Gehört: Ganglians „Monster Head Room“

Ganglians_-_Monster_Head_Room_-_CoverAls ich vor einer Woche mal wieder von Berlin nach Hamburg fuhr und mich auf meiner Hausautobahn, der A24,der ewig gleichen Frage widmete, was ich im Radio für einen Sender einstellen soll wenn Radio 1 seine letzen Frequenzfetzen im Brandenburgischen hinter sich lässt, und Deutschland-Radio gerade einen so dermaßen uninteressanten Beitrag über iranische Frauenfilme nicht enden lassen wollte, kam mir der Gedanke ,dass ich eigentlich ja nur ein bisschen gute Musik fordere und eine Redaktion, die sich damit wenigstens ansatzweise auseinandergesetzt hat. Beides nicht zu finden zwischen Neuruppin und Wismar.

In Hamburg angekommen höre ich ja meistens „Oldie-Radio“. Schlimm, wa? Aber da kommen einfach mindestens drei bis vier Mal pro Stunde Songs, die einfach gut waren und verdammt nochmal immer noch gut sind. Lou Reed oder Supertramp zum Beispiel. Oder die Beach Boys.

Und nun stellt euch einmal vor, Lou Reed hätte den Beach Boys die Songs geschrieben und sie von den Kindern der Supertramp-Musiker einspielen lassen. Absurd? Stimmt, aber nun im gut sortierten CD Handel erhältlich!

„Ganglians“ heißen sie, aus Sacramento kommen sie, und machen da weiter wo MGMT vor kurzem keinen Bock mehr drauf hatten. Nur ganz anders natürlich, sonst könnte man ja gleich deren erste Platte wieder raus kramen und die armen Ganglians würden zu vollem Unrecht nicht mit einer Silbe bedacht. „Monster Head Room“ heißt ihr Album und ist schon letzten Sommer rausgekommen, jetzt allerdings neu veröffentlich worden und endlich auch hier zu Lande registriert worden. Alles in allem Hippie-esker Surf-Indie mit teils trockenem, teils ausladendem Songwritting. Ganz wunderbar geeignet für einen Sommer, der auf sich warten lässt und herrlich unmodern.

Doch gerne im Einzelnen:

Nach einem der üblichen choralen Opener, die lediglich etwas Stimmung verbreitenST-Ganglians-OfficialPhotos-189 sollen, geht es musikalisch erst mal mit „Voodoo“ in Sphären von Belle and Sebastian im Urlaub. Verspielte, Hawaitrunkene Gitarrenklänge und verwehter Gesang mit Männerchor im Falsett. Ganz nett, aber noch nicht grandios.

„Lost Words“ beginnt wie die Sonne nach einem längeren Frühlingsregen. Hoffnungsvoll und infantil. Bei fast allen Songs sind die üblichen Instrumente einer Rockband zu finden, also  zwei Mal Gitarre, Schlagzeug, Bass und eben dieser chorale Surfgesang, den wir durch die Beach Boys so lieben gelernt haben. So auch hier. Gute Laune Musik für eine Fahrt mit offenem Verdeck. Sixtybeat.

Weiter geht es mit „Candy Girl“, und wir rutschen noch einmal 10 Jahre auf der musikalischen Zeitleiste nach hinten und die Fünfziger winken vom Badesee hinüber. Etwas befremdlich kommen allerdings immer mal wieder verhallte Hintergrundgesänge vorbei, dann ist der kurze Song auch schon vorbei.

Nun zum vermutlich besten Song der CD: „Valient Brave“. Eine kleine Oper des Songwrittings. Verhalten und melancholisch beginnend, mit einer waschechten in der Dynamik langsam ansteigenden Indie-Gitarre, bis zum ersten Höhepunkt, an dem der Song noch einmal neu beginnt. Immer mehr steigert sich das Instrumentarium, dabei extrem Low-fF rumpelnd. Ein Song wie von Velvet Underground einst in der Schublade versteckt. Groß!

„The Void“ dagegen will uns das Fürchten lehren. Seltsame Hui Bu Gesänge und eine knarzende, mal melancholisch, mal bedrohliche Gitarre begleitet den Text, der aus einem alten Kinderlied stammen könnte. Kein Beat, kein Bass. Nur Sphären und Schwingungen. Strange.

Der nächste Song „To June“ beginnt ausschließlich mit Naturgeräuschen und einem Pfeifen. Dazu eine akustische Gitarre, zu der sich eine zweite elektrische gesellt, die lang gezogene Slidemelodien dahindehnt. Langsamer Beat und eigentlich fehlt nur noch das Lagerfeuer am Ufer der Sümpfe Louisianas.

„100 Years“ heißt der nächste Versuch noch mehr Einflüsse unterzubringen. Der Blues gibt sich die Ehre, allerdings verzerrt und drogengeschwängert. Plötzlich allerdings nimmt das Lied Fahrt auf und wird zum James Bond Klassiker aus den 70ern.Dazu noch ordentlich Punk und Garage und der Bastard ist fertig. Zum Ende hin fast schon ekstatisch. Coole Nummer!

Poppig fröhlich geht es weiter mit „Cryin‘ Smoke“. Schülerbandgeschrammel und Indiegesang. Midtempo und großartige Melodien. Sehr versöhnlich nach all den Absurditäten, die wir schon hinter uns haben. „Modern African Queen“ ist ein kleines ruhiges Lied mit Gitarre und Gesang. Eine kleine Geschichte. Nichts weltbewegendes, aber schön.

ST-Ganglians-OfficialPhotos-188Dann „Try To Understand“. Eine kleine Hinterhof-Hymne, die in manchen Momenten an typische englische The-Bands der letzten Jahre erinnert, wären da nicht immer dieser verdrehte, mehrstimmige Falsettgesang und die Surf-Einflüsse, die uns in ganz andere Breitengrade fliegen lassen.

Zwei Bonustracks kommen noch. Zum einem „Blood On The Sand“. Ein Garagenhit mit 80er Jahre Gesang, unfertig und doch extrem auf den Punkt gespielt. In gewissem Sinne Rock and Roll und Wave in einem. Der letzte Song „Make It Up“ entlässt uns noch einmal mit allem, was diese erstaunliche Band zu bieten hat. Indie, Pop, Surf, Punk, Rock‘n Roll und abstrus in die Höhe geschraubter Gesang. Das Ganze so unmittelbar abgemischt, als sei es ein Livekonzert ohne Zuschauer.

Unglaublich, wie die Ganglians es immer wieder schaffen wie etwas zu klingen, das man eigentlich längst kennt aber eben nicht zusammen mit so vielen anderen Einflüssen. Extrem begabt kommt das rüber und sehr selbstbewusst. Eine richtig gute Platte für einen richtig guten Sommer.

Live gibt es die Jungs auch zu sehen in der nächsten Zeit, und ich bin sehr gespannt wie man dieses Sammelsurium an Zutaten auf die Bühne bringen wird. Also, wer mal wieder etwas Neues hören will statt immer nur Oldie-Radio hat seine Platte gefunden!

„Monster Head Room“ erscheint am 28. Mai auf Souterrain Transmissions.

Gehört von: Marcus Reinhardt

Ganglians Live:

18.06. Hamburg, Prinzenbar

19.06. Dresden, Ostpol

22.06. Berlin, Bang Bang Club

www.myspace.com/ganglian

www.souterraintransmissions.com