauspieler Paddy Considine („Submarine“, „In America“) versuchte sich mit diesem Spielfilm zum ersten Mal an einem abendfüllenden Film hinter der Kamera. Nachdem er feststellte, dass er sich als Schauspieler immer unwohler fühlte und mehr und mehr den Regisseuren Tipps gab, begann er die Arbeit an einem Kurzfilm. 2007 stellte er dann „Dog Altogether“ auf den Filmfestspielen in Venedig vor und erhielt sogleich den Silbernen Löwen dafür. Daraufhin folgten immer wieder Nachfragen, wie man sich das Weiterleben der Protagonisten auszumalen habe. Considine wollte schließlich die Wissbegierigen nicht länger warten lassen und endlich die Geschichte des aufbrausenden Joseph (Peter Mullan, „Trainspotting“, „My Name Is Joe“) weiter erzählen. Jedoch sollte in dem Drama nun der weibliche Gegenpart, die warmherzige und beherrschte Hannah (Olivia Colman, „Die Eiserne Lady“) weiter ausgebaut werden. In ihrem Charity-Shop findet Joseph die von ihm so dringlich gesuchte Ruhe. Die religiöse Frau lässt sich vollkommen auf den fortwährend erzürnten Mann ein, der sich aber mit aller Macht versucht, dagegen zu wehren. Denn er sieht in Hannah zunächst nur eine verheiratete Frau aus guten Verhältnissen. Doch nichts ist so wie es scheint. Dem muss sich auch Joseph bewusst werden, als Hannah völlig entkräftet und grün und blau im Gesicht vor seiner Tür steht. Es folgt eine Zeit der vorsichtigen Annäherung, wobei es aber in den einzelnen Szenen weniger um verliebte Blicke als um die Darstellung der alltäglichen Hölle der Beiden geht. Und da kann es schon mal exzessive Gewalt zu sehen geben. Joseph-Darsteller Peter Mullan meint zu der Handlung:
„Einerseits ist da diese geradlinige Geschichte von Joseph und seiner extremen Wut und andererseits ist es doch nicht so banal, dass er auf eine Frau trifft, die ihn erlöst oder das Gute in ihm zu Tage fördert. Die Geschichte ist vielmehr zugleich eine sehr schöne Studie über Hannah, die jedem helfen möchte, aber am allerwenigsten sich selbst helfen kann, weil ihre eigene Situation mit einem übergriffigen Ehemann so grauenhaft ist.“
„Tyrannosaur – Eine Liebesgeschichte“ ist nichts für schwache Nerven. Mit den vielen Gewaltszenen kommt man schnell zu der Erkenntnis, dass der Haupttitel, ohne den Zusatz, wie die Faust aufs Auge passt. Für eine wahrhaftige Darstellung sorgen zudem die drei Hauptfiguren – allen voran Olivia Colman. Zuvor aus eher kleinen Nebenrollen wie beispielsweise in der Komödie „Hot Fuzz“ bekannt, bewies sie nun ihre Wandlungsfähigkeit und die Möglichkeit, in einer Hauptrolle wirklich aufzufallen. Peter Mullan war die erste Wahl des Regisseurs, für ihn hätte man auch eine längere Wartezeit in Kauf genommen und dementsprechend überzeugend ist er als fluchender Jogginghose-Träger auch. Aber es sollte unbedingt auch Hannahs Ehemann, James, genannt werden, welcher von Eddie Marsan („Sherlock Holmes“, „V wie Vendetta“) verkörpert wird und ihm die nötige angsteinflößende Ernsthaftigkeit entgegen bringt. Das Regiedebüt von Paddy Considine ist somit ein kraftvoller wie auch durch und durch berührender Film über zwei vom Leben erprobte Menschen, der unter die Haut geht und auch nach dem Verlassen des Kinos noch lange in den Knochen stecken wird.
Kinostart: 13. Oktober
Gesehen von: Hella Wittenberg