„OMG TEGAN AND SARA’S NEW RECORD IS OUT!“ twitterte Katy Perry jüngst zum Erscheinen von „Heartthrob“ in den USA und spricht mit diesem Satz auf den ersten Blick die gleiche Hörerschaft an wie Tegan and Sara’s siebtes Studioalbum: vom Radio-Einheitsbrei-Verstrahlte-„Ich höre eigentlich Alles“-Sager.
Vielleicht ein kleiner Dank dafür, dass Tegan in einem Interview mit der – doch sehr un-indiemusikalischen Zeitschrift – Glamour erwähnte, dass sie während der Aufnahmen des Albums häufig die Musik ihrer Twitter-Freundin Katy Perry und, ähem, Britney Spears gehört hat. Das Ergebnis davon ließ die Vorabsingle „Closer“ bereits im letzten Herbst erahnen. Indie-Popper zeigten sich allerorts empört über die musikalische Entwicklung der Quin-Twins: „Rihanna feat. Avril Lavigne im David Guetta Remix“, hörte man es Raunen. Und so fern liegt der Vergleich nicht, gehört doch auch Frankreichs erfolgreichster DJ-Export mit dem Song „Every Chance We Get We Run“ zu Tegan and Sara’s mannigfaltigen Kollaborationspartnern. Und wie rechtfertigten sich die Zwillinge?
Mit weiteren Sneak Peeks in die LP, die teilweise doch sehr fragwürdige Titel wie „I Couldn’t Be Your Friend“ oder „Shock To Your Yystem“ offenbarten und zusätzlich Öl ins Feuer gossen.
Mit einem wahnsinnig süßen und auch irgendwie obercoolem Video zu „Closer“, in dem Sara auf einer Couch herumspringt. Und mit charmanten Gimmicks wie dem „Heartthrob Magazine“, einem Heft voller T&S Facts im BRAVO-Stil. Sowie der Tatsache, dass die beiden scheinbar mit jedem Jahr schöner werden.
Und plötzlich klingt „Closer“ gar nicht mehr so schlecht, akustisch performt sogar sehr nach Tegan und Sara Quin, genauso wie „I’m Not Your Hero“ mit dem unglaublich catchigen Guitar-Slide-Effekt (der auf einer synthie-geschwängerten Platte wie dieser eigentlich keiner ist), der die Eurodance-Nummer „Goodbye Goodbye“ wettmacht und den kitschigen Text von „Love They Say“ („The first time you held my hand I knew I was meant for you. The first time you kissed my lips I knew I was meant for you“) vergessen lässt. Sicher, die Zeiten, in denen sich die Geschwister die Seele aus dem Leib sangen, (vgl. „The Con“ oder „Where Does The Good Go“) sind vorbei, Tegan und Sara offensichtlich mit sich und der Liebe zum ersten Mal im Reinen, und das hört man „Heartthrob“ auch an. Was für ein Mensch wäre man, wenn man Tegan und Sara lieber heartbroke als so glückselig mit ihren heartthrobs (zu deutsch: Schwärmen) mag? Und was für ein Fan, sie zur Abwechslung nicht auch einmal davon singen hören zu wollen?
Nun ist die Platte bestimmt nicht der Meilenstein, den ihre Facebook-Seite verspricht, aber dennoch zumindest ein gewagter Schritt in neue musikalische Gefilde für die Quin-Schwestern. Und wenn das nächste Album wieder so eine 180 Grad-Wende mit sich bringt, sollte ja auch wieder alles beim Altbekannten sein. Veränderung hat schließlich noch niemandem wirklich geschadet. Für alle, die das nicht so sehen sehen, gibt’s ansonsten immer noch Nickelback.
Gehört von: Julia Köhn
VÖ: 08.02.2013