Gelesen: Markus Berges „Die Köchin von Bob Dylan“

Markus Berges Die Köchin von Bob DylanMarkus Berges ist Sänger und Songschreiber der Kölner Band Erdmöbel. Seine Texte sind meist eher assoziativ, voll verschwurbelter Alltagspoesie. Seine Prosa hingegen sind klar strukturierte, gut erzählte Geschichten. Wer in seinem zweiten Roman „Die Köchin von Bob Dylan“ eine Millieustudie aus der Welt des Rock’n Roll erwartet dürfte jedoch eventuell enttäuscht, zumindest aber überrascht sein. Ein Roman aus der Feder eines Musikers über die Köchin eines Musikers – es läge durchaus nah. Aber Markus Berges schlägt eine andere Richtung ein.
Seine Hauptfigur Jasmin Nickenig, bis dato Herausgeberin eines Foodblogs über Käse, erhält tatsächlich überraschend die Chance, von einer schwangeren Freundin deren Anstellung als Tourköchin von Bob Dylan zu übernehmen. Also reist sie auf die Krim, wo sie in Jalta auf Dylan und seine Crew trifft. Als wäre das alles nicht schon skurril genug, bekommt Jasmin kurz nach ihrem Arbeitsantritt einen Anruf von einem Unbekannten aus Odessa. Dessen Großvater hat vor kurzem einen Schlaganfall erlitten, spricht seitdem Deutsch und behauptet sein Name wäre Florentinius Malsam. Ein ungewöhnlicher Name und zufällig der von Jasmins Großvater, der seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen gilt. Jasmins Großmutter Erna lebt in einem Kölner Seniorenheim und ist dement, wenn Jasmin versuchen möchte herauszufinden, ob es sich wirklich um ihren Großvater handeln könnte, muss sie der Einladung nach Odessa folgen, den Ort, an dem nicht nur ihre Wurzeln liegen sondern auch die Bob Dylans,. Der erteilt ihr während eines gemeinsamen Besuches des Hauses von Anton Tschechow die Erlaubnis, ihren angeblichen Großvater zu besuchen und anschließend in Odessa wieder zum Tourtrupp dazu zu stoßen.
Jasmins Reise ist einer der beiden Handlungsstränge, die Markus Berges kapitelweise nebeneinander legt. Der andere ist die Geschichte Florentinius Malsams und dessen Jugend in einem deutschen Dorf in Russland. Dabei beleuchtet Markus Berges anhand von Einzelschicksalen die Geschichte der Russland-Deutschen zwischen den Kriegen, er schreibt über die große Hungersnot in der Ukraine, über die gesellschaftliche Ächtung der Deutschen in Russland bis zum Aufstieg der Nazis und letztendlich über die Schrecken des Krieges. Dabei beweist er sich als vielseitiger Erzähler, er verleiht den Figuren aus den historischen Passagen genauso überzeugend eine Stimme wie seiner titelgebenden Köchin. Und wie er Bob Dylan selbst darstellt ist äußerst unterhaltsam und nahezu erstaunlich, man wohnt den Passagen, in denen er und die Köchin sich begegnen ganz mühelos bei, bekommt das Gefühl, es könnte sich genau so zugetragen haben. Er zeichnet liebevolle Details, wie die gelbe Strickmütze, die Dylan bei jedem Wetter trägt oder den Nachtisch, den er besonders gerne isst und lässt auf diese Weise beide Handlungen, die Vergangenheit und die Gegenwart, ganz wunderbar lebendig werden.
Markus Berges hat selbst russland-deutsche Vorfahren, wahrscheinlich ist es das, was Jasmins Reise so lebendig macht, weil sie auf eine Art auch seine eigene ist. Aber für das Motiv der persönlichen Entdeckungsreise scheint er generell ein gutes Händchen zu haben, schon in seinem Debütroman „Ein langer Brief an September Nowak“ schickte er eine junge Frau auf den Spuren ihrer Brieffreundin von Deutschland nach Monaco. Und, auch das zeichnete sich schon in seinem Debüt ab und wird noch einmal in „Die Köchin von Bob Dylan“ deutlich, er hat ein gutes, sicheres Gespür für seine Frauenfiguren. Sie sind emotional und inhaltlich absolut stimmig, man dockt als Leserin gut an ihnen an. Besonders schön beweist er in seinen Erzählungen aber, dass eine gute Geschichte nicht immer vom Ankommen handeln muss. Im Fall von „Die Köchin von Bob Dylan“ ist die Reise für sich Motiv genug. Weiß man ja auch im wahren Leben selten, wo genau es einen am Ende hin verschlägt.

Info: „Die Köchin von Bob Dylan“ von Markus Berges ist im Rowohlt Verlag erschienen und kann hier käuflich erworben werden.

Gelesen von: Gabi Rudolph

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