Gesehen: „The Amazing Spider-Man“ von Marc Webb

„His past was kept from him. His search for answers has just begun.“

Als Andrew Garfield („Boy A“) am Mittwoch, den 20. Juni 2012, bei der Deutschlandpremiere von „The Amazing Spider-Man“ im Berliner Sony Center vor die Kameras tritt, wirkt er zurückhaltend, fast ein bisschen verkniffen. Ein richtiges Lächeln entlockt man ihm erst, als ein Fotograf im schlechtesten Englisch darum bittet, die Hand aus der Hosentasche zu nehmen. Diesem 28-jährigen Hänfling traut man im ersten Augenblick nicht so ganz die Rolle von Spider-Man zu. Auch wenn er von dem Comichelden schon seit frühester Kindheit besonders fasziniert war. Doch schaut man sich anschließend den 136-Minuten Streifen in 3D an, muss man seine Skepsis vollends über Bord werfen. Das sechsmonatige intensive Fitnesstraining hat sich hundertprozentig gelohnt und der Story rund um Peter Parker tat ein Neuanstrich auch sehr gut.

Die Eltern sind auf mysteriöseste Art und Weise früh von ihm gegangen, die High School hält allerhand Tücken bereit und so richtig weiß er noch nichts mit sich anzufangen. Bis Peter Parker (Andrew Garfield) bei seiner Tante (Sally Field, „Forrest Gump“) und seinem Onkel (Martin Sheen, „Departed – Unter Feinden“), die ihn bei sich aufgenommen haben als er noch ein kleiner Junge war, den alten Aktenkoffer seines Vaters (Campbell Scott, „Royal Pains“) entdeckt. Darin findet er geheime Dokumente, denen er auf den Grund gehen möchte. So macht er sich auf die Suche nach Doktor Curt Connors (Rhys Ifans, „Mr. Nice“), einem Fachmann in dem Bereich der Genforschung und enger Kollege des Vaters beim Konzern Oscorp. Es findet gar ein gehaltvoller Austausch zwischen den beiden zum Thema Artenkreuzungen statt. Als Peter aber bei einer Inspektion auf eigene Faust in Connors Labor von einer genmanipulierten Spinne gebissen wird, hat der eben noch Halbstarke mit einem Mal erheblich verbesserte Fähigkeiten. Er kann klettern wie eine Spinne, hat die Intuition einer Spinne und ist insgesamt kräftiger als jeder Mensch. Doch kann er mit diesen neuen Möglichkeiten auch seinen Schulschwarm Gwen Stacy (Emma Stone, „The Help“) für sich gewinnen und etwas gegen die riesige Echse, die New York bedroht, ausrichten?

Regisseur Marc Webb („(500) Days of Summer“) scheint der Geschichte von Spider-Man gut getan zu haben. Ihm war es wichtig alles so naturalistisch wie möglich umzusetzen und nur dann auf visuelle Effekte zurückzugreifen, wenn es von absoluter Notwendigkeit war. Zudem sollten viel mehr Aspekte in der Realität verwurzelt sein und Peter Parker selbst einen großen Anteil an seiner Transformation haben. Somit erschuf Webb mit simplen Mitteln die gewünschte andere Sichtweise auf die Story. Dabei fällt besonders ins Auge, dass man als Zuschauer des öfteren die Perspektive von Spider-Man einnimmt. Dieser Egoshoot erweist sich als durchaus reizvoll und unterhaltsam. Allein die Monsterechse ‚The Lizard’ ist visuell auf dem Niveau der Bösewichte der anderen drei Teile geraten und damit so gar nicht zeitgemäß. Kann man über diesen Punkt hinwegschauen, so weiß die Neuauflage „The Amazing Spider-Man“, pünktlich zum 50. Jubiläum des maskierten Helden, mit neuartigen Höhenflügen speziell von Protagonist Peter Parker aufzutrumpfen. Wobei die Fotografieleidenschaft in den Hintergrund gerückt ist und für Skateboard und frischen Humor Platz gemacht hat.

„This Peter Parker is a little different: he’s still an outsider, but he’s an outsider by choice […]. He has a chip on his shoulder – he’s the kid who rejects people before they can reject him. The humor, the sarcasm, the rebellious streak emanates from the little kid who got left behind so long ago.“ (Marc Webb)

Des Weiteren setzt Rhys Ifans als Böser in der Geschichte die missverstandene wie tragische Seite seines Charakters sehr zufriedenstellend um. Sein Einsatz für die Comicverfilmung ging sogar so weit, dass er auch im Vorfeld so tat, als hätte er nur einen Arm und so seinen Alltag bestritt, um ein richtiges Gefühl für die zu spielende Figur zu bekommen. Auch Emma Stone (auf die wohl die meisten Fans bei der Deutschlandpremiere sehnsüchtig warteten und dann in der Hoffnung auf Autogramm und Foto wild loskreischten) holt alles aus ihrer Rolle raus, was das Drehbuch hergibt. Die Liebegeschichte zwischen Gwen Stacy und Peter Parker ist hierbei äußerst simpel gehalten – was sich angenehm unkitschig auf den gesamten Film auswirkt. Es lässt sich schlussendlich feststellen, dass man sich noch sehr viel für die weiteren Teile aufgespart hat und selbst nach dem Abspann die Anspannung erhalten bleibt.

Kinostart: 28. Juni 2012

Fotos + Gesehen von: Hella Wittenberg