Das US-Debüt des österreichischen Oscar-Preisträgers Stefan Ruzowitzky (er erhielt 2008 für „Die Fälscher“ die Auszeichnung als bester fremdsprachiger Film) ist ziemlich blutrünstig ausgefallen. Denn Eric Bana („München“) mimt für ihn – ganz ohne das grüne Kostüm, aber mit der gleichen Intensität – den Hulk und zieht in, für den Zuschauer fast spürbarer, eisiger Kälte eine enorme Blutspur hinter sich her.
Das Thanksgiving-Wochenende steht bevor. Die Geschwister Addison (Eric Bana) und Liza (Olivia Wilde, „Cowboys & Aliens“) haben gerade erst ein Casino überfallen, als sie durch einen Autounfall inmitten vom schneebedeckten Michigan stecken bleiben. Nun gilt es nicht weiter aufzufallen und der Polizei aus dem Weg zu gehen. Weshalb die beiden sich entscheiden, sich bis zur Grenze getrennt voneinander durchzuschlagen. Liza wird schnell von dem frisch aus dem Gefängnis freigekommenen Jay (Charlie Hunnam, „Sons of Anarchy“) aufgelesen, während Addison den gewaltvollen einsamen Weg wählt. Sie alle treffen in Jays Elternhaus aufeinander. Dazu gesellt sich bald auch die engagierte, aber von ihrem Vater, Sheriff Becker (Treat Williams, „Everwood“), kaum beachtete Polizistin Hanna (Kate Mara, „Happythankyoumoreplease“). Und mit einem Mal ist nicht einmal mehr für Jays Eltern, Chet (Kris Kristofferson, „Blade“) und June (Sissy Spacek, „In the Bedroom“), ein ruhiges und besonnenes Thankgiving vorstellbar.
Stefan Ruzowitzky schafft es, die verschiedenen Handlungsstränge auf eine präzise wie ausgefeilte Art und Weise miteinander zusammenzubringen. Der von Dean Zach geschriebene Thriller handelt zentral von drei Familien, die gerade an dem heimeligen Thanksgiving-Fest auf dem Höhepunkt ihrer ganz persönlichen Krisen angelangt sind. Es wird also explodieren. Mehrmals. Denn zum einen gibt es da die krankhafte Beziehung eines Geschwisterpaares sowie einen Ex-Sträfling, dessen Vater aus Enttäuschung und Gräuel nicht mehr mit ihm spricht. Zum anderen aber auch einen Sheriff, der seine Tochter nicht gerade liebevoll behandelt, obwohl sie das Einzige ist, was nach dem Tod der Frau noch von seiner Familie übrig geblieben ist. Die Geschichten bestechen in ihrer Komplexität – eine einfache Lösung scheint es nie zu geben und Gnade unmöglich zu erreichen. Ruzowitzky sagt über seine Faszination zu dem Thema:
„Mich hat die Obsession der Amerikaner von Familien amüsiert, weil es dieses Idealbild der perfekten Familie gibt – und dann doch jeder mehr oder weniger frustriert scheint von den lieben Verwandten. Aber vielleicht sind die Ansprüche einfach zu hoch, die wir an unsere Liebsten stellen, denn natürlich hat jeder Geheimnisse und Schwächen.“
„Cold Blood – Kein Ausweg. Keine Gnade.“ ist also eine Geschichte über Familie. Über Angst, Sehnsucht, Wut und gleichzeitiger Unterdrückung. Ein Blick lohnt sich, da der 95-Minüter durch seine rohe Geradlinigkeit und den beigemischten ästhetischen Panoramaaufnahmen besticht, bei denen die Eiseskälte des Winters schon allein beim Zuschauen unter die Haut geht.
Kinostart: 22. November 2012
Gesehen von: Hella Wittenberg