Gehört: Lorde „Pure Heroine“

1996 war ein Jahr voller Schicksalsschlägen: Schaf Dolly wird geboren, 2Pac erschossen, Take That trennen sich und die Backstreet Boys veröffentlichen „Quit Playing Games“. Wobei ich mich nur noch an letzteres aktiv erinnere. Eine, deren Erinnerungen an die zweite Hälfte der 90er noch verschwommener sein werden, ist Lorde. Das ist aber vielleicht auch ganz gut so.
Lorde ist sweet seventeen, kommt aus Neuseeland und schreibt erstaunlich erwachsen klingende Musik. Wirft man einen Blick auf die Texte ist das Ganze nochmal eine ganz andere Sache. Nehmen wir einmal „Royals“, ein ziemlicher Hit, der sich sofort durch die Gehörgänge in den Kopf frisst und dessen Refrain man problemlos nach dem zweiten Mal Hören zumindest zur Hälfte mitsingen kann. Ella Maria Lani Yelich-O’Connor, so Lordes vollständiger Name, lässt die gesamte Hörerschaft darin nur zu gern wissen, dass sie auf alles einen Shit gibt. Kohle interessiert sie rein gar nicht, die Queen Bee ist sie trotzdem. Vielleicht auch gerade aufgrund ihrer Genügsamkeit und der Nähe zum Volk – Ella from the block quasi. Diamanten und Blingbling besingt sie ganz bodenständig auch nur noch in drei weiteren Liedern (von zehn) auf ihrem ersten Album.
Egal! „Pure Heroine“ ist gut, hat mit all seinem hippen Gehabe irgendwie eine gewisse Tiefe, so wie ein Gespräch über Foucault nach fünf Gläsern Pfeffi. Man höre sich einmal „Team“ an! Was für einen Beat der Song hat – der erinnert zwar ein wenig an „Feed The Birds“ von den Kids Of 88 (die wunderbarerweise auch aus Neuseeland kommen), das kann aber auch nur ein Zufall sein. Ansonsten sind die beiden Lieder grundverschieden, allein die Strophen in Lordes Version sind zum Reinknien und der Refrain ehrlich: „We live in cities you’ll never see on screen. Not very pretty, but we sure know how to run free. Living in ruins of the palace within my dreams and you know, we’re on each other’s team“. Zu treu um wahr zu sein.
In solchen (leider viel zu kurz geratenen) Momenten ist Lorde auch am stärksten. Man nimmt ihr eins ab, nämlich, dass man an solch übersichtlichen Orten wie einem Dorf in Neuseeland ganz sicher nur genervt sein kann von den immer gleichen Menschen und ihrer Einseitigkeit und gerade das auch irgendwie schätzt. Daran ändern auch ihre niedlichen Statements nichts, die bestimmt als clevere Gesellschaftskritik gedacht sind, aber irgendwie nicht so richtig den Ton treffen. Oder die verbalen Rundumschläge, die Lorde an Taylor Swift und Lana Del Rey austeilt. Mit denen will sie sich nämlich auf gar keinen Fall auf eine Stufe stellen, da sie ihre Rolle als Vorbilder einfach nicht ernst genug nehmen. Klar, Lana Del Rey ist mit Tigern in ihren Musikvideos und all dem anderen inszenierten Quatsch um sie herum schon ziemlich größenwahnsinnig. Trotzdem sind sich die beiden Minimalistinnen in ihrer Art Songs zu schreiben doch schon sehr ähnlich.
In „Tennis Court“, dem zweiten Hit von Lorde, heißt es zum Beispiel: „Pretty soon I’ll be getting on my first plane. I’ll see the veins of my city like they do in space but my head’s filling up fast with the wicked games, up in flames. How can I fuck with the fun again, when I’m known?“ Tja, das ist verzwickt, abspacken und Abstürze auf Facebook posten, wenn dein Account bestimmt bald von einem deiner tausenden fanatischen Anhängern gehackt wird? Das sollte gut überlegt sein. Denn nicht mehr lange und Lorde wird so richtig durch die Decke gehen. Zwei Jahre später könnte die Neuseeländerin dann schon Zeilen wie diese aufnehmen: „I’ve seen the world, done it all, had my cake now. Diamonds, brilliant, and Bel-Air now. Hot summer nights mid July when you and I were forever wild.“. Good Lorde! Wir wollen jetzt aber mal nicht vom schlimmsten ausgehen.

Gehört von: Julia Köhn

VÖ: 25.10.2013

www.facebook.com/lordemusic