Gesehen: „Lincoln“ von Steven Spielberg

Im Jahr 1864 hat der 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Abraham Lincoln (Daniel Day-Lewis, „There Will Be Blood“), alle Hände voll zu tun. Auf der einen Seite gilt es schnellstmöglich den Bürgerkrieg und das unnötige Sterben zu beenden, aber auf der anderen Seite auch noch währenddessen ein Gesetz zu verabschieden, welches die Sklaverei endgültig abschaffen soll. Dieser Wunsch stößt nur auf wenig Gegenliebe, doch mit seiner Frau Mary Todd Lincoln (Sally Field, „The Amazing Spider-Man“),  Außenminister William Seward (David Strathairn, „Good Night, And Good Luck“) und dem Radikalen Thaddeus Stevens (Tommy Lee Jones, „No Country For Old Men“) weiß er wichtige Personen auf seiner Seite. Um die parlamentarische Mehrheit zu erlangen, muss der Präsident schließlich auch zu nicht ganz so legalen Mitteln greifen. Außerdem gilt es für ihn seinen Sohn Robert (Joseph Gordon-Levitt, „Inception“) weiterhin zu überzeugen, nicht auch in den Krieg zu ziehen, obwohl sich dieser unbedingt im Kampf beweisen möchte. Gewichtige Entscheidungen müssen also an allen Fronten getroffen werden.

Jede Pose von Abraham Lincoln ist bedächtig, ruhig und wie in Stein gemeißelt von der Kamera eingefangen. Regisseur Steven Spielberg weiß eben ganz genau wie er heroische Charaktere in einem Historien-Film darzubieten hat. Dies stellte er unter anderem mit Oscar-prämierten Filmen wie „Schindlers Liste“ oder auch „Der Soldat James Ryan“ unter Beweis. Nur legte man bei „Lincoln“ den Fokus nicht auf das Außen, auf das Kriegsgebiet selbst, sondern auf die intimeren Räume. Dieser Fakt ist wohl die größte Radikalität des 150-Minüters. Auch wenn es um die Stellungnahme zur Haltung von Sklaven geht, so wird dies doch recht trocken allein von Anzugträgern in gut verschlossenen, kalten Örtlichkeiten diskutiert – nicht so wie zum Beispiel in Quentin Tarantinos heißblütigen Italo-Western „Django Unchained“, wo ebenfalls die Freiheitsfrage behandelt wird. Nur geschieht es bei Tarantino weitaus direkter, blutiger und um einiges deutlicher ausgesprochen. Doch Spielberg geht es zum einen um historische Genauigkeit und zum anderen darum eine Geschichte zu erzählen, die sich bis jetzt hinter verschlossenen Türen befand, so dass man sich den Mann hinter der Idealvorstellung nur fantasievoll ausschmücken konnte. Voller Ironie steckt das Werk trotzdem. Denn zum Beispiel immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet, beginnt Lincoln seinen zahlreichen Zuhörern von einer Anekdote zu berichten, die als Metapher für den Moment herhalten soll, viel Zeit und Worte in Anspruch nimmt und nicht selten zum Augenrollen verleitet. Das ist formvollendete Situationskomik – unterlegt mit bedächtigen musikalischen Klängen. Des Weiteren zeigt Spielberg ein weiteres Mal ein außerordentlich gutes Händchen für die Wahl des Hauptdarstellers. Der zweifache Oscar-Gewinner Daniel Day-Lewis ähnelt so stark dem Original, das er ohne Probleme genau so noch einmal auf eine 5 Dollar Note gedruckt werden könnte. Nachdem er zunächst die Rolle ablehnte und erst nach jahrelangem (!) Bitten und einem Telefonanruf von Leonardo DiCaprio zusagte, vergrub er sich schließlich in intensive, ungefähr ein Jahr andauerte Recherchearbeiten. Nun spielt der Engländer das Staatsoberhaupt voller Seele, charismatisch und samt vielfältigster Sehnsüchte. Er atmet Lincoln und schreibt damit, Hand in Hand mit Steven Spielberg und seinem Drehbuchautoren Tony Kushner („München“), die amerikanische Geschichte neu.

Kinostart: 24. Januar 2013

Gesehen von: Hella Wittenberg