Gelesen: Mayte Garcia „The Most Beautiful – My Life with Prince“

Als Prince vor einem Jahr gestorben ist, hat er diese unglaubliche Menge an unveröffentlichter Musik zurück gelassen. Und natürlich lechzt die Welt danach, sie zu hören. Am 21. April 2017, seinem ersten Todestag, erscheint nun die EP „Deliverance“, darauf sechs Songs, die Prince zwischen 2006 und 2008 zusammen mit Producer Ian Boxill aufgenommen hat und die Boxill nun, posthum, fertig gestellt hat. Die Vorstellung, dass etwas das Licht der Öffentlichkeit erblickt, woran Prince nicht als letzter Hand angelegt hat, ist, bei aller Neugier, keine besonders angenehme. Für Juni, rechtzeitig zu seinem Geburtstag, plant Warner die Veröffentlichung zweier neuer Alben.
Es ist ein schwieriges Thema. Auch dass Prince’ gesamter Katalog jetzt auf Spotify und co zu finden ist, wo er selbst doch immer dagegen war und eigene, stärker kontrollierte Wege gesucht hat, seine Musik zu veröffentlichen. Schließt man sich dem Aufschrei vom Ausverkauf an? Oder freut man sich, dass nun auch Generationen, die nicht wie ich selbstverständlich mit Prince und seiner Musik aufgewachsen sind, leichter Zugang zu ihm finden? Ich bin da für mich noch zu keinem zufrieden stellenden Schluss gekommen.

Die Furcht vor dem kommerziellen Ausverkauf

Jetzt hat Mayte Garcia, Prince’ erste Ehefrau, mit „The Most Beautiful – My Life with Prince“ ein Buch über seine Zeit mit ihm zu veröffentlicht. Als dies bekannt wurde, waren die öffentlichen Gemüter ähnlich gespalten. Schon als Mayte 2014 Teile aus Prince’ Garderobe, die noch in ihrem Besitz weilten versteigerte, musste sie sich von Seiten vieler Fans böse Vorwürfe anhören. Die Liebe ihres Lebens, der Mann, der nie etwas mehr fürchtete als kommerziellen Ausverkauf, genau diesem preisgegeben? Und dann ein Buch, das aus allererster Hand private Details aus seinem Leben öffentlich macht – will man das? Und warum tut Mayte das? Die Wahrheit erfährt nur, wer liest. Und wer es tut, ohne Vorurteile und mit offenem Herzen, der wird erleben, dass Mayte für alles was sie tut und tat, ihre Gründe hat. Man muss sie nicht nachvollziehen können, aber man muss sie zumindest anerkennen.
Ich habe Prince zum ersten Mal 1990 live gesehen, während seiner „Nude“ Tour im Münchner Olympiastadion. Danach war ich, gelinde gesagt, in love. Ich kaufte mir ein purpurfarbenes Notizbuch und dachte mir eine Geschichte aus. Von einem Mädchen, das bei einem Prince Konzert in der ersten Reihe steht. Ihre Blicke treffen sich. Sie schafft es, durch einen seiner Mitarbeiter ihm eine Nachricht zukommen zu lassen und er will sie unbedingt treffen. Sie werden Freunde, sie arbeiten miteinander. Irgendwann verlieben sie sich und am Ende heiraten sie. Vor diesem Hintergrund Maytes Biografie zu lesen ist eine nahezu absurde Erfahrung. Denn Mayte ist genau das damals passiert. Sie war 16 Jahre alt, als sie Prince während der „Nude“ Tour in Barcelona das erste Mal live sah. Sie stand in der ersten Reihe und hatte das Gefühl, ihre Blicke hätten sich getroffen. Damals lebte sie in Wiesbaden, ihr Vater war in Deutschland stationiert. Seit ihrer Kindheit steht Mayte als Bauchtänzerin auf der Bühne. Es war ihre Mutter, die die Idee hatte, Prince ein Video zukommen zu lassen, auf dem er Mayte tanzen sehen kann. Vor einem Konzert in Frankfurt klappt die Übergabe. Ein Mitarbeiter reicht das Band an Prince weiter, der es sich noch vor dem Konzert ansieht und Mayte daraufhin sofort treffen möchte. Es ist eine Begegnung von wenigen Minuten. Aber als Mayte, ihre Mutter und ihre Schwester nach dem Konzert nach Hause kommen, klingelt bereits das Telefon. Man dreht direkt wieder um, denn Prince möchte Mayte treffen, „to talk some more“. Und sie soll mehr Tanzvideos von sich mitbringen.
Aus dieser Begegnung entwickelt sich eine Art Brief- und Telefonfreundschaft. Prince schickt Mayte Kassetten mit Songs, sie ihm im Gegenzug Videos, wie sie zu seiner Musik tanzt. Irgendwann lässt er sie in einem eigenen Apartment in Minneapolis stationieren, wo sie ein Wochengehalt erhält und auf ihren Einsatz wartet, während er für die „Diamonds & Pearls“ Tour probt. Sie lernt früh, dass das Zusammensein mit Prince Geduld erfordert. So dauert es auch vier Jahre, in der die beiden als enge Verbündete rein beruflich miteinander agieren, bis aus Freundschaft Liebe wird.
Ich gebe es offen zu, es gab Zeiten, da hätte ich meinen rechten Arm dafür gegeben, an Maytes Stelle zu sein. Aber leider ist die Liebesgeschichte zwischen Prince und „Princess Mayte“ nicht nur eine der romantischsten der Musikgeschichte, sie ist leider auch mit Abstand eine der tragischsten.

