Gesehen: „The Master“ von Paul Thomas Anderson

Die Suche nach dem Sinn

„There Will Be Blood“-Regisseur Paul Thomas Anderson hat im Vorfeld bereits mit verschiedenen kunstvollen Postern zu seinem neuen Film „The Master“ für Aufsehen gesorgt. Doch nach dem Schauen wird klar: nicht nur die einzelnen Bilder und Collagen bleiben nachhaltig im Gedächtnis, sondern auch das Werk, welches von dem Leben des Scientology-Begründer L. Ron Hubbard beeinflusst wurde. Bedrückend.
Als Freddie (Joaquin Phoenix, „Walk The Line“) aus dem 2. Weltkrieg zurückkehrt, weiß er nicht viel mit sich anzufangen. Er fotografiert, sehnt sich nach weiblicher Zuneigung und trinkt. Als der befehlshaberische Dodd (Philip Seymour Hoffman, „Capote“) durch einen Zufall den unwirschen Ex-Soldaten kennenlernt, will er ihm eine neue Aufgabe im Leben geben. Durch verschiedenste Experimente möchte der selbsterklärte Philosoph, Arzt und Wissenschaftler tiefer in Freddies Psyche steigen und ihn zu einem vollwertigen Mitglied seiner Glaubensgemeinschaft machen.

„Freddie ist gewissermaßen der klassische Außenseiter, der in eine Gemeinde kommt und sie nachhaltig verändert. Das gipfelt in so etwas wie eine tragische Romanze zwischen Freddie und seinem Meister. Freddie möchte Teil von etwas Größerem, Höheren sein, aber er kann sich nicht binden. Der Meister sieht in Freddie den Sohn, den er nie hatte, aber so funktioniert diese Beziehung auch nicht.“ (Produzentin JoAnne Sellar)

Paul Thomas Andersons „The Master“ ist langatmig, unübersichtlich und störrisch wie ein nicht zugerittenes Pferd. So sehr man sich auch auf den Stoff einlassen möchte – leicht wird es dem Zuschauer zu keiner Zeit gemacht. Doch wenn man die 137 Minuten tatsächlich aufmerksam auf sich wirken lässt, so wird sich bald die Einsicht einstellen, dass man etwas Großartiges und zugleich unangenehm Zudringliches gesehen hat. Joaquin Phoenix, der sich zuletzt für die Mockumentary „I’m Still Here“ einen ordentlichen Bauch anfutterte, hat sich scheinbar einer Nulldiät unterworfen, wirkt knochig wie auch animalisch und unterstreicht damit die Radikalität des Werkes. Gleichwohl kann Amy Adams („The Fighter“) wieder einmal ihre schauspielerische Souveränität darbieten. Selbst in der vergleichsweise kleinen Rolle als Frau an der Seite von Philip Seymour Hoffmans Figur Dodd weiß sie sich stets ins richtige Licht zu rücken. Sie kann für genügend Aufmerksamkeit für sich sorgen und ermöglicht somit weitere Höhepunkte in dem Film, der die Suche nach dem Sinn im Leben von einer spannenden, neuen Perspektive betrachtet.

„Mein Vater hat im Zweiten Weltkrieg gekämpft und fand sein Leben lang keine Ruhe. Es heißt ja, jede Zeit sei reif für eine spirituelle Bewegung oder eine Religion. Nach einem Krieg ist die Zeit dafür ideal. Nach so viel Tod und Zerstörung fragen die Leute: ‚Warum?’ und ‚Was kommt nach dem Tod?’. Das sind die brennenden Fragen.“ (Paul Thomas Anderson über seinen Zugang zur Thematik)

Fazit: Ein virtuoses psychologisches Gefecht, das zunächst verwirrend ist und dann durch Mark und Bein geht, wenn es sich damit befasst wie ein jedes Individuum in einer Sekte sowie die menschliche Psyche nach dem Krieg funktionieren kann.

Kinostart: 21. Februar 2013

Gesehen von: Hella Wittenberg