Das romantischste Rock’n’Roll Märchen ist gleichzeitig das tragischste

Es wäre übertrieben zu sagen, dass das Glück lange Zeit perfekt war. Mayte lässt in ihren Erzählungen durchaus blicken, dass das Zusammensein mit Prince nicht immer leicht war. Immer wieder beschreibt sie Situationen, in denen die Kommunikation mit dem privat eher schüchternen, verschlossenen Superstar an ihre Grenzen stieß. Aber es wird genauso greifbar, dass es eine besondere Verbindung war, die die beiden zueinander genossen haben und die neben der Liebe vor allem von großem, gegenseitigem künstlerischem Respekt geprägt war. Nach der Eheschließung wünschten beide sich nichts mehr als ein gemeinsames Kind.
Bis jetzt waren nur Fragmente der Geschichte von Prince’ und Maytes Sohn Amiir bekannt. Der Tod des Kindes nur wenige Tage nach der Geburt wurde nie offiziell bestätigt. Nun legt Mayte die tragischen Ereignisse zum ersten Mal offen. Die Komplikationen während der Schwangerschaft, die Geburt des Kindes, das mit schweren Behinderungen auf die Welt kam und mehrfach operiert wurde, bis Prince und Mayte sich dazu entschlossen, keine weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen mehr ergreifen zu lassen.
Es gibt ein Interview mit Mayte und Prince, das Oprah Winfrey auf Paisley Park führte, wenige Tage nach dem Tod des Sohnes. Auch wenn beide, trotz mehrfacher Nachfrage, sich nicht zum Gesundheitszustand ihres Kindes äußern (oder auch gerade deshalb), ist es hart anzusehen. Die Trauer und Schwere, die auf beiden lastet, ist nur allzu greifbar. Wenn man liest, wie Mayte den Besuch von Oprah erlebte, kann man die Aufnahmen schlichtweg gar nicht mehr ertragen. Spätestens dann wird die Geschichte von Prince und Mayte zu der eines Paares, das daran zerbricht, seine Trauer miteinander zu teilen, das statt gemeinsamer Bewältigung sich in Sprachlosigkeit flüchtet.
Es dürfte kein leichtes für Mayte gewesen sein, ihre Geschichte zu erzählen. Die kritischen Blicke, die dabei auf ihr ruhen, sind ihr durchaus bewusst. Aber man muss ihr zugute halten, dass sie bei aller Offenheit nie auf reißerische Details setzt. Alle Menschen, die ihr in dieser Zeit begegnet sind, nicht nur Prince selbst, behandelt sie mit Respekt, auch die, die ihr nicht immer wohl gesonnen waren.

Was bleibt ist die Trauer. Und der Respekt 

Die Frage, ob man Maytes Geschichte lesen sollte oder nicht, kann jeder sich mit der Frage beantworten, wieviel Mensch der Mythos Prince für ihn verträgt. Es macht natürlich Spaß zu erfahren, dass er im Kino am liebsten Popcorn mit Schokoerdnüssen gemischt hat. Dass er Zuhause gerne Ugg Boots getragen hat, weil sie die Füße schön warm halten, man in ihnen aber gut auf den Zehenspitzen stehen kann. Aber man lernt auch einen Mann kennen, der an seinem Gram zerbricht, weil er nicht in der Lage ist, ihn zu teilen. Der die Liebe seines Lebens am Ende für die Gemeinschaft der Zeugen Jehova opfert, der Mayte sich geweigert hat beizutreten. Es ist in Ordnung, wenn man das alles nicht wissen möchte. Aber man sollte es Mayte zugestehen, dass sie nach all den Jahren der (vielleicht auch auferlegten) Verschlossenheit das Bedürfnis hat, ihre Erlebnisse zu teilen. Sie wirkt nicht wie eine Frau, die versucht, aus dem gemeinsamen Leben mit einem Rockstar so viel Kapital wie möglich zu schlagen. Dafür kann sie sich und ihre Beweggründe, auch ihre Entscheidungen für die umstrittene Versteigerung und ihre Teilnahme an der Reality TV Show „Hollywood Exes“, viel zu gut erklären.
Wenn man mit 16 Jahren einen Mann kennenlernt, der exakte Vorstellungen von allem hat und erwartet, dass sein Umfeld diese bedingungslos teilt, der einem beim zweiten Treffen erst einmal einen Friseur schickt, der die Haare nach seinen Wünschen stylt, wenn man mit diesem einen Großteil seines Lebens verbringt, wie schwer muss es da sein, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln? Es ist bei weitem nicht alles beneidenswert, was Mayte erzählt. Mit den Blessuren, die sie aus dieser Zeit davon getragen hat, kämpft sie bis heute. Und auch der Verlust von Prince wiegt, noch Jahre nach der Trennung, schwer für sie. Am Ende ist die Lektüre von „The Most Beautiful“ fast ein bisschen tröstlich. Wir alle haben wenigstens die Möglichkeit uns zu entscheiden, in welcher Form wir uns an Prince erinnern möchten.

Info: „The Most Beautiful – My Life with Prince“ von Mayte Garcia ist bis jetzt nur in England und den USA erschienen. Der Buchhändler eures Vertrauens bestellt es euch aber gewiss. 

Gelesen von: Gabi Rudolph

www.mayte.